Der Pfarrwirt – Kleinod der Winzer-Familie Mayer
Eine Holzveranda auf einem Hügel, der Prälatensaal, das Beethovenzimmer, eine eindrucksvoll antiquierte Schank beim Eingang sind die ersten Eindrücke beim Betreten dieses ohne Zweifel historischen Anwesens.
Beethoven soll sich hier aufgehalt...Mehr anzeigenDer Pfarrwirt – Kleinod der Winzer-Familie Mayer
Eine Holzveranda auf einem Hügel, der Prälatensaal, das Beethovenzimmer, eine eindrucksvoll antiquierte Schank beim Eingang sind die ersten Eindrücke beim Betreten dieses ohne Zweifel historischen Anwesens.
Beethoven soll sich hier aufgehalten haben und diesen Ort zu einem seiner Lieblingsplätze gewählt haben. Ich kann ihn verstehen, wäre ich betuchter, wäre es auch mein bevorzugtes Domizil.
Die Innenräume sind vielleicht nicht jedermanns Kapitel, ich mag sie sehr, Highlight ist und bleibt der Hofgarten. Noch zu erwähnen ist, dass die Familie Mayer ausgezeichnete Weißweine produziert. Der Riesling vom Ried Alsegg ist schon lange einer meiner Favoriten.
Der hofseitige Garten bietet besonders in der Dämmerungszeit eine romantische Idylle, weshalb wir bei dem Prachtwetter am letzten Sonntag die Zeit so auch gewählt haben um in diesen Genuss zu kommen. Wir, das ist das alte Gespann meiner treuen Begleitung und meine Wenigkeit.
Es erwartet dich neben gutem Wein ein klassischer Wiener Küchenstil gehobenen Niveaus mit zusätzlich saisonalen Themenschwerpunkten für eine kulinarische Reise durch das ehemalige Reich der K.u.K. Monarchie. Die Speisenkarte erzählt dazu ihre Geschichten, Vorrezensent Christian auch.
Am Sonntag hätte es Altwiener Hos’ntürlfleisch / Katzeng‘schroa gegeben, ein Geschnetzeltes aus verschiedenen Fleischsorten mehrerer Tierarten, was man früher kurz nach einer Schlachtung zubereitet hatte. Leider hatte es uns beide nicht sehr angesprochen, also wurde auf Altbewährtes zugegriffen.
Von Zeit zu Zeit wird auch Hausmannskost schwerpunktartig gepflegt, für mich leider etwas zu wenig. Die Seite der Hauptspeisen gestaltet sich mit seinen quasi 8 Fix-Gerichten dagegen mehr oder weniger über die Jahre hin unverändert.
Über die Jahre war ich stets zufrieden und habe so manch tolle Höhenflüge dabei verzeichnet. Dazu sprechen ein paar Fotos. Hier nun mein Eindruck und das Stimmungsbild aufgrund meines letzten Besuchs.
Rindsuppe der Superlative
Seit ich hier einkehre, gehört die RS fast zu einem Fixpunkt. Die Einlagen mit etwas Julienne-Streifengemüse werden zuerst im leeren Teller platziert und danach wird mit einer Extrakanne eine fantastische Consommé vor dem Gast eingegossen.
Ich liebe schon allein dieses Prozedere, wie damit der erste Kontakt mit dem aufsteigenden Duft wohltuend beginnt, ebenso erfreut das betont goldgelbe Faberl einer RS, schön geklärt, entfettet und doch kraftvoll und voller Power.
Aber was ist das? Die Leberknödeln haben diesmal eine dunkle weniger animierende Farbe, sie lagen möglichweise zulange im Freien, optisch nicht der Bringer, waren aber im Geschmack immer noch sehr gut. Ich würde sagen, Glück gehabt. Diesem Küchenfehler begegne ich hier allerdings das erste Mal.
Klassische Gerichte der Wiener Küche
Ich entscheide mich nicht sehr oft für das Kalbswiener, stelle aber fest, dass dies hier noch nie auf meinem Teller gelandet ist und der Gusto danach ist ungebremst, also einmal für mich den Oberklassiker.
