Ein paar Dinge vorweg:
Wie schon bei meinem letzten „griechischen“ Lokalerlebnis stelle ich nicht den Anspruch darauf zu wissen, was authentisch oder original ist.
Ich war einmal für längere Zeit in Kreta – und im Falle des vorliegenden Lokals noch nie in Mexiko.
Aber eines fällt hier in...Mehr anzeigenEin paar Dinge vorweg:
Wie schon bei meinem letzten „griechischen“ Lokalerlebnis stelle ich nicht den Anspruch darauf zu wissen, was authentisch oder original ist.
Ich war einmal für längere Zeit in Kreta – und im Falle des vorliegenden Lokals noch nie in Mexiko.
Aber eines fällt hier in der kleinen Taqueria sofort auf: eine Massenausspeisung, die den Menschen ein „Bild“ von Mexiko liefern soll, ist das hier sicher nicht.
Wie soll ich es vorwegnehmen – die geschmacklichen Erlebnisse hier waren so grundverschieden im Vergleich zum „mas!“ oder zum „Salud!“, dass ich mir eines erlaube zu sagen: Geschmäcker in Großausspeisungen sind irgendwie „erwartungsgemäß“, weil sie einerseits ein Gefühl erwecken sollen, wie es „dort“ so ist und so schmeckt.
Andererseits geht dabei ein Betreiber eines solchen zumeist hochprofessionell geführten Lokales kaum ein großes Risiko ein, gravierende geschmackliche Experimente werden nicht unternommen. Brutal gesagt, ein „Allerweltsgeschmack“, vergleichbar mit Weinen „internationaler Stilistik“. Schmeckt einem breiten Publikum, aber ohne Ecken und Kanten.
Nehmen wir ein Beispiel aus der Musik: Shaqira kommt aus Kolumbien.
Sie ist ein Weltstar, allerdings nicht, weil sie Kolumbien oder ihre Herkunft für ein breites Publikum bekannt gemacht hat, sondern weil sie bzw. ihre Produzenten den Europäern ein Bild ihrer „lateinamerikanischen“ Herkunft liefern.
Es waren also nicht die spanischsprachigen Originalversionen ihrer Hits, geschweige denn die Songs der Zeit davor, die den Leuten hierzulande bekannt sind.
So glaube ich verhält es sich auch beim Essen – ein „bisschen Tex-Mex“ gefällt auch uns, aber alles, was „tiefer“ geht, ist vielen hier wahrscheinlich auch zu fremd, dafür braucht es wohl eine aufgeschlossenere Klientel.
Wer den Bericht von „derweinrat“ zuvor gelesen hat, hat einen gewissen Vorteil. Was er allerdings nicht wusste, ist, dass mir ein paar Stunden später (ich war allerdings tags zuvor schon mal hier…) amarona1978 gegenüber sitzt.
Und die weiß auch genau, was gut ist – und war auch schon in Mexiko – viele Monate lang.
Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass Mexiko mit seinen fast 2 Millionen Quadratkilometer fast sechs Mal so groß ist wie Deutschland – und „die“ mexikanische Küche natürlich auch nicht überall gleich sein kann – und – dann wäre noch das Problem der Tatsache, dass es natürlich nie so schmeckt wie vor Ort. Das kenne ich als „quasi-mezzo-italiano“ nur zu gut: Spaghetti Carbonara und Pizza Margherita schmecken nur zwischen Roma und Napoli am allerbesten.
Klammert man allerdings diese „Startnachteile“ aus, so ist das Gebotene hier höchst erfreulich, allein schon deshalb, weil man hier Sachen bekommt, die man in „normalen“ Tex-Mex-Lokalen sicher nicht bekommt, aus schon zuvor genannten Gründen.
Und so kommt man rein in das kleine Lokal – wie schon in den Berichten zuvor erwähnt sehr klein und „eng“, wobei mir das „eng“ nicht wirklich Unbehagen bereitet. Alles schön bunt, aber trotzdem schlicht und nicht überladen. Blickt man nach links über das „Küchenkastl“, schaut man direkt in die Pfannen des Kochs bzw. der Köchin.
