Frustessen zur Versöhnung
Es ist Samstag nachmittags, ca. 18.00 Uhr, wunderschönstes Spätsommerwetter, aber es muss eine kulinarische Schlappe vom Vortag verarbeitet werden, wie mir meine ach so begehrte Wiener Küche gestern eine schmerzliche Niederlage erteilt hat.
Am Weg nach Hause, dies...Mehr anzeigenFrustessen zur Versöhnung
Es ist Samstag nachmittags, ca. 18.00 Uhr, wunderschönstes Spätsommerwetter, aber es muss eine kulinarische Schlappe vom Vortag verarbeitet werden, wie mir meine ach so begehrte Wiener Küche gestern eine schmerzliche Niederlage erteilt hat.
Am Weg nach Hause, dieses Mal auf mich alleine gestellt, erwäge ich einen Abstecher ins Schönbrunner Stöckl. Mir sind dort die Powidltaschkerl noch in guter Erinnerung. Ja das ist es, die sollen mich trösten, also hinein.
Ich kenne das Lokal mittlerweile, der Gastgarten wurde mit neuen leuchtend orangefarbenen Metallstühlen ausstaffiert, ein wenig gewöhnungsbedürftig, man braucht Zeit bis sich das Auge daran gewöhnt. Ich nehme Platz und warte.
„Essen auch oder nur trinken?“ war die erste Begegnung mit einer quirligen, aber netten Dame, von der ich später erfahre, dass sie Slowakin ist. Wir sind an einem Ort, das einige böhmische Schmankerl anbietet. Man verzeihe mir, ob es sich um slowakische oder böhmische Küche handelt, die beiden Nationen können nicht so gut miteinander. Nun, das sei deren Sache, mir soll alles Recht sein, was gut ist.
Wie ich so überlege schwenke ich um, denn der Tag war zu herrlich um den Rest daheim zu versitzen. Spontan fällt mir noch ein, ja richtig, da gibt‘s auch Hühnersuppe, also „essen“ und sofort liegt die dicke Speisekarte vor mir. Zu trinken ein 1/8 Weiß, die Auswahl ist nicht allzu groß, nach Auflistung einigen wir uns auf den Veltliner, dazu ein 1/2 Soda und ich blättere in der Karte.
Der erste Punkt wäre schon geklärt, Hendlbouillon, wie es auf der Karte heißt. Ich kenne übrigens nur 2 Lokale in Wien, die so etwas anbieten und hier ist sie mir auch in guter Erinnerung. Als Hauptgang Zbojnik, das auf Deutsch Räuber heißt. Powidltaschkerl, ihr müsst auf die Reservebank, ich setzte heute andere Spieler ein.
Ein gutes Supperl macht schon zufrieden
Der Veltliner (4,50€) ist Durchschnitt, Sorte unbekannt und die Suppe (4,90€) kommt alsbald in einem Metallreindl. Nett, mal anders. Ah, der Duft steigt auf und ich beginne mich hineinzutigern.
Sie war nicht intensiv, aber brav und ehrlich, ausreichend Hühnerfleisch, Nudeln und ein paar Karottenstückerl. Da bleibt nichts übrig und der Löffel allein wandert ins Reindl. Ein gelungener Auftakt und der Essens-Frust vom Vortag verblasst und war schon nahezu vergessen.
Zbojnik – eine pikante Räubersg‘schicht
Ehe das Hauptgericht anmarschiert werde ich mit Musik von Adriano Celentano bis hin zu Operettenschnulzen versorgt. Es übertönt den Straßenlärm, war aber etwas zu laut. Meiner Bitte um etwas leiser wurde zögerlich aber doch entsprochen.
Nun zum Räuber. Dieses Zbojnik (17,90€) ist ein größerer Erdäpfelpuffer, der umgeklappt und darin mit geschnetzeltem Schweinsschopf gefüllt wird. Schon die erste Anprobe versöhnt nun restlos, und ich gab mich dem Gericht vollends hin.
