Zur Goldenen Kugel
Ich schicke voraus, dass diese Rezension keine echte Bewertung, sondern mehr ein Erlebnisbericht ist, aber ich muss auch eine Wertung vornehmen, ansonsten ginge sie nicht online. Muss also auch sein.
Animiert und aufmerksam bin ich auf das Lokal durch unseren Tester adn19...Mehr anzeigenZur Goldenen Kugel
Ich schicke voraus, dass diese Rezension keine echte Bewertung, sondern mehr ein Erlebnisbericht ist, aber ich muss auch eine Wertung vornehmen, ansonsten ginge sie nicht online. Muss also auch sein.
Animiert und aufmerksam bin ich auf das Lokal durch unseren Tester adn1966 geworden, der es summa cum laude hochgelobt hatte. Dann sollte schon was dran sein.
Als Fan der Wr. Küche gilt es auch eine Lücke zu schließen, denn mir war die Goldene Kugel bis vor meinem 2022 ReTe Antritt noch gar kein Begriff. Schande über mich, Lob aber für ReTe. 😉
So gab es nun 2023 zwei Besuche, einen als Ganslevent mit meiner allseits treuen Begleiterin und gestern mit ReTe Kollegen ChristianD3, um auch in meine klassische Küche eintauchen zu können. So der Plan. Nun was lässt sich von meiner Seite dazu sagen? Dazu im Folgenden.
Erste Eindrücke
Man fühlt im www-Zeitalter entsprechend vor, was ja an sich ein tolles Feature ist, wenn eine HP gut gestaltet ist und so bestaune ich erstmal die recht geschmalzenen Preise. Gansl 36€, Wr. Schnitzel ebenso 36€, ZRB 34€, wiewohl Fleisch vom Höllerschmid, was man in der Liga dann auch erwartet, ein Rindsupperl 8,50€, aber als Trilogie mit 3 Einlagen.
In dem Stil zieht es sich durch die Karte. Das ist schon eine Hürde, denn dieses Niveau fegt sogar solche wie Plachutta vom Tisch, doch dann obsiegt das Interesse aufgrund der Top-Wertung. Das Reservieren geht telefonisch, war in beiden Fällen problemlos.
Das Gasthaus klassifiziere ich als ein typisches Beisl, ein kleiner aber feiner vorderer Gastraum mit schönen Stilelementen, der mir auch am besten gefällt, der Bereich nebenan in schlichten Weiß-Tönen und im hinteren Bereich gibt es ein Stüberl, recht nett, aber durchschnittlich.
Bei höherem Gästeaufkommen wie gestern der Fall wirkt es dann ein wenig beengt und wir hatten auch keinen optimalen Platz, man fühlt sich etwas hingepickt. Beim Gansltermin war nicht so viel los, da wäre die Reservierung gar nicht nötig gewesen, und es fühlte sich weit freier an.
Außen ziert ein Schanigarten das Straßenbild, jetzt in vorweihnachtlicher Glitzerstimmung ausstaffiert, im Sommer vielleicht eher bescheiden, aber angesichts der Straßenlage lässt sich da nicht mehr machen.
Gansl-Dining
Als Weinbegleiter wurde Big John (Scheiblhofer) um wohlfeile 52€ auserkoren, ich denke beschreiben muss man den unter Insidern nicht, der passte, und ich wählte ihn auch deshalb, weil er preislich noch im unteren Mittelfeld liegt.
Als VS wählte ich meine geliebte RS, sie war aber zu pfeffrig angereichert und das raubte merklich das ausgewogene Feeling eines gehobenen Suppenfonds, der an sich vorhanden wäre. Keine Kraftverstärker, dann aber diese Pfeffertöne. Aber gut, man steckt es weg, freut man sich doch auf den Hauptdarsteller dieses Abends.
Die Gansln kamen in bezaubender Optik, ganz wie ich es schon auf den hochgeladenen Fotos bewundern konnte, besser sogar als die der HP, aber die Freude hielt nicht sehr lange an.
An Menge war sie ein wenig knapp, der Brustbeinkamm wurde nicht entfernt, also nicht ausgelöst und darauf war auch nicht allzu viel Fleischesgenuss. Es wirkte nach mehr, war es aber nicht.
Einer erhielt das Flügerl, der andere das Haxerl, die waren besser, aber auch bescheiden. Aber es ist nicht die Menge, die ich beanstande, sondern eine insgesamt spürbare Trockenheit. Waren die wirklich frisch zubereitet? Wir stellten uns einfach diese Frage.
Gut 1½ Stunden später wurde unser Nebentisch mit zwei Touris bevölkert, auch Ganslesser und bei einem fiel mir ein recht gräulicher Farbton aus. Der war doch unübersehbar. Und wieder die Frage: Wie das? Noch trockener? Zu Tode gebraten oder aufgewärmt?
Das dämpfte sehr diesen ersten Eindruck, aber man verbuchte es unter „war nicht der Tag“. Man wird es ja bei weiteren Besuchen sehen.
Wr. Küchenfreuden mit Überraschungseffekten
Wr. Küchenfreude war mein Motto des Zweitbesuchs mit Kollegen Christian. Sie bildet auch lt. HP den Schwerpunkt des Inhabers, wobei er schreibt auch kreative Akzente zu setzen. Soweit so gut. Ja, dann ist es sozusagen auch ganz nach meiner Façon.
Es gab an dem Abend auch die Möglichkeit Gerichte mit weißem Alba-Trüffel zu ergänzen, was kurz erwogen, aber nicht in Anspruch genommen wurde. Sicher auch wegen einer uns vielleicht überrollenden Preislawine. Wir erhielten dazu keine konkreten Auskünfte.
