Trocken war bei uns am Teller wirklich gar nichts - nur unsere Gläser, hätten zeitweise schon fast Staub angesetzt. Und das Wort "lieblos" scheint dem Herrn Floh und seiner Mannschaft, völlig unbekannt zu sein. Gut so. Warum?
Herr Floh kocht und arbeitet mit durchdachter Philosophie. Ganz kon...Mehr anzeigenTrocken war bei uns am Teller wirklich gar nichts - nur unsere Gläser, hätten zeitweise schon fast Staub angesetzt. Und das Wort "lieblos" scheint dem Herrn Floh und seiner Mannschaft, völlig unbekannt zu sein. Gut so. Warum?
Herr Floh kocht und arbeitet mit durchdachter Philosophie. Ganz konsequent. Mit viel Rücksicht auf Umwelt und Lebewesen. Nein nicht aber ja, natürlich bio – versteht sich. Wir mögen das. Und unser Gewissen auch.
Zwei unserer Verwandtschaftsfavoriten aus dem nahen angrenzenden Ausland, laden uns eben dort hin ein – denn wir haben wieder einen guten Grund zum Feiern gefunden. Letztes Jahr um die gleiche Zeit, gleicher Ort, gleicher Grund zum Feiern und uns hat’s so gut gefallen – das wollen wir wiederholen. Der Lieblingstisch wurde für uns mit Verlass reserviert. Auch für uns gut vorbereitet. Der war eingedeckt – mit allem was für ein schönes Abendessen notwendig ist. Wir sitzen also im Eck beim Fenster im alten Teil des Wirtshauses, der auch ein vorsichtiges Update abbekommen hat. Es sind aber alle wichtigen alten Elemente erhalten geblieben. Die großzügigen Bankerlnischen aus dem antiquierten Holz machen’s privat und richtig gemütlich. Mit guter Beratung hat Herr Floh auch den Neubau gut gestaltet, der sich weiter hinten befindet. Modern, hell, grün, Holz, Hightech am Klo: Flatscreens auf den Toiletten, da wird’s nicht langweilig.
Wir werden wirklich gastfreundlich begrüßt, in Empfang genommen und zum Tisch begleitet. Man nimmt uns zwar die Jacken nicht ab, aber uns wird beim Aufhängen geholfen. Sehr nett. Die Tochter rutscht zur Mama auf’s Bankerl, der Schwiegersohn platziert sich neben dem Seniorchef auf dem Chefsessel. Speisenkarten werden gebracht – Weinlektüre liegt schon parat.
Bei der Frage nach Aperitif wird’s leider kompliziert. Alle entscheiden sich für den obligatorischen aber besonders guten Rieslingsekt (€ 5,60) von unserem Lieblingsweingut Schwarzböck in Hagenbrunn. Happiger Preis aber passt. Nur die Rebellin mag’s zumindest beim Vergorenen nicht prickelnd. Eine schwierige, kaum lösbare Herausforderung für das junge Fräulein vom Service. Eigener Lösungsvorschlag: Rosé vorweg? Das weiß sie leider nicht, ob’s den g’rad gibt. Aber schnell ist sie wieder da, mit einer Flasche vom Jurtschitsch. Jawohl, der war perfekt temperiert, so wie das jeder von uns getrunkene Wein an diesem Abend sein wird. Und geschmeckt hat der Rosé auch irgendwie.
Bedacht wird nachgefragt: Dürfen wir ein bisserl Brot mit Aufstrichen bringen? Wow, souverän die Gedeckthematik gelöst. Unbedingt! Wir wissen ja schon was uns erwartet. Das Gedeck ist dort nämlich wirklich edel und ausgiebig gestaltet: Brotvariation vom Joseph, Rohmilchbutter, Kräutertopfen mit Karottensticks, der beste Wurzelspeck, den wir kennen und dazu noch Kren. Aber auch für Cholesterinbewusste gibt’s Distelöl und Blütensalz zum Tunken. Dazu brauchen wir auch zwei Brotkörberl bitte und gleich noch eine Portion von dem Speck. Der Brotkonsum ist bei uns nämlich genetisch bedingt.
