Der Stern – verblasster Glanz
Es fällt mir zugegebenermaßen schwer eine Bewertung des für mich quasi „neuen“ Sterns abzugeben, aber ich habe mich durchgerungen. Mit dem ersten Fotoupload habe ich auf die Teuerungswelle hingewiesen, die alle betrifft, und wie sie der Stern verarbeitet hatte und...Mehr anzeigenDer Stern – verblasster Glanz
Es fällt mir zugegebenermaßen schwer eine Bewertung des für mich quasi „neuen“ Sterns abzugeben, aber ich habe mich durchgerungen. Mit dem ersten Fotoupload habe ich auf die Teuerungswelle hingewiesen, die alle betrifft, und wie sie der Stern verarbeitet hatte und mich über manche Preise kopfschüttelnd sichtlich auch mokiert.
Ich habe mir aber vorgenommen, dieses Thema auch wieder zu beenden, sich damit abzufinden und in Hinkunft in Bewertungen nicht weiter anzusprechen, es sei denn sie wäre außergewöhnlich und damit erwähnenswert.
Der eine Gastronom hat sich sanft moderat und der andere progressiv härter angepasst, das muss jeder selbst wissen. Wie jeder damit leben und überleben wird, zeigt sicher recht alsbald die nähere Zukunft.
Der Stern hat darauf nicht nur preislich reagiert, es wurde auch das Ambiente für meine Begriffe empfindlichst abgeändert. Tischtücher und dekorierende Elemente sind verschwunden und weichen einem nun recht sterilen Look, so dass man meint, hier wird noch gearbeitet. Vielleicht ist dem auch so.
Wobei das in den beiden vorderen Gaststuben nicht so ins Gewicht fällt, aber der große hintere Raum wirkt auf mich irgendwie tot bzw. meint man, da fehlt noch etwas. Die rechte Wand wurde mit Abdeckplatten ausgekleidet. Eventuell kommen dorthin wieder ein paar Bilder, damit sich der Anblick ein wenig hebt. Schau mer mal.
Der Gastgarten im Hof ist leider optisch zu einer Hinterhofpartie mutiert. Jeder reagiert auf die zurückliegenden Krisensituationen anders, hier wurde für meine Begriffe zu tief eingegriffen, es wurde quasi nur der Rechenstift angelegt, wie das aber beim Gast ankommt war in der Rechnung nicht inkludiert, so meine subjektive Empfindung.
Über die Jahre wurde das Personal immer wieder ausgewechselt und zwar komplett, sodass quasi kein Stein auf dem anderen geblieben ist, und die mit so manchem Kellner gut aufgebauten Beziehungen sind damit wieder passe. Solches geht hier einfach nicht und ich bemühe mich auch nicht mehr darum.
Für eine Saison hatte sich die Leistung auch auf die Küche negativ ausgewirkt, sodass man danach Besuche gemieden hatte. Jedenfalls wollte z.B. ein Freund mit mir dorthin nicht mehr gehen. Der aufgehende Stern in Simmering, wie man es vor ca. 10 Jahren freudig empfunden hatte, hat stark an Glanz eingebüßt.
Spontanbesuch mit Sohnemann
Bei den letzten Besuchen, die ich ab 2022 wieder vorgenommen hatte, war zumindest die Speisenqualität wieder auf ein Level zurückgekehrt, wie man es zuvor gewohnt war. Rindsuppe und Standard-HS, wie man sie aus der Wr. Küche kennt waren einwandfrei und tadellos entsprechend dem gehobenen Level.
Diese Woche hatte Sohnemann spontan einen Besuch hier vorgeschlagen und auch bezahlt, sodass ich das gerne angenommen hatte. Dann sind die Preise seine Sache, sagte ich ihm. Auf ihn wirkten sie aber gar nicht so wie auch mich, ja es verarbeitet das jeder anders.
Aber er empfand das mit Tischbelegung sofort dargereichte Couvert ebenso witzig wie ich. A Stück‘l Brot und a Pack‘l Butter, wie aus dem Supermarkt, erwecken weiterhin keinen positiven Eindruck auf mich. Pro Person verbucht sich das gegenwärtig mit 2,50€. Da war mir der alte Gruß aus der Küche schon lieber. Ist nicht mehr.
Mir ist aufgefallen, dass ich z.B. die mir dargereichte Getränkekarte betont von rechts nach links gelesen hatte, was ich üblicherweise umgekehrt mache. O tempora, o mores, ich hoffe das muss ich nicht auf Dauer. Man startet mit 42€ für übliche österreichische Klassiker und nach oben hin dürfte es keine wirkliche Grenze geben. Die Auswahl ist aber, wie es sich gehört, reichlich
So, nun aber genug über Preise bzw. nun mehr informativ an ran an die Kalorien Wr. Kulinarik. Man muss das Leben nehmen wie es ist und genießen, ansonsten macht man grundsätzlich etwas falsch, wenn man in ein Gasthaus geht, Stern hin, Stern her.
Da Sohnemann mit mir bezüglich gemeinsamer Weinwahl nicht handelseinig wurde, er bevorzugte diesmal Bier, wählte ich einen Merlot um wohlfeile 7€ das Achterl, und es war Spitze, sodass sich dem auch Sohnemann später angeschlossen hatte.
Zum Essen wählte er zuerst ein kleines Zwickl (3,90€) und danach eins auch für Erwachsene, also ein Krügerl Gemischtes (5,10€). Beides angenehme und schöne süffige Getränke österreichischer Brauereikunst.