Ausnehmend gut die Würze, ob Cayenne-Pfeffer oder Kotanyi‘s Paprikapulver scharf eingesetzt wurde, könnte man als Quiz laufen lassen, Paprika war jedenfalls ausreichend mit von der Partie und vermischte sich mit der öligen Bindung zu einer herrlich pikanten Genussvielfalt.
Hinzu kommt der knusprige Puffer, der solide Handarbeit verrät und anständig knofelt. Das muss so! Obendrauf leicht geschmolzene Käsestreifen, die man zwar wahrnimmt aber im Gesamteindruck verblassen. Das war richtige Klasse. Ergänzt wurde mit einem Salat aus Rot- und Weißkraut, sehr naturbelassen, knackfest, sanft säuerlich mariniert, insgesamt eine Rund-Um-Zufrieden Note.
Zufriedenheit, du hast mich wieder. An sich bin ich das ohnehin, aber man kann davon einfach nicht genug kriegen, und dazu geht die tschechoslowakische Küche nun mit einem 2:0 gegen den Wiener Gegner von gestern klar in Führung.
Den Puffer gibt’s übrigens auch für sich allein (5,90€) bzw. zum Mitnehmen. Das war ein kleiner Tröster während der C-Zeit, als man ja nur beschränkt kulinarisch versorgt wurde.
Ausklang oder geht noch was?
Das Lokal beginnt sich zu füllen, die Dämmerung setzt ein, es wird regelrecht romantisch. Am Nebentisch nimmt ein älteres Ehepaar Platz, dessen männlicher Teil mich freundlich begrüßt und es beginnt eine nette Plauderei. Ich erfahre, dass sie schon 65 (!) Jahre verheiratet sind. Ich bin begeistert und hier seien sie schon Stammgast seit 40 Jahren. Was soll ich sagen?
Angesicht dieser netten Entwicklung beschließe ich den Ausklang, bestehend aus Espresso und später noch einen, dazu einen Verdauungsschnaps namens „Jelinek“ aus Birnen (5€), den mir mein quirliges Mäderl empfohlen hat, in ein Intermezzo umzuwandeln. Im Fussballjargon bin ich in der Halbzeitpause.
Es gehen da schon noch die Powidltaschkerl und meine Nachbarn bestellen sich diese ohne jedwede Absprache desgleichen. Die wissen also auch, was gut ist. So schicke ich für die zweite Hälfte noch einen guten Stümer und Torjäger ins Feld fürs Finale.
Von meiner quirligen Kellnerin werde ich erneut begeistert als ich höre und staune, wie sie neben mir in fließendem Englisch die Touris bedient. Das hört man selten so. Jetzt ist Hochbetrieb, das Lokal ist bummvoll und sie fliegt unermüdlich hin und her wie ein fleißiges Bienchen. Meine Bestellung nimmt sie en passant auf.
Der Geräuschpegel nimmt zu und die Musik rückt in den Hintergrund. Die Dämmerung schreitet weiter voran und es wird immer stimmiger. Man atmet so richtig auf.
Da schau, da kommen sie, die Tatschkerl (8.90€) und schon nach nur einem Bissen Tooor! Es steht 3:0 und die behmisch/slowakische Mannschaft trägt mit diesem Ergebnis einen klaren Endsieg nach Hause.
Sehr, sehr gut, ein wunderbar weicher Teig (ob Topfen, Erdäpfel oder gemischt tue ich mir immer schwer) mit ausreichend Powidl gefüllt, umhüllt in knusprig gesüßten Butterbröseln. Ja, da lacht das Herzerl.
Ende gut alles gut, alles muss auch einmal enden, ich erteile den Schlusspfiff und ordere die Rechnung, mit alles 55€. Es war heute jeder Cent richtig investiert und ein WrkFan tritt, wiewohl im Heimspiel kurioserweise geschlagen, dennoch rundum zufrieden den Rest seines Heimwegs an.
Trotz meiner wunderbaren heutigen Erfahrung werde ich für alles eine rund um 4 Note vergeben, da ich ja nicht das erste Mal hier verweile. Gibt es auch Schwächen? Ja, aber für heute Schwamm drüber, denn Siege wollen gefeiert werden.
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