Gastwirtschaft Franz Blauensteiner zur Stadt Paris
So der vollständige Name, den man vor Ort über dem Lokaleingang groß geschrieben lesen kann. Woher er kommt entzieht meiner Kenntnis, aber nach mehreren Besuchen über die letzten Jahre komme ich zur Erkenntnis, ja es handelt sich wohl um eines...Mehr anzeigenGastwirtschaft Franz Blauensteiner zur Stadt Paris
So der vollständige Name, den man vor Ort über dem Lokaleingang groß geschrieben lesen kann. Woher er kommt entzieht meiner Kenntnis, aber nach mehreren Besuchen über die letzten Jahre komme ich zur Erkenntnis, ja es handelt sich wohl um eines der urigsten Beisl, die unsere Weana-Stadt hervorgebracht hatte und Gott sei’s gedankt nicht, wie unser Admin kurz angenommen hatte, verstorben sei, nein, es lebt und webt seit eh und je.
Man meint die Zeit ist stehengeblieben. Dabei wollte ich bei meinem ersten Besuchsantritt schon wieder Kehrt machen, da spontan in mir der Gedanke: „Jo heast, wos is‘n des fira Bums‘n!“ hochkam, aber ich folgte nicht dem ersten Eindruck.
Zugegeben gefällt mir der erste Gastraum bis heute noch nicht, aber im zweiten schaut die Sache schon anders aus. Schlicht, hell, wirkt auf den ersten Blick wegen der hohen Räume kahl, aber rundum wunderschön getäfelt, wie es erst wirkt, wenn es auch in die Jahre gekommen ist, Fischgräten-Parkett, uralte Tische mit beigefarbenen Resopal-Platten, aber ja, so ist Beisl anno dazumal.
Persönlich merke ich an, dass ich gar nicht so der Verfechter eines ultra-urigen und uralten abgenutzten Interieurs bin, auf das andere wieder abfahren, aber für diese Art Beisl passt das und ich bin entsprechend dazu anpassungsfähig. Ich habe aber andere Messlatten für mein sog. Top-Ambiente.
Davor ein bescheidener Schanigarten, was für mich z.B. zählt, halbwegs abgeschirmt von der Josefstädterstraße. Gleich vis-a-vis das Café Eiles, eine nicht weniger urige alte Institution. Leider fiel der einzige Baum vor dem Lokal irgendwann einem Kahlschlag zum Opfer und musste modernen Schaltstellen für die Elektroversorgung weichen.
Und was ist hier mit den Grünen? Amoi brauchast das, san’s weg mitsamt dem Bam, aber das sei eine andere G‘schicht. 😉
Zum Glück liegt der Schanigarten ostseitig, sodass man schon ab Mittag gut sonnengeschützt sitzen kann. Über dem Lokaleingang thront seit eh und das Geweih des „Hubertus-Bräu“ Schildes und zeigt an, welcher Biersorte man hier die Treue hält. Ich mag sie jedenfalls, sie ist aber recht rar in unseren Breitengraden.
Der Service
Betrieben wird das Lokal von einer recht kleinen Mannschaft, der Chef, Herr Lentsch, amtiert in der Küche, was damit auch für recht gute Konstanz bürgt, eine weitere Kraft unterstützt ihn. In den Stuben schupfen zwei g’standene Männer den Service, die sich tageweise abwechseln, d.h. es ist meist jeweils nur einer am Werk.
Dieser kam beim letzten Mal gehörig ins Schwitzen, denn das Lokal ist durchaus gut besucht. Zu den Prime-Times sollte man jedenfalls reservieren, aber aufgrund der durchgehenden Küche und ohne Ruhetag kann man auch zu den weniger frequentierten Zeiten überfallsartig spontan einkehren, was ich auch praktiziere.
Man merkt dann auch deutlich, dass der Service wesentlich entspannter agiert, und es auch Zeit für das kleine Gespräch sidestep gibt, wenn nicht auf Druck gleich 5 Mal Menü gleichzeitig serviert werden müssen.
