Das „Figlmüller“ in der Passage zur Wollzeile ist eine wahre Institution in Wien mit langjähriger Tradition. Im Prinzip ist dieses Lokal (nicht das in der Bäckerstraße) der „Ur-Figlmüller“, jedoch hatte man 1905 zuerst einmal in der Hollandstraße begonnen – ein kurzes Intermezzo. Bereits in viert...Mehr anzeigenDas „Figlmüller“ in der Passage zur Wollzeile ist eine wahre Institution in Wien mit langjähriger Tradition. Im Prinzip ist dieses Lokal (nicht das in der Bäckerstraße) der „Ur-Figlmüller“, jedoch hatte man 1905 zuerst einmal in der Hollandstraße begonnen – ein kurzes Intermezzo. Bereits in vierter Generation wird das „Figlmüller“ geführt - Hans & Thomas Figlmüller, beide eigentlich Betriebswirte, übernahmen die Agenden vom Vater, der leider erkrankte. Dass hier zahlreiche Touristen verkehren, und das Lokal stets gerammelt voll ist, darf niemand verwundern, steht der „Figlmüller“ doch in jedem Touristenführer. Daher wäre es auch völlig unfair und letztklassig dort einzukehren und nachher über den Massenauflauf zu schimpfen.
Gleiches gilt dafür, dass hier das Schnitzel nach „Wiener Art“ (vom Schwein) extrem dünn geklopft werden – für beides ist man hier bekannt, und man sollte es im Vornhinein bereits beachten. Man klopft die Schnitzel hier schon extrem dünn und natürlich werden damit die Fleischfasern zerstört – dieser Umstand ist aber allgemein bekannt und kein Geheimnis. Auch die Firmenphilosophie „Das Schnitzel muss in jedem Fall über den Tellerrand reichen“ ist seit Jahrzehnten schon beim „Figlmüller“ offen dargelegt. Ich persönlich hätte schon auch lieber Teller, die halt groß genug für das Schnitzel sein sollten, schon alleine aus hygienischen Gründen – Schnitzel am Tisch muss nicht sein, auch wenn man hierfür eben berühmt ist. Man ist seit 2011 ein AMA-Gastrosiegel-Betrieb (österreichische, regionale Produkte) und eine dementsprechende Produktauflistung ist im Eingangsbereich zu finden. Im „Tafelspitz 2012“ findet man den „Figlmüller“ mit 62 von 100 Punkten.
Nach wie vor wird die Tradition des „Ersten Pfaffstättner Weinhauses“ (Region Baden) hochgehalten, und daher wird kein Bier angeboten. „Bier hat im ehemaligen Weinhaus von Johann Figlmüller ebenso wenig Platz wie Fruchtsaft, Kaffee oder Mehlspeisen“, so die Kernaussage. Man bietet aber eine schöne Auswahl an Weinen, zum Großteil aus den eigenen Weingärten, sowie eigenen Traubensaft an. Auch ein hausgebrannter Weinbrand, der 24 Monate im Holzfass gelagert wird, wird offeriert. Die Speisekarte ist sehr übersichtlich und bietet traditionellerweise nur 13 Klassiker der Wiener Küche an (Schnitzel, Bries, Leber, Tafelspitz, Kalbsrahmgulasch, etc.), jedoch stehen beachtliche 12 tagesfrische Salate zur Auswahl - bemerkenswert.
Wir hatten natürlich reserviert, und so suchten wir nach dem Eintreten in das sehr traditionelle (auch von der Bauweise her) Lokal sofort einen Kellner auf. Ein ausgesprochen netter Kellner (Hr. Christian) begleitete meine beste Tochter von allen und mich durch den gesamten Lokalbesuch. Permanent strömten Leute in das Lokal und es ist daher, weil auch stets voll besetzt, weder lauschig noch romantisch ruhig. Erschreckend ist nur, wie wenig Benehmen etwa 90% der eintretenden Gäste (nicht nur Touristen!) haben. Man stürmt ins Lokal, sieht irgendwo einen leeren, aber natürlich per großer und deutlicher Kennzeichnung reservierten Tisch und setzt sich einfach. Unser äußerst zuvorkommender und höflicher Kellner bewies eine Engelsgeduld – ich könnte nicht stets die gleiche Leier zu ungehobelten Gästen mit guter Miene aufsagen. Auch schön zu beobachten, dass permanent mitten im Lokaleintrittsbereich, das Lokal ist nicht mit einem großen Foyer ausgestattet, die „Horden“ einfach wie die Böcke stumm, stets alle Gäste und Tische musternd, stehen bleiben. Aber unser Hr. Christian war stets Herr der Lage und nie unfreundlich oder gar grantig – eine wahrlich bewundernswerte Leistung.
Nachdem wir die Speisekarten rasch erhielten, bestellten wir einmal einen ausgezeichneten „Schilcher Sturm“ (EUR 3,20 für 0,25l) sowie den „Traubensaft aus eigenem Weinanbau“ (EUR 2,60 für 0,25l) ohne Aufpreis für das „Aufspritzen“ mit Leitungswasser auf 0,5l – beste Qualität, ein wunderbarer fruchtiger Saft.
Zweimal die „Tagessuppe = Leberknödelsuppe“ (je EUR 3,60) – eine sehr schmackhafte Rinderbouillon, aus dem hauseigenen Tafelspitz gekocht, wurde serviert. Vom Geschmack hätte sie für mich persönlich durchaus kräftiger sein dürfen, sie war aber geschmacklich sehr gut. Eine ausreichende Menge an gewürfeltem Gemüse sowie ein sehr gut gewürztes und hausgemachtes Leberknödel rundeten den Genuss ab. Ein glattes und sehr gutes GUT.