Als Beilage heute Petersil-Erdäpfel anstelle des traditionellen Erdäpfel-Vogerl-Salates, dafür noch einen Blattsalat. Meine Begleitung wählt Naturschnitzel mit Reis, so verfügen wir zu zweit über ausreichend Beilagen, denn wir lieben gute Beilagen ebenso wie Fleisch und naschen ohnehin immer voneinander.
Das Schnitzel erfüllt das gehobene Niveau, perfekt souffliert, luftig und dennoch ganz zart knusprig die Panier, das Kalb von edler Güte, der Geruch von etwas Butterschmalz, ein Stück Himmel auf Erden.
Die Erdäpfel vollen Geschmacks, wunderschön intensiv gelbe Farbe, der Salat mit modernem Dressing, wie ich es nun zuletzt gelernt hatte nicht im Wasserbad, sondern zart mariniert mit kräftiger Balsamico-Note zwecks Süßung. Ich gewöhne mich allmählich daran, weil dies immer öfter so praktiziert wird.
Nicht ganz so zufrieden ist meine Begleitung. Das Fleisch tadellos, aber nicht im eigenen Natursaft‘l herausgeschmort, sondern ergänzt mit extra Kalbs-Jus, zu kräftig und wirkt schon unnatürlich, ebenso der Reis ein wenig zu kleinkörnig, nicht hart aber doch etwas trocken und an Menge eher die Kinderportion. Von wegen Butterreis, nix da, jedenfalls heute nicht.
So wird es mein Schicksal, dass es nach Tausch der Speisen kein Zurück mehr gibt, meine Begleitung ist nun ganz wild auf das erstklassige Kalbs-Wiener und ich lutsche halt am intensiven Saft herum, den der Reis nicht aufsaugen kann, weil zu körnig und schlicht zu wenig. Aber was tut man nicht alles für eine intakte gute Beziehung. 😊
Ausklang in idyllischer Abendstimmung
Man kredenzt hier sehr guten Hausbrandt-Kaffee und hat einen passablen Nussschnaps und eine nahezu makellose Zirbe. Die Klaren diesmal nur aus der Destillerie Pfau, sie sind nicht wirklich mein Favorit. Das variiert hier aber.
Jetzt wird es Zeit für eine Zigarre und der Bitte um einen Aschenbecher. Wir haben eine Top-Platzierung und können den gesamten Gastgarten überblicken. So erforscht man ein wenig das hiesige Klientel, das hier überwiegend der Liga betucht und auch darüber angehört.
Auffallend die Männer in teils sehr schicker Casual-Kleidung, die Damen hingegen mehr im coolen Fancy-Look, tja so manche auch bis hin zu abgerissen, aber so ist das heute nun mal, die Zeiten haben sich ein wenig geändert. Früher hätten solche Gäste hier wohl Lokalverbot gehabt.
Vor uns der mächtige Schattenspender inmitten des Gartens, eine gealterte ehrwürdige Kastanie, die sich fast kugelförmig nach oben hin ausstreckt. Seit eh und je genieße ich diese Anblicke bei Laternenlicht und die dazu einsetzende angenehme Abendkühle.
Ein wenig verdecken sie heute die Sonnenschirme, nun es gab tagsüber schon satte 27 bis 28 Grad. Ja, das sind die Momente, die ich in vollen Zügen genieße bis uns dann die Uhrzeit oder auch die anbrechende Sperrstunde einen Mahnruf erteilt und es ans Zahlen und Heimkehren geht.
Einige herbere Töne
Ich möchte keinesfalls verhehlen, dass ich auch Kritikpunkte anbringen möchte. Die Jus-Misere kläre ich mit einem der Kellner und beschließe, dass dieses Gericht nicht mehr unseren Teller zieren wird. Abgehakt.
Ich rede aber von anderen Dingen. Es beginnt mit dem Preislevel. Der ist abgehoben meine ich. Teuer war es hier immer schon, aber simple Beilagen mit einem Einheitspreis von 6,90€? Das erstaunt doch wieder.