Unsere erste Weinwahl schlug fehl, wahrscheinlich „ausgetrunken“, auf die Empfehlung des Kellners ließen wir uns nicht ein, weil er dazu den Preis nicht angeben konnte, konnte oder wollte sei dahingestellt, wir landeten dann bei einer Cuvee vom Aumann, genannt Hartberg Reserve 2019, der um stolze 79€.
Der war wie erwartet bis auf den Jahrgang, der ein 2020er war, leichte Barriquetöne und er wird immer kräftiger, je länger er Luft bekommt. Ein solcher muss seine Zeit dekantieren, wie der Kenner das so nennt. Am Beginn etwas unterkühlt, was aber auch nur eine Frage der Zeit war. Herrlich war der.
Meine VS diesmal eine Hühnersuppe, dessen Fond Superlative war, ah sooo herzhaft gut, das war schon eine deutliche Steigerung in die Richtung, wie ich sie mir erwarte. Lediglich zu viel Gemüseeinlage darin, welche die recht dünnen Fadennudeln übertünchten. Aber sonst ein klasser Auftakt.
Als HS standen für mich zwei zur engeren Auswahl, Rindsroulade oder wieder mal mein heißgeliebter ZRB, der hier rosa gebraten wird. Die Fotos der zuvor eingesehenen HP siegten, es wurde der ZRB.
Die Realität aber doch anders. Optisch wieder ein Hingucker, doch er entpuppte sich als Steak. Genau so geht Rib-Eye. Die Dicke gute 2 cm Cut nach dem Garen, d.h. zuvor unplattiert, perfekt medium die Garstufe, eine schöne Röstzeichnung an der Oberfläche, die mit den Zwiebeln überdeckt wurde.
Ok, das war jetzt nicht meine Bestellung, aber so war halt heute Steakabend. Rib-Eye in disguise, but beautifully ZRB-clothed. Infolge einer damit nicht vorhandenen Schmorphase fällt auch der Saft dünn aus. Ich fand es aber gut, dass keine dickcremige Jus anstelle dessen hingezaubert wurde, denn oft passt die nicht.
Die Röstzwiebel waren Schmorzwiebel, hier fehlte der knackige Crunch-Effekt, schmeckten aber dennoch recht gut. Das machte eine brauchbare Karamellisierung und schlicht die richtige Salzmenge. Ich ersuchte um eine kleine Zusatzportion und erhielt sie auch.
Nun denn, die Wr. Küche wurde so halt ein wenig neu interpretiert, und ich muss erst anhand weiterer Besuche mir tiefere Einblicke verschaffen. Ich war also überrascht, aber deswegen nicht enttäuscht. Manches kommt halt anders als man denkt.
Zwei Dinge wurden noch dazu geordert, weil bei mir fast wie zwanghaft ein Muss. Estragon-Senf und Gurkensalat. Letzterer war wieder eine Überraschung anderer Art.
Die Gurken nicht gehackelt, sondern in bissfesten Stückchen, und diese Marinade, ein Träumchen! Endlich mal keine Feigheit vor dem Gast bei Kofi, Salz und Pfeffer. Das sind die Salate, bei der ich am Ende jeden Schluck der Marina noch genüsslich ausschlürfe. Spitze!
Den Ausklang bestritt ich mit einem Segafredo Espresso, Mittelmaß und zwei Reisetbauer Höherprozentige. Es gäbe auch Hämmerle, den nur zu doppelten Preisen, wobei mir der gar nicht so zusagt, was daher mein Vorteil war. Aber Reisetbauer-Fan bin ich auch nicht. Geht so.
Wir wurden an dem Abend gemeinsam um gute 250€ inkl. Maut erleichtert, nun ja, die Preissituation wurde schon mehrmals angesprochen, aber es war sozusagen unsere gemeinsame private Weihnachtsfeier. Und was zählt am Ende? Genau das, dass man zufrieden war. Klar, man kann es sich auch einreden. 😉
Resümee aus zwei Besuchen
Meine Besuche waren dank wunderbarer Begleitungen ein schöner Erfolg, aber kulinarisch bleiben ein paar Fragzeichen. Ich kann daher nur das beleuchten, was ich erlebt habe und über den Stil der Wr. Küche gegenwärtig noch nicht wirklich resümieren.
Die Serviceleistungen sind ok, ich finde sie nicht überragend, aber der Erwartung entsprechend. Die Leute sind vom Fach, aber warum halten sie sich bei manchen Preisen bedeckt? Hhmm? Wieder so eine Frage.
Es verbleibt für mich die Frage: Komme ich wieder? Die Preise sprechen nicht dafür, denn gute Wr. Küche geht auch zu moderaten Preisen in anständiger Qualität, aber neugierig wie ich bin, werde ich es weiter versuchen. Ich würde die Goldene Kugel sehr gerne als meinen Wh-Favoriten für den 9. Bezirk setzen, aber dazu müsste ich noch mehr erforschen.
Aus heutiger Perspektive bewerte ich das Lokal mit 3-3-3, Höhen und Tiefen ausgleichend, mehr ist nicht drin. Ich gebe zu, dass mich die Preissituation durchaus auch in diese Richtung drängt, denn man erwartet sich so einfach mehr. Wer hoch pokert, der muss dann zumindest besser bluffen. Ich setze hier nochmals das Schmuntzel-Ikon. 😉
Aber wie heißt es auch. Heute ist nicht alle Tage, ich komme wieder keine Frage, nur wann lasse ich offen. Es gibt noch weitere Forschungsobjekte und in dem Sinn bin ich froh, dass man nie auslernt.
Euer WrKFan
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… ich meinte mein „Gefällt mir-👍“ unter dem post von laurent bzgl Wein-Kalkulation.