am 6. Mai 2023 · Update 8. Mai 2023
SpeisenAmbienteServiceÜbergabe an die nächste Generation
Vor einigen Jahren (ca. um das Jahr 2019) beendete Patronin Amon-Jell das Kochlöffelschwingen und übergab das Zepter an Sohnemann Junior, der das Gasthaus seither in der Familie weiterführt.
Damit ist für uns eine Ära zu Ende gegangen. Mit „uns“ meine ich...Mehr anzeigenÜbergabe an die nächste Generation
Vor einigen Jahren (ca. um das Jahr 2019) beendete Patronin Amon-Jell das Kochlöffelschwingen und übergab das Zepter an Sohnemann Junior, der das Gasthaus seither in der Familie weiterführt.
Damit ist für uns eine Ära zu Ende gegangen. Mit „uns“ meine ich meine treue Begleitung, mit der ich viel gemeinsam ausgehe und die mit mir, was den Jell betrifft, zu gleicher Ansicht wie ich gelangt ist.
Viele Jahre hatten wir bei nahezu jedem Besuch in Krems dieses schmucke Juwel eines Gasthauses quasi besuchen müssen. Mehrere nette kleine Stübchen, zum Verlieben, die vom Wein umrankte Terrasse, eine Oase des Verweilen und Amon-Jells Küche, eine Symphonie sinnlicher Genüsse.
Dazu stets top geschultes Servicepersonal, in der ReTe-Sprache eine der sog. 5-5-5 Locations, die es für unsere Begriffe auch verdient hat. Es galt für uns als eines der besten Gasthäuser Österreichs.
Mit der Übergabe an Next-Generation haben sich leider einige Dinge geändert, für uns nicht zum Guten. Besser ging es ja wohl nicht mehr, aber einige Dinge betrübten unser Gemüt und die Sympathie.
Die am meisten schmerzende Sache ist, wiewohl sich Junior ambitioniert mit seinem innovativen neuen Weg ins Zeug legt, das klingt ja verlockend, dass aber diese Interpretationen für unser Gefühl als experimentelle Wege ankommen. Sie stoßen bei unser beider Gaumen auf einigen Widerwillen.
Neue Wege und neue Erfahrungen
Es wird mit zu vielen Gewürzen, Zutaten und Neu-Zusammenstellungen an Beilagen gearbeitet, die im Ergebnis keine gewünschte Harmonie erzeugen. Dieser Eindruck basiert nunmehr auf den gesammelten Erfahrungen seit 2020.
Wir aßen z.B. Weinbergschnecken, zäh, trocken, fade und in irgendwelchen Kräutern eingelegt, schlag mich tot welche. Weiters ein Fischgericht, das ich an sich ja sehr liebe, nun aber mit Nudeln und recht undefinierbaren paprizierten Soßen. Mehr Verwirrung als Genuss.
Dann erinnere ich mich an ein Ragout, bei dem ich mich fragen musste, ob ich eh noch ein Fleischgericht essen, weil die Sauce eine völlig vom Fleischgenuss divergierende Richtung einschlug.
Was Erfahrung und Routine der alt-ehrwürdigen Patronin Amon-Jell anbelangt, die uns immer zufriedengestellt hatte, so fehlt das dem Junior für unser Dafürhalten erst.
Ohne besserwisserisch wirken zu wollen, aber wäre ich an seiner Stelle, würde ich den Kurs nicht so radikal ändern, sondern zunächst an dem anknüpfen, was die Mama meisterhaft und erfolgreich mit den Jahren auf die Beine gestellt hatte und Neuanpassungen sanfter vornehmen.
Damit hält man das Andenken besser in Ehren, mit dem sich Amon-Jell auch einen Namen gemacht hatte. Ich finde es nie gut, wenn die Jungen meinen alles besser zu können und mit Erbgut derart umgehen. Aber das sei deren Sache.
Nun geht uns die Betriebsführung zwar auch nichts an, aber als wir die resultierenden kulinarischen Ergebnisse, die uns doch betreffen, beim Servicepersonal angesprochen hatten, so erreichte unsere Botschaft leider nicht ihr Ziel. Der neue Trend wurde gebunkert und man wolle eben neue Wege gehen. Punkt.