Aus den Lautsprechern dudelt lustige Volksmusik aus Mexiko, fehlt nur noch eine Reihe Mexicanos, die mit ihren Sombreros hin- und her wippen (ja, ich darf auch mal ein Stereotyp bedienen!).
Und da ist sie schon, das Lächeln über beide Wangen: „Swei Personen? Swansig Uhrr, ochei!“ klangs tags zuvor am Telefon – und so geleitet sie uns jetzt an unseren Tisch.
Salud! Das Indio schmeckt gehaltvoll und mild, wer bitte braucht Corona? Das Pacifico (nicht Pacifistico!) wird beim nächsten Mal probiert.
Huarache de bistec, mit gegrilltem Rindfleisch. Vielleicht nicht der allerbeste Start beim Durchprobieren der Karte. Der fast zentimeterstarke Maisteig dominiert den gesamten Tellerdurchmesser, das sanft gegrillte Rindfleisch versteckt sich geschickt unter dem Salat. Sehr gut die dazu servierten scharf marinierten Tomatenwürfel (die hatten so einen lustigen Namen, ist mir entfallen).
Weniger gut: der Teig wirkt irgendwie „roh“, Begeisterungsstürme sehen anders aus.
Aber jetzt: Tacos de suadero (kleine Teigfladen belegt mit geschnetzeltem Rindfleisch, darüber eine gelbe Sauce, schön pikant) und Tacos le longaniza (das selbe nochmal, aber mit einer Art Chorizo).
Immer gut – die Salsa verde drüber, nicht scharf.
Die Ensalada de nopales wird serviert. amarone isst das erste Mal in seinem Leben den so genannten Ohrwaschelkaktus, den er sonst nur aus dem Kroatienurlaub kennt (heißt in England übrigens nicht Charles‘ Salad!), schön mariniert, zusammen mit Zwiebel und Schafskäse, die Tomaten werden ignoriert - dafür lasse ich mir die Avocadocreme gefallen.
Die dazu gereichten Nachos sind übrigens nicht die üblichen knallgelben mit der Sauce aus dem Merkur-Ethno-Regal.
Buenos nachos!
Enchiladas de mole: kein Esel, wie ich zuerst vermute, „mole“ ist das, was man in „Mainstream-Tex-Mex“-Lokalen nicht bekommt und amarona1978 gegenüber endgültig in Verzückung bringt: die Erdnuss-Kakaosauce (Foto siehe jenes von derweinrat):
Das polarisiert am Anfang mal total, zumal es laut ihrer Erfahrung obendrein viel „schokoladiger“ schmeckt als in Mexiko selbst. Man verzieht tatsächlich mal das Gesicht – Hühnerfleischtortillas und Milkaschokolade? Das schmeckt?
Doch, es schmeckt – mit jeden Bissen mehr. Da wird alles ratz-fatz weggeputzt.
Nachspeise? Geht nimmer – aber Frau Gegenüber kriegt beim „Menüpunkt“ Pastel de elote große Augen – der muss es beim nächsten Besuch sein!
Dafür: Tequila! Ayayay – dabei ist der „einfache“ José Cuervo so schön mild und angenehm. Wenn ich mich da an so manche importierte „Blancos“ erinnere, bekomme ich schon bei der Vorstellung Kopfweh.
Wenn Tequila, dann nur so einer, „reposado“, also der „gelagerte“, „ausgeruhte“.
Frau Gegenüber grinst. Ich auch.
Sicher, wie schon erwähnt ist es ihrer Meinung nach nicht ganz das, was sie in Mexiko zu essen bekam, aber in vielerlei Hinsicht entspricht es sehr wohl auch den kulinarischen Erinnerungen, also wird essenstechnisch eine 3,5-4 gegeben.
Ich kann mit Erinnerungen wie gesagt nicht mithalten, ich kann mich nur an „Tex-Mex“-Erfahrungen vor diesem Besuch erinnern und sagen, was gut war und was nicht.
Und so kann man zusammenfassend einen wohlwollenden Strich druntermachen – und sagen: sicher wieder, die Karte ist noch lang! Buen provecho – e buenos nachos… ah… buenas noches!
Hilfreich18Gefällt mir13Kommentieren