Es gibt ein sog. Vorspeisen Beef-Tartar (6,50€), an dieser Tradition wird weiter festgelten, die aber in Zusammenhang mit einer HS gilt. Unser Hunger war heute nicht der eines Bären, sodass wir eines gemeinsam wählten. Die Anrichtung war relativ primitiv, wieder so a G‘schicht, a Stück‘l Brot, a Stück‘l Butter, das Tartar etwas nodig mit einer Zwiebelschicht abgedeckt, des woar‘s.
Das Beef war dafür exzellent, würzig und super abgestimmt, mehrere Bestandteile, die ich einzeln nicht ausmachen konnte aber einen pikanten und wohltuenden Gesamteindruck ergeben. Tadellos also im Geschmack, billig in der Präsentation. Der neue Stern?
Als HS erging ein Budapester Schnitzel (21€) an Sohnemann, ein herrlich gefülltes Schweins-Gordon sozusagen, pikant mit Speck und Zwiebel aufgepeppt, ich kenn’s von früheren Besuchen, es ist m.E. mehr der deftigen Wiener Kulinarik als der ungarischen angepasst, umso mehr mundet es.
Noch dazu eine Mörderportion, d.h. gleich zwei Stück am Teller, sodass das eine im Magen und das andere im Sackerl für daheim landete, für seine bessere Hälfte, wie er sagte. Brav er ist. Der gemischte Beilagensalat war tadellos, der ist wie gewohnt aus alten Zeiten.
Mich lachte von der Stern-Empfehlung, eine in A5-Format gehaltene Extrakarte am Tisch, das serbische Karpfenfilet (24€) an. Als Fisch-Fan eine 1er Wahl für mich. Top-gewürzt und das sanft tranige karpfentypische Element voll da, nur ein Spur zu hart gebraten, sodass die dunkleren Stellen etwas an Holzkohle erinnern. Sie verdrängten etwas das edle Fischaroma, aber es hielt sich in Grenzen.
Beilage waren Petersilkartoffel (so sagt es die Karte), ich sage Erdäpfel, passabel im Geschmack, aber die Farbe gefiel mir nicht ganz. Leicht unterschiedlich im Gelbton und an manchen Stellen dunkler oder fahl. D.h. entweder waren die Erdäpfel nicht mehr die frischsten oder sie lagen fertig gekocht schon etwas länger herum womit sie leicht austrocken und auch ihren Farbton ändern.
Sohnemann meinte, ich sei überpenibel, für ihn waren sie in Ordnung. Nun gut, vielleicht bin ich das, aber wenn man schon zum vornehmsten Vorstadtwirten geht, dann verlange ich auch vornehme Ware, jedenfalls dann, wenn die Preise vornehm sind., aber ich sagte schon, genug davon. 😉
Es gab diesmal keine Nachspeise, auch keinen Kaffee, weil Sohnemann zu seinem nächsten Event gedrängt hatte, ja ja die Jugend, aber ich kann hier den Espresso (klein um 2,80€), Marke Afro, wie auch seine Reisebegleiter zwecks Verdauung allesamt empfehlen.
Vorsicht lasse man walten man bei den Spirituosen, denn diesbezüglich sind die Preise nicht hoch, sondern geschmalzen bis unverschämt. Das sei an der Stelle kein Gejammer, sondern ist für mich Fakt, daher erwähne ich das nochmals. Hier stimmt m.E. schlicht die Kalkulation nicht.
Unsere Gesamtzeche erreichte eine runde 100€ Summe (ohne Maut). Wie schön, dass auch Söhne Einkommen haben, denn sie ging diesmal auf seine Rechnung. Ich erklärte mich aber bereit das Trinkgeld beizusteuern.
Abschließende Worte
Betreut wurden wir bei dem Besuch von einer männlichen und einer weiblichen Kraft, die weibliche für mich völlig neu. Die männliche konnte sich noch an meinen letzten Besuch erinnern, und wir redeten damals wie auch diesmal ein paar Takte über die Entwicklung der Sterne hier und er stimmte mir in einigen Bereichen zu. Aber was soll er denn tun? Er ist ja nicht der Chef.
Ich kann sagen, dass ich den Stern in kulinarischer Hinsicht weiterhin empfehlen kann und er für mich in Simmering die Wr. Küche tadellos repräsentiert. Die Speisen sind gut bis ausgezeichnet, es fehlt aber, wie ich den Eindruck erhalte, die Konstanz, das fiel mir aber schon seit meinen ersten Besuchen auf.
Dafür ist , das sage ich als meine persönliche Meinung, das fluktuierende Personal in der Küche verantwortlich. Dem Chef (Herr Christian Werner) kann’s wurscht sein, aber falls er das hier liest, so hat er damit meine bescheidene Gästemeinung erhalten, die bloß versucht ka G’schicht‘l zu druck‘n. Wie er das verarbeitet sei seine Sache.
Was Ambiente und Service betreffen, so bin ich ernüchtert und werte sie der Objektivität geschuldet als ok, aber wenn man mal schon weit besser war, dann schmerzt das meine Wiener Seele, welche diese Art Gasthäuser besonders liebt.
PS: Der Wirt sollte dann aber seine HP updaten, denn diese vermittelt gegenwärtig NICHT den Eindruck, den man vor Ort erhält, falls er gedenkt daran nichts weiter mehr zu gestalten.
Ein wenig verblasst der einst aufgehende Stern in Simmering leider schon, daran muss sich meine Seele vielleicht erst noch besser gewöhnen, ich möchte aber trotzdem, dass er uns noch möglichst lange erhalten bleibt.
Euer WrkFan
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Durch das reduzierte Ambiente und den ständigen Servicewechsel im „Stern“ fühle ich mich aktuell beim „Stadtwirt“ besser aufgehoben - wenn’s um d. gehobene Wiener Küche geht.