Nun gut, wir gingen auch neue Wege, und zwar in andere Gaststätten. Wir dachten uns, lassen wir den Jell Junior erst mal Erfahrung sammeln, vielleicht wird's dann was.
Eine neuer Versuch
Es verging nun einige Zeit, auch die Corona-Zeit wurde überwunden, ein neuer Besuch in Krems, und so gaben wir dem Jell eine weitere Chance. Aber wir setzten eine Art Ultimatum. Der neue Jell beginnt uns entweder zu überzeugen oder das war’s dann für längere Zeit.
Das Wetter war traumhaft, wir erhielten unseren Stammplatz auf der Terrasse rechts neben dem Kücheneingang. Ein netter Empfang, ein guter Start, wir nehmen Platz und begeben uns in die erste Runde.
Immer noch tadellos ist die hiesige Fleischstrudelsuppe, die hier Standard ist. Der Strudel imponierte mit kräftig, würzigem Geschmack, die Majorannote verstärkte diesmal noch, die RS tadellos. Man erhält eine ansehnliche Menge in einem Kännchen, aus dem man nachgießen kann. So kennen wir das schon länger.
Meine Begleitung war mit ihrer saisonalen Spargelcremesuppe ebenfalls zufrieden, deren Basis ebenfalls RS, weißer Spargel intensiv in Duft und Geschmack. Lediglich die beiden Brennessel-Nockerln waren etwas indifferent, nicht sonderlich passend, Spargelspitzen wären da eher angebracht, hier aber noch egal, weil verschmerzbar.
Die Hauptgerichte
Der innovative Charakter mit etlichen Nuancen ist einmal geblieben. Ich zitiere der Einfachheit halber die Beschreibungen aus der Speisekarte:
Für die eigene Wahl: < Geschmorte Lammvögerl im Paradeis-, Oliven, Salbeisafterl mit süß-saurem Paprikachutney, dazu Erdäpfel-Butterpüree und gebackene Parmesan-Oliven >
Die Wahl meiner Begleitung: < Gedämpfter weißer Spargel in Haselnuss-Butterbröseln auf Schalotten- Rhabarbermarmelade und gebrannten Haselnüssen >
Nun, was blieb von den vielen sinnesbetörend klingenden Genüssen im Gedächtnis? Am Ende schmeckte man von der Vielfalt eher nur Nuancen oder gar nichts, dafür blieben mehrere Unstimmigkeiten hängen.
Z.B. war die Spargelqualität nicht besonders, jedes Supermarktprodukt wäre besser meinte meine Begleitung und sie kennt sich darin schon aus. Es gab zwei Erdäpfeln als Beilage, welche die Düfte aufgesaugt hatten, aber als nicht passend empfunden wurden. Stinknormal in Butter geschwenkt ohne Schnicki-Schnacki wäre treffender angekommen.
Wirklich unpassend waren aber, so auch meine übereinstimmende Wertung, die dazu karamellisierten Haselnüsse. Deren Süße bildeten einen harten Kontrast zum Spargel und erzeugte das Gegenteil einer Harmonie im Gaumen. Vielleicht beglückt man Kinder damit, wir Erwachsene brauchen zu Spargel keinen "Zucker".
Von der Menge her war es auch zu wenig, mit 22€ als HS sicher kein Billiggericht und Haselnüsse können das nicht ausmachen.
Meine Vögerl, 31€ dafür später zu löhnen, überzeugten leider Gottes auch nicht. Das Fleisch war nicht sauber ausgelöst, sondern eine amorphe Masse, bestehend aus nur einigen, wenigen schmackhaften Teilen und ansonsten mit zu viel Flachsen, Binde- und Fettgewebe.
Das Erdäpfelpüree war m.E. schon etwas älter und steif, ging aber noch. Es vermischte sich ohnehin mit dem Saft, sodass dies nicht tragend wurde. Von den vielen Geschmacksrichtungen des beschriebenen Gourmet-Safterls jedoch keine Spur, das ging auf der Püreeschicht schlicht unter, welches das für sich inhalierte.