Mein letzter Besuch war mittags und man hat trotz Stress gelernt zu hören, sprich man wird nicht überhört. Nicht selten sah mich der gute Mann nicht einmal an, wenn ich etwas benötigte, aber er brachte im nächsten Gang quasi wie ungefragt z.B. meinen gewünschten Roten mit der Bemerkung: „A Achterl vom Markowitsch woar do, stimmt‘s?! Ja stimmt, das imponiert auf seine Weise.
Grießnockerlsuppe
Es gibt neben einigen Repräsentanten der hausmännischen Wr. Küche, die durchwegs sehr gut als auch preiswert sind, einige Dinge, die ich für den Blauensteiner besonders halte und eine gewisse Einzigartigkeit bilden, was ich aufgrund dessen auch schätze.
Das beginnt mit der recht passablen Rindsuppe die sichtlich auf Suppenpulver verzichtet, was man angesichts eines Preises von lediglich 3,60€ nicht erwarten würde. Jedenfalls zeigen sich weder Ablagerungsspuren noch empfinde ich Geschmackshinweise. Sie ist mild, aber sehr natürlich.
Die Besonderheit bildet, dass sie zwar nur mit einer Einlage angeboten wird, dafür aber mit einem hausgemachten Grießnockerl, das mit seiner schönen Butternote den Gaumen herrlich betört und sich so von den üblichen abhebt.
Bissfeste Karotten und ein wenig wie z.B. Porre ergänzen und runden den Suppengenuss ab. Seit ich hierhergehe besticht das mit Konstanz und Note Sehr gut, ist also wie eine Bank. So fängt Wirtshaus schon immer gut an.
Mein Referenz-Gulasch
Ein weiteres Highlight ist das Gulasch. Neben Hausmair zählt Blauensteiner zu meinen beiden Top-Adressen in Wien für das von mir allseits geschätzte Gulasch als ein heimisches Gustostückerl. Privat hätte ich das noch nie so hinbekommen wie ich es hier in ebenso bestechend gleichleibender Qualität bekomme
Ich habe schon mehrmals nach der Rezeptur gefragt, erhalte aber stets nur schnippische Antworten, ja der Wr. Schmäh halt, ich mag den ja, erreiche damit bloß nichts. Man hütet dies offensichtlich als Küchengeheimnis. Solche Schlingel, aber jedenfalls erzielt man damit den positiven Effekt, dass ich immer wieder gerne auf eine kleine Portion auch zwischendurch einkehre. Warat also fürs G‘schäft. 😉
Wadschunken tadellos, was für 1er-Adressen obligatorisch ist, aber dieses Gericht lebt für mich vom urtypischen Saft. Der ist ausgesprochen dunkel, hat eine besonders intensive Note, perfekt sämig, keine Zwiebelfäden mehr in Resten sichtbar und recht pikant bis leicht scharf. Schärfe ist klarerweise relativ, anderen wäre es zu viel.
Ich vertrüge durchaus auch eine weit härtere Gangart, aber es passt meinem Gaumen. Für mich bildet das bzw. auch das vom Kollegen Hausmair die Referenz und ich werte andere im Verhältnis zu dem. Die beiden spielen darin in meiner Oberliga. Ja, wenn ich nur hinter das Geheimnis käme, oiso weiterüben. 😉
Einzigartig dazu noch der m.E. Okkasionspreis von 7,20€ für die kleine und 9,20€ für die große Portion (aktueller Preis) inklusive einem Stück Gebäck. Das gibt’s sonst kaum mehr wo wie z.B. auch noch das good old Salzstangerl, beigestellt im Körberl.
Weitere Besonderheiten
Man muss es nicht zwingend als Besonderheit ansehen, aber ich erlebe hier immer wieder neue Gaumenerlebnisse, die ich zuvor noch nicht kannte. Man kann neben den konstanten Faktoren sagen, dass es auch eine Besonderheit ist, dass der Koch und Chef sehr innovativ ist und mich immer wieder überrascht.