Dabei war der Reis sogar eher Kinderportion, der Blattsalat sehr gut, auch die Handvoll Petersil-Erdäpfel, aber was rechtfertigt diese lauten Nebengeräusche? Das Wiener im Grundpreis, oiso nockert 25€? Dagegen das Naturschnitzel ja ein Schnäppchen mit 24,90€ inklusive Reis.
Gut, man weiß das vorher, denn ich habe klarerweise die Karte Online eingesehen. Es bedeutet für mich dann in der Folge, dass man sich exklusive Momente dafür auswählt, wie heute das Prachtwetter. Man geht hier also nicht so wie zum Wirten ums Eck.
Eine zweite Kritik muss ich anbringen hinsichtlich des Services. Ich gebe zu darin ein wenig in sentimentale Nostalgie zu verfallen, denn wo früher Wiener Schmäh und Lockerheit an der Tagesordnung waren, herrscht heute kühle Professionalität, aber deswegen sind dennoch nicht alle für meine Begriffe kompetent.
Seit dem Abgang des altgedienten Oberkellners vor ca. 2 Jahren, dessen Name mir leider entfallen ist, aber er war hier eine tragende Säule, hat quasi alles geschupft und war die gute Fee für Extrawünsche, so hat sich damit für meine Begriffe das Gesamtbild geändert.
Das nunmehr agierende Personal wirkt unpersönlich, es fehlt mir die nötige Aufmerksamkeit, das gewisse Etwas sozusagen, das man sich hier erwartet. Klar, an sich funktioniert ja eh alles, könnte man einwenden, aber ich muss mich z.B. mehrmals unangenehm artikulierend melden, ansonsten säße ich heute noch da und warte auf meinen Aschenbecher oder die Getränke-Nachbestellung.
D.h. nach Gedeck, Vorspeise und Hauptgang wird man irgendwie als, „den hamma fertig“ eingestuft, so mein Eindruck. Es werden leergewordene Tische fleißig neu eingedeckt, vergisst dabei leider den Blick auf noch sitzende Gäste. Aber eines gibt es hier wenigsten nicht, Stress! Das gefällt auch wieder.
Ok, genug dieser Dinge, aber das hat mich beim letzten Besuch schon gestört und ich kann das für die Exklusivität dieser Lokalität und seiner Preissituation nicht als angemessen betrachten. Insgesamt lassen wir 128€ ohne Maut an Ort und Stelle, was ja nicht gerade nach Okkasionspreisen klingt.
Aufgrund meiner mittlerweile langjährigen Erfahrung machen mir hin und wieder ein paar Küchen-Hoppalas weit weniger aus, andere patzen auch, sie sind an sich eher rar hier, diese verzeihe ich gerne und verbleibe mit einer grundsoliden Wertung von 4.
Das Ambiente ist für meine Ansprüche Klasse und verdient volle Punkteanzahl, aber der Service ist mit Nachsicht beurteilt gerade mal Durchschnitt. Da ich nicht so sein will, vergebe ich eine 3, auch weil ich gebotene Objektivität nicht zugunsten nostalgischer Ambitionen aufgeben möchte. Aber g’redt homma d‘rüber, des hod scho sei miass‘n. 😊
Abschlussgedanken
Ich komme sicher gerne wieder, die Vorgaben werden dafür ab sofort aber von meiner Seite neu definiert. Es wird sich das schlicht an meine Finanzkraft anpassen. Früher war der Pfarrwirt eine erste Wahl für gehobene Familienfeste, diesbezüglich werden andere den Vorzug erhalten.
Da ich aber in der schönen Zeit doch oft in dieser Döblinger Gegend meine vermehrten Umtriebe verzeichne, so werden wir eventuell für weitere Besuche den Heurigen nebenan in Erwägung ziehen.
Er gehört auch dem Mayer-Imperium an, bietet genug an kulinarischen Köstlichkeiten, dazu den Riesling Alsegg, eine schöne Weinlaube über dem Haupte samt romantischer Stimmung und ich kann meiner Zigarrenleidenschaft frönen, aber die Nebengeräusche fallen doch etwas sanfter und leiser aus.
Euer WrkFan
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Schön erzählte und auf keinem Fall zu kurze Gastro-G’schicht… 😉