Gut, dass wir unsere Speisen schon ausgesucht haben, denn wir sind schwer beschäftigt mit dem was uns da vorweg serviert wurde. Beim Brot schaltet auch unsere Multitaskingfähigkeit einen Gang runter. Das macht die Bestellaufgabe dann holprig. Aber wir haben’s recht gut hingekriegt. Die Gläser werden währenddessen mit unserem Familienwein befüllt: Ott, Fass 4. Der geht bei uns immer.
Bis auf eine spontane Fehlentscheidung bei den Vorspeisen: der Lebarner Antipastiteller. Eh schon mit aromatisch perfektem Speck gefüttert, soll’s noch ein Mangalitza-Prosciutto werden, die Birne wurde leider überlesen, war aber sehr präsent am Teller dazu gab’s noch Antipasti von der Erdwurzel, ein Pesto davon und zwei Wagramer Oliven. Ein Deckname für eingesalzene Elsbeeren. Konsequent regional eben. Sehr salzig, leicht sauer – erfinderisch. Bis auf die beiden und den ausgezeichneten Prosciutto (gute Raumtemperatur) war’s leider zu süß. Erdwurzel in dünne Streifen gehobelt bringen ihre Natursüße mit, vor allem wenn diese nur ganz leicht mit hochwertigem Öl, Essig und Blütensalz mariniert sind. Hausgemachte Kompottbirnenwürfel – besser für’s Dessert. Und das Pesto mit vermutlich Haselnüssen, Erdwurzeln und Honig – wieder süß. Die beiden kleinen Salzelsbeeren haben den Ausgleich nicht gepackt. Klein portioniert. Aber nicht schlimm, es hat ohnehin einfach nicht den Geschmack der Kurzschlussentscheiderin getroffen.
Gläser waren oft leer am Tisch. Zumindest, wenn einmal der Wein nachgeschenkt wurde, dann synchron dazu auch gleich aus dem Leitungswasserkrug ins Wasserglas. Geleert haben wir den Ott aber trotzdem sehr flott.
Alle anderen am Tisch waren sehr zufrieden mit ihrer Auswahl. Die kleinen saftig zart am Knochen gebratenen Teile von der Wachtel auf gebratenem Winterkohl, der leicht an Spinat erinnert aber doch spezieller ist im Geschmack. Mehr positiv schwefelig. Dazu auch ein paar kleine eingelegte Elsbeeren aber die süße Variante. „Vogelfrei“ heißt’s aber hungerfrei ist man danach noch lange nicht.
Das Karottenrind ist ein roh mariniertes Rinderfilet, das auf einem dunkellila Püree von der Purple Haze Karotte am Teller und mit einer „Salzkarotte“ liegt. Dazu wird ein Holzbrett serviert mit einer halben Scheibe Bauernbrot drauf, das glänzend bestrichen ist, mit einem scharfen Brotaufstrich. Schön angerichtet, geschmacklich sehr gut und stimmig gewürzt, sodass man alle Zutaten erschmecken kann.
Slow (18 Monate) gereiftes Kübelfleisch vom Mangalitza-Schwein mit gebackenen Schweinskopf-Würfeln und Quittencreme. Nein, das wollte niemand von uns kosten. Wir mögen keine Innereien. Aber nach eingehender Befragung, können wir festhalten, dass alles hervorragend geschmeckt hat. Das Hirn in goldgelber Panier gebacken. Kübelfleisch so wie er es kennt, selten (auch am Teller) aber sehr gut. Quittenmus – mehr süß, wenig herb.
Die Weinauswahl zum Hauptgang steht für die frankophile Kohlensäureverschmäherin schon fest. So viel darüber gelesen, muss jetzt der Praxistest gemacht werden: ein Achterl St. Cosme, Cotes du Rhone (€ 5,+) Syrah. Und wird auch sofort nach der Vorspeise in die Zukunft hin zum Hauptgang bestellt.
Ein Vitamin-Rostbraten mit Topfennockerl (€ 17,80) soll’s dazu sein. Die 3 anderen am Tisch lassen die Weinauswahl noch offen, aber essen wollen zwei die Bergforelle mit Schwarzwurzeln (€ 25,90) und einer den Braten vom Mangalica-Schwein mit Speckkraut und Knödel. Der steht nicht auf der Karte, hat uns aber das nette Fräulein vom Service erzählt, dass es den heut‘ gibt.