Die Speisekarte ist mit einer Seite überschaubar mit diversen Wr. Klassikern, aber interessanter sind meist die Gerichte, die nicht darauf stehen und es nur tageweise gibt, was man über die HP auch nicht einsehen kann, sondern man muss dazu schon vor Ort sein.
Ich kann mich nicht an alles aus früherer Zeit erinnern, außer einer genialen Rindsroulade, die auch keine Spur 0815 war, aber die gemachten Fotos zeugen von einigen solcher Erlebnisse. Ich beschreibe kurz meine letzte Erfahrung.
Mit Sohnemann, seines Zeichens selbst Koch, sitze ich vor einigen Tagen zu Mittag im hinteren Gastraum. Mein Spross wählt von der Karte im simplen A4-Format Schweinsmedaillons in Steinpilzsauce und Reis um wohlfeile 16,20€. Angenehm finden wir beide, dass diverse Beilagen in einem Extrageschirr serviert werden, wie hier der Reis.
Für Sohnemann vorzüglich, an sich eh hier guter Blauensteiner Standard. Weniger begeisterte uns beiden diesmal der Salat, der zusätzlich bestellt wurde, zu süß mariniert und an sich sind weder Radicchio noch diese Lolli Dings da unsers.
Wir sind da beide eher Weana und weniger Itaka, aber das Störende war die Überzuckerung. Leichter Abzug, der Rest verbleibt auf Sehr gut und der Salat mit 2,60€ auch leicht verschmerzbar.
Aber meine Wahl wurde zu einem Edelerlebnis. Noch nicht gehört von Geschmortem Kronfleisch aus Rind mit schönen großen Nockerln, ob der Größe von Hand über ein Brettl abgestochen und wieder in einem extra Schüsserl serviert. Beim Rind handelte es sich um Stücke vom Herz- bzw. Nierenzapfen.
Man denkt da zuerst an Innereien, aber nein es sind äußerst marmorierte und schmackhafte Fleischteile, geschmort in einem Zwiebel/Rotweinsaftl. Der Saft war mir zu weinlastig, den mag ich doch mehr puristisch, aber die Zapfen waren Spitze. Butterzart weich, langfasrig und mit höherem Fettanteil.
Ein herrliches Schmorgericht, aber doch anders als ein übliches Gulaschfleisch oder Ragout, nur wieder mal z’vü, aber um 15,20€ ein mehr als preiswertes Schmankerl.
Als Abschluss ein Naber Espresso um 2,70€, guter Standard, diesmal ohne die Wasserln, weil Sohnemann noch zu arbeiten hatte, und ich das mittags auch nicht jedes Mal haben muss. aber wie bei jedem anständigen Wirt gibt es auch dazu eine aktuelle Auswahl und man verlasse sich auf die Empfehlung der Kellner.
Mein Resümee
Der Blaunesteiner rangiert in meinem Guide Wiener Wirtshaus-Favoriten als Leader der Wr. Küche für den Bezirk Josefstadt, und das nicht wegen seiner Schmankerl, sondern weil er diesen Standard für meine Begriffe mehr oder weniger auch aus dem FF beherrscht.
Die von mir beispielhaft beschriebene Tagesspezialität machen ihn für mich aufgrund guter Erfahrungen über mehrere Jahre hinweg damit nur noch attraktiver.
Als solches kann ich ihn auch für den etwas gehobenen Gourmetkater empfehlen. Nur muss man bereit sein, sich überraschen zu lassen, als dies nicht Online einsichtig ist oder man hier eine Regelmäßigkeit vorfinden würde.
Wer die urigen Grüße langjähriger Patina mit Wr. Schmäh im Service liebt, ist hier goldrichtig. Doch last but not least, was das Preis/Leistungsverhältnis anbelangt, so könnte man mit jedem wetten und wie Hans Rosenthal dazu in die Höhe springen und händeklatschend ausrufen: „Sie sind der Meinung, das war Spitze!“ 😊
Nostalgie lässt grüßen und sie lebt hier auch noch!
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