Zweimal das „Figlmüller Schnitzel“ (je EUR 13,90 ohne Beilage) – die Schnitzel waren erwartungsgemäß sehr dünn zu riesigen Fladen geklopft, sehr knusprig gebacken und fast fettfrei serviert. Man verwendet für die Schnitzel nur die Karreerose vom Schwein, die natürlich sehr mager ist – durch einen Schmetterlingsschnitt und permanentem Klopfen wird aus mind. 250g Fleisch ein etwa 30cm im Durchmesser großes Schnitzel. Keine Flachse, kein Knorpel, nur bestes Fleisch. Zum Ausbacken verwendet man drei verschiedene Pfannen, jedoch kein Butterschmalz sondern ein häufig gewechseltes Rapsöl, das aber eben neutral schmeckt. Auffallend war sofort, dass bei keinem der Schnitzel die Panier auch nur annähernd souffliert war, was aber auch bei einem dünnen Schnitzel zumindest stellenweise so sein sollte. Ich tippe auf zu stark angedrückte Brösel oder eigentlich noch viel mehr auf „vorpaniert und für den permanenten Andrang kühl gelagert“. Die Panier war aber geschmacklich eine Wucht. Es waren wohl einer der besten Brösel, die ich bisher bei einer Panier gegessen hatte. Perfekter Mahlgrad (kein „Paniermehl“) und ein wunderbarer echt „nussiger“ Geschmack. Sie stammen übrigens von der Bäckerei Schwarz aus für den „Figlmüller“ exklusiv gebackenen und geriebenen Kaisersemmeln – eine Wucht. In Summe gebe ich für ein doch außergewöhnliches Schnitzel ein glattes GUT, der Fleischgeschmack ging natürlich wegen der Dünne sehr unter.
Einmal den „Kleinen gemischten Salat“ (EUR 3,80) – frische Blattsalate, frischer Gurken-, Karotten- und Erdäpfelsalat wurden serviert. Angerichtet mit einer klassischen „Wiener Marinade“, also etwas süß und ohne Schnörkel, war der Salat ausgezeichnet und mehr als ausreichend - SEHR GUT. Meine beste Tochter von allen wollte zum Salat zwar ein Gebäck, jedoch beim Anblick der riesigen Salzstangen, ließ sie es lieber bleiben (siehe Foto).
Einmal den „Erdäpfel-Vogerlsalat“ (EUR 3,80) – ebenfalls ein sehr guter frischer Salat (hausgemacht) mit etwas Kernöl und frischem Schnittlauch wurde serviert. Hier nur ein glattes GUT, weil so geizig hätte man mit dem Kernöl nicht sein dürfen.
In Summe gebe ich für die Speisen ein glattes und ehrliches GUT. Manches war sogar sehr gut. alles war frisch und heiß serviert. Die Suppen, die Salate sind jedenfalls sehr zu empfehlen – für mich wird es wohl beim nächsten Mal das „Gebackene Bries“ werden.
Für das Ambiente gebe ich ebenfalls ein glattes GUT. Das gesamte Lokal ist ein Nichtraucherlokal und der innere Gastbereich ist wirklich entzückend und urig. Eine große Gaststube mit typischen Gewölben, einer kleinen heimeligen Sitznische – sehr schön, traditionell und authentisch, jedoch teilweise einengend. Aber auch die verglaste Veranda, wo wir saßen, hatte seinen Reiz. Es ist nur sehr lästig, wenn permanent Menschen von der Straße aus durch die Scheibe auf deinen Teller reinglotzen. Natürlich rühmt man sich auch mit jedem je erschienenen Zeitungsbericht an der Wand. Toiletten im Außenbereich sind natürlich nicht der heutige Standard und im Winter besonders unangenehm (Schlüssel muss beim Kellner geholt werden), aber irgendwie passt das alles zur Tradition des „Figlmüller“ und wirkt dann fast schon liebenswert. In jedem Fall sind die Sanitäranlagen, gepflegt und sauber.
Der Service (Hr. Christian) erhält von mir ein ehrliches SEHR GUT und eine besondere Auszeichnung für Diplomatie und Geduld. Stets Herr der Lage, immer freundlich, zuvorkommend und auskunftsfreudig. Zu keinem Zeitpunkt (bewundernswert) grantig oder gar unfreundlich, selbst im größten Andrang nicht. Immer wieder wurde nach uns geschaut und Empfehlungen erhielten wir zu jeder Zeit. Leeres Geschirr war schnell abgeräumt und Bestelltes wurde rasch serviert.
Fazit: ich empfehle jeder/m einmal ein „Wiener Wahrzeichen“, wie es der „Figlmüller“ durchaus ist, zu besuchen. Traditioneller ist es eindeutig in der Wollzeile, in der Bäckerstraße jedoch ist das Getränke- und Speisenangebot deutlich erweitert (siehe Homepage). Durch den permanenten und enormen Andrang sollte in jedem Fall eine Reservierung erfolgen. Uns hat es bis auf die Enge und das Benehmen so einiger Gäste absolut gefallen – alles war stimmig. Es ist hier zwar nicht billig, aber ich finde die Preise für das Gebotene, die Lage und für den Namen, den man sich auch erst einmal erarbeiten musste, fair und gerechtfertigt. Günstige Tagesmenüs (EUR 8,90) und Tagesteller (EUR 7,90) werden auch angeboten. Ja, ein Touristenauflauf, aber eine klassische Touristenfalle, wo man einfach nur abgezockt wird, ist es definitiv nicht. Man sollte zumindest einmal den „Figlmüller“ besucht haben, daher auch meine Empfehlung.
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Das ist eben die 'High-Quality' beim Figlmüller. Der sieht mich schon seit Jahren nicht mehr.