Ein später Lunch führte uns heute ins Plachutta auf der Wollzeile. Ist schon ein paar Jahre her, dass ich zuletzt da war. Irgendwie ist es mir dort zu hektisch, die Tische sind sehr eng aneinander gestellt, und das ganze Ambiente hat weder die Ruhe, noch die Eleganz, die ich erleben möchte, wenn ...Mehr anzeigenEin später Lunch führte uns heute ins Plachutta auf der Wollzeile. Ist schon ein paar Jahre her, dass ich zuletzt da war. Irgendwie ist es mir dort zu hektisch, die Tische sind sehr eng aneinander gestellt, und das ganze Ambiente hat weder die Ruhe, noch die Eleganz, die ich erleben möchte, wenn ich essen gehe, ein bisschen Geschäftsessenstempel/Touristenmagnet haftet dem Plachutta an.
Heute aber, nachdem wir in den letzten beiden Wochen amerikanische, japanische und italienische Küche in Florida genießen durften, war der Gusto auf so richtig Österreichisches groß. Tafelspitz soll’s sein, mit Suppe und allem. Also, alle Bedenken beiseite und reservieren. Bei meinem Anruf am Morgen war die „prime time“ am Abend schon ausreserviert, also entschieden wir uns für ein verspätetes Mittagessen vor einem Termin in der Nähe.
Die Reservierung hatte geklappt und wir wurden von einer freundlichen jungen Dame zu unserem Tisch in den Wintergarten geführt. Kellner #1, freundlich und effizient, brachte uns die Karte und nahm gleich den Getränkewunsch entgegen. Zwei Achterl Gelber Muskateller und eine Flasche Mineral mit. Die Getränke brachte uns Kellner #2 in Windeseile und verschwand ebenso flott. Prost.
Ein Probeschluck ließ der Liebsten und meine Augenbrauen synchron hochfahren. What the ...? Was immer es war, es war wohl gelb, allerdings kein trinkbarer Muskateller. Wässrig, blass, ohne Geschmack, ein Wein, der bereits an der Lippe abreißt. Nix gut. Also Frage an Kellner #3, der unsere Essensbestellung aufnehmen wollte: „Was genau ist das, bitte?“ „Ein gelber Muskateller vom Tscheppe“. Danke, zurück damit, ist nicht trinkbar. Was immer mit diesem Wein passiert ist, Herr Tscheppe wäre entsetzt. Möglicherweise zu lange offen gestanden? Schlimmeres, den Wassergehalt betreffend, möchte ich nicht einmal andenken, geschweige denn, unterstellen.
Kellner #1 erschien wieder, diesmal mit einer geschlossenen Flasche, öffnete sie und schenkte, eine Entschuldigung murmelnd, ein. Na bitte, geht doch. Immer noch kein Wein zum Niederknien, aber good enough.
Wir bestellten die Gustostücke zu für zwei Personen, eine ganze Portion finde ich einfach zu viel des Guten. Schließlich will man ja ein, zwei Teller Suppe genießen, dann das Fleisch, das Mark auf getoastetem Schwarzbrot, sowie die Beilagen, in unserem Fall heute Kohlgemüse, Spinat, Röstkartoffeln und die Standardsaucen, Schnittlauch und Apfelkren.
Auch die Hauptspeise kam sehr schnell (serviert von Kellner #4) im klassischen Kupfertopf daher, in reichlich Suppe, mit einigen, recht großen Stücken Wurzelgemüse und 4 recht anständigen Stücken Rindfleisch, Kruspelspitz und Tafelspitz, glaube ich.
Die Suppe war für mich bei allen Besuchen beim Plachutta immer das Highlight schlechthin. Eine kräftige, echte Rindsuppe mit unglaublich gutem Geschmack, wobei – Kunststück, wenn man täglich eine halbe Rinderherde verkocht.
Heute: eine Enttäuschung. Immer noch eine gute Suppe, keine Frage, aber doch deutlich heller und wässriger, als ich sie in Erinnerung hatte. Die Frittaten, die ich als Einlage gewählt hatte, ebenfalls blass und geschmacklos. Kein Fertigprodukt, aber wahrlich kein Highlight. Hatte ich schon in so manchem Gasthaus viel, viel besser bekommen.