Die Hauptgänge kommen recht bald nach der Vorspeise zu uns. So ist es uns angenehm. Nur die Gläser mit dem Weißen schon leer. Und das bleiben die auch für eine Weile. Das warme Essen verliert an Temperatur und ohne Wein will man nicht so richtig mit dem Essen beginnen. Man kostet und wartet. Dann bekommt man doch kurz Aufmerksamkeit und da ist sie wieder, die Erinnerung an das schon bestellte Achterl Cotes du Rhone. Sie beeilt sich. Mit Flasche und Glas zurück – ein Schluck und ja, entspricht der Vorstellung und ist sehr gut. Der Weinkonsument daneben kostet, will sofort auch ein Achterl, dann wollen alle die ganze Flasche.
Die Bergforelle perfekt gebraten und von einer Frischequalität, die einfach nur bleiben kann, wenn der Fisch nur fast um’s Eck geschwommen ist. Schwarzau im Gebirge. Da kann man fast nichts falsch machen. Die cremigen Schwarzwurzeln angenehm rund abgeschmeckt, nur noch wenig Biss – passt uns aber gut so. Ein paar kleine Elsbeeren zwischendrinnen. Süßsauerkick. Portion leider klein in der Mitte zentriert. Der Fisch ist aber in der Überzahl. Sättigungsbeilage hätte gut gepasst.
Der Mangalitza-Schweinsbraten geht kaum besser. 2 dünne Scheiben. Eine Kruspe, die knuspriger und feiner nicht mehr sein kann. Dazu ein deftiges Saftl und ein Sauerkraut: dezent süß, würzige Speckwürferl und trotzdem noch locker und leicht knackig. 2 kleine Erdäpfelknöd’l, die sich ein bisschen gummiartig ziehen beim Schneiden. Ist im Mund aber wieder anders und schmeckt. Da fehlt nix. Teller eher klein, Portion übersichtlich.
Statt Zwiebel ist der Rostbraten mit den Vitaminen vom Winterkohl angereichert. Eine Beiriedscheibe, gebraten, so wie’s gehört, weich, leicht rosa. Der würzige Saft dazu benetzt leider nur den kleinen Tellerboden. Da bleibt nichts mehr für die rohbuttrigen Topfennockerl übrig. Schade. Der Winterkohl, war gut gewürzt. Konsistenz wie Blattspinat mit noch knackigen hellgrünen Stängeln. Portion tendiert dazu, dass man mehr will.
Da jemand am Tisch einen Wunsch frei hat und derjenige am liebsten Tiramisu isst, hat jemand den Herrn Floh um ein Tiramisu gebeten. Eine Herausforderung an die Regionalität. Das gibt’s eigentlich in Österreich nicht. Die wichtigste Zutat (die Mascarpone) ist nicht regional. Also gibt’s das auch nicht auf der Speisenkarte. Aber der Herr Floh macht’s trotzdem möglich und bleibt dabei sich selber treu. Weiter so, Herr Floh.
Wir bekommen gut gekühlte Dessertgläser mit Doppelwand. Mit in Kaffee getränkten und besonders guten Biskotten. Und einer pastellgelben Creme vom (Spekulation) Topfen und Schlagobers. Frischer leicht säuerlicher Geschmack. Damit rechnet man nicht, wenn man ein Tiramisu erwartet. Dennoch kreativ gut umgesetzt. Manche mögen das sogar sehr gern, so ein topfiges Tiramisu – wenige andere wieder nicht. Am Tisch ist es bei fast allen sehr gut im Mund angekommen. Und die Initiatorin hatte doppelt Freude – ein halbes Gläschen mehr blieb ihr. Auf der Abschlussrechnung war’s nicht zu finden.
Großzügig. Auch beim „Gedeck“, das unseren Hunger über die Portionsgrößen hinweggetröstet hat. Wir sind halt große Esser.
So ein schöner Abend beim Floh. Natürlich liegt das auch an der netten Tischgesellschaft. Aber beim Floh findet man auch genug Raum, um sich wohl zu fühlen und sich’s gut gehen zu lassen. Das Lokal ist weitläufig und war voll. Die jungen Leut‘ im Service haben sich sehr charmant bemüht. Sind sympathisch, weininformiert aber nicht ganz speisenkundig. Egal, wer’s so genau wissen will, kann den Herrn Floh persönlich in der Küche befragen. Er steht jeden Tag da drinnen und man kann ihm zuschauen – die Küche ist offen und die Protagonisten darin, manchmal auch ansprechbar.
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