Sehr gut war dafür das paprizierte Chutney, das mal mit Lamm und Püree auch wirklich harmonierte, doch kaum, dass der Gaumen zu singen beginnen konnte, war gerade das nur in einer nahezu homöopathischen Dosis vorhanden. Zwei Bissen und futsch. So konnte nicht einmal die erste Strophe einer Lobeshymne fertig gesungen werden. Auf Wienerisch: A Jammer!
Die in Parmesan herausgebackenen Oliven waren nett, eine durchaus gute neue Erfahrung, aber gebraucht hätte ich sie nicht, d.h. nicht anstelle der Hauptkomponenten. In Summe fiel auch mein Gericht an Menge zu dürftig aus.
Welcher Eindruck verbleibt nachträglich auf diese Weise? Weniger wäre mehr, was Innovation anbelangt, dafür mehr an Menge, um auch den Hunger zu stillen und das Ganze würde noch dazu glücklicher machen.
Gott sei Dank nagen wir nicht am Hungertuch, die großzügig dimenisionerte Rindsuppe entschädigte auch, von der ich meiner Begleitung sogar ausreichend abgeben konnte. Allerdings verbleiben weiter die Qualitätsmängel, die für dieses Lokal völlig ungewohnt und untypisch waren.
Service-Reaktion & unsere Wertung
Es betreute uns eine nette und freundliche Service-Dame, die wir noch nicht so kannten. Wir konnten unsere Bedenken auch anmelden, erlebten dann aber einen Wortschwall an Rechtfertigungen, dass es eben wichtig sei neue Wege zu gehen und dieser Kurs von vielen Gästen auch sehr positiv angenommen wird.
Diese Platte kannten wir schon. Schön auch für andere, für uns war es so, dass unsere Einwände als Gast wieder nicht ernsthaft angehört wurden, sprich was wir zu sagen hätten, interessierte gar nicht, da es quasi ohnehin nicht stimmt. Es verblieb der Eindruck, dass wir nicht gehört wurden, sondern uns gepredigt wurde.
Wir bleiben aber nun bei unserer gewonnenen Erkenntnis: Man nimmt sich zu viel vor, das am Ende nicht zufriedenstellend umgesetzt werden kann. Weniger wäre mehr.
Zu den Qualitätsmängeln ist es gar nicht mehr gekommen, da sich die nette Dame auch noch um andere Gäste zu kümmern habe. Das stimmt ja auch, nur haben wir es damit auch sein lassen und suchten auch nicht das weitere Gespräch, denn: Wozu?
Wir löhnten insgesamt 120€ exkl. Maut, weil wir auch noch Kaffee und ein bisserl was Hochprozentiges zum Verdauen genossen haben, wie wir das gerne als Ausklang pflegen. Insgesamt war der Besuch für meine Begriffe erneut nicht stimmig. Nur zur Klarstellung: Nicht die Preise werden kritisiert, sondern die damit verbundene ungenügende Performance.
Ich rette die Speisennote auf eine Durchschnitts 3, da es auch sehr gute Dinge gibt, wenn man sich z.B. mit Klassikern (z.B. Wiener Schnitzel oder Samstags-Schweinsbraten) begnügt, auch die hausgemachte Cremeschnitte wäre sehr positiv zu erwähnen.
Die anderen HS erfüllen unsere Erwartungshaltung leider nicht bzw. nicht mehr so wie einst. Das Ambiente bleibt wie es ist, einfach Spitze, nur der für mich „gehörlose“ Service wird ebenfalls runtergestuft. Wäre ich Gastronom, gäbe es darin gehörig Nachschulung.
Jells innovativer Weg wird nun von unserer Seite ein paar Jahre auf Eis gelegt, was ich ewig Schade finde, aber ich sage klar dazu, das sei unsere subjektive Meinung und Entscheidung. Es darf jeder auch seine eigene Erfahrung machen. Und falls sie besser als unsere ausfällt, ich hätte absolut nichts dagegen. 😊
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Das „Handerl“ und das „Zungerl“ der Frau Mutter wurde offenbar nicht weiter vererbt… schade!