Auftritt getoastetes Schwarzbrot (Kellner #3 oder #5, ich hatte mittlerweile den Überblick verloren).
Auch das Brot war früher besser. Entweder ist man bei Plachutta auf anderes Brot umgestiegen, oder unseres stand fertig getoastet zu lange draußen. Schwer zu kauen und kein Geschmackserlebnis.
Beim Fleisch konnte Herr Plachutta wieder Boden gut machen. Das kann er, und zwar so richtig. Neid- und zweifellos.
Der Wintergarten war zu diesem Zeitpunkt zu weniger als 50% gefüllt, trotzdem wuselten ständig Kellner vorbei. Alles extrem flott, eher schon hektisch, ein Gefühl von Ruhe oder Gemütlichkeit kommt hier nicht auf. Zeit- und gewinnoptimierte Abspeisung von Geschäftsleuten und Touristen ist die Assoziation, die durch den Kopf geht. Plachutta? Stand das nicht einmal für etwas ganz anderes? Für gutes, gediegenes Essen in edlem Ambiente, mit einem doch recht gehobenen Serviceanspruch? Tempora mutantur, offensichtlich.
Kellner #6 fragte uns, ob wir noch ein Dessert wollten, wir verneinten und bestellten einen Espresso für die Liebste und einen Ristretto für mich, natürlich in Begleitung eines Grappas. Die Liebste war von ihrem Kaffee nicht sehr angetan, mein Ristretto war ok, der Grappa sogar mehr als das.
Unsere Weingläser wurden von Kellner #2 abserviert, der uns in den paar Zehntelsekunden, die er bei unserem Tisch blieb, noch wissen ließ, dass der erste Wein tatsächlich nicht trinkbar war. Ah ja.
Die Rechnung betrug etwa 90 €, für das Gebotene eigentlich viel zu viel. Location und Name, ich weiß schon, aber trotzdem ließ mich der heutige Besuch beim Plachutta recht enttäuscht zurück.
Mit Ausnahme von der Qualität des Fleisches hat so ziemlich alles im Vergleich zu früher nachgelassen. Die Suppe ist schlechter geworden, oder es gibt einen anderen Koch, oder man hat im Zuge von Gewinnoptimierung beschlossen, zu kräftig muss ja auch nicht sein. Die Frittaten waren belanglos, das Kohlgemüse und der Spinat waren ganz ok, wenn auch hart an der Grenze, versalzen zu sein. Die Röstkartoffeln waren OK, aber auch nicht mehr. Das getoastete Brot war eine Niederlage, der Kaffee lediglich Durchschnitt.
Der Service ließ zu keiner Zeit ein Gefühl von Gemütlichkeit aufkommen, die persönliche Note einer Bedienung ging durch die Geschwindigkeit der Abläufe, sowie durch die Tatsache, dass nahezu für jeden Handgriff ein anderer Kellner zuständig war, komplett verloren. Was waren das noch für Zeiten, als man beim Betreten des Lokals vom Restaurantchef begrüßt wurde, als die Kellner noch zumindest ein bisschen Zeit für den Gast hatten, nicht nur für effizientes Runterspulen eines Standardprogramms?
Schade, wirklich schade. Ich bin auch davon überzeugt, Plachuttas Zielgruppe sind keine Genießer, die auf Zeit, Gemütlichkeit und persönlichen Service wert legen. Das Lokal ist dank Touristen und Geschäftsleuten eigentlich immer gut besucht. Der Rubel rollt, der Gewinn wurde mit Sicherheit gesteigert. Die Qualität, die den Namen Plachutta so bekannt gemacht hat, hat gelitten und ist in vielen Punkten auf der Strecke geblieben.
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Das mit der Portionsgröße muss man wissen, daher bleibt einem nur übrig 2 x Tafelspitz zu bestellen, wollen 2 satt werden. Was die Preise anbelangt, man akzeptiert sie oder nicht. Eine gute Alternative für die Rindfleischküche ist der Renner in Nussdorf. Ich gehe gerne zum Plachutta, aber nie in die Wollzeile, und angesichts der Kosten zu höheren Anlässen.