Nach einem späten Termin noch essen gehen – nicht immer einfach. Wäre man doch in Italien, wo man sich ohnehin erst gegen 21 Uhr langsam aber doch zu Tisch begibt.
Was also tun?
Würschtldompteur? Unhappy Noodles, Hopeless Wok oder gar Desperate Sushi?
Aber nein, wir sind ja nicht in Klage...Mehr anzeigenNach einem späten Termin noch essen gehen – nicht immer einfach. Wäre man doch in Italien, wo man sich ohnehin erst gegen 21 Uhr langsam aber doch zu Tisch begibt.
Was also tun?
Würschtldompteur? Unhappy Noodles, Hopeless Wok oder gar Desperate Sushi?
Aber nein, wir sind ja nicht in Klagenfurt, wo die Gehsteige um halb zehn hochgeklappt werden, Italien gibt’s auch in Wien – figurati - man muss für die Perlen nur ein wenig suchen.
Wenn man aber nicht mal suchen will, einfach mal den ReTe-Mobil raus – Danieli gefunden.
Ein kleiner Spaziergang noch zuvor durch das wirklich „Alte Wien“ (Ballgasse, Blumenstockgasse), und schon ist man da.
Unser allerbester Pressesprecher unter den Genussmenschen war auch schon hier. Da sollte doch nichts schiefgehen.
Die Plätze vor dem Lokal sind noch spätsommerlich gut besetzt, drinnen heißt’s noch ein bisschen warten, aber nicht lange.
Die liebsten Plätze sind mir immer die, von denen aus ich das Lokal gut überblicken kann.
Und der Gesamteindruck kann wirklich als edel bezeichnet werden – vor allem die nackten Ziegelsäulen mit „barocken“ Elementen wie etwa der Spiegel mit vergoldetem Rahmen verbreiten gezielt ein eigenes Flair, zusammen mit guter Beleuchtung und den schön gedeckten Tischen.
Das Publikum ist wahrlich international und zum Teil ebenso „edel“ wie der Anspruch des Lokals.
Hier hört man russische Dialoge, dort wiederum das typische „schwa-schwa“ einer portugiesischen Familie.
Und ja, auch portugiesische Mütter haben schöne Töchter.
Meine Konzentration ist aber sofort wieder ganz dort, wo sie hingehört – „mein“ Kellner ist da, um die Karte zu überreichen. Die anderen Kellner sind übrigens auch so aufmerksam und flott, kümmern sich aber offenbar nach streng vorgegebenem System um ihre „Stamm“-Tische - jeder scheint bei seinen fix zugeordneten Gästen zu bleiben. Find ich gut, so wird man im Idealfall von einer Person durch den Abend „begleitet“.
Man lässt mir wirklich viel Zeit beim Schmökern, niemand drängt – die Karte bietet auch mehr als genug. Der Querschnitt ist die pure Italianità – auch bis auf einen Tippfehler korrekt italienisch verfasst, mit Übersetzungen – gewappnet also für Stammgäste und Touristen aus aller Welt.
Allora: Antipasti – Pasta – Pizza – Carne – Pesce – Dolce – Formaggio (eigene Karte).
Vino – Grappa (in der „süßen“ Karte).
Nicht einfach, weil man eigentlich irgendwie alles probieren will, schon deswegen, weil die Spielarten zum Teil sehr interessant sind.
Die Besitzer scheinen keine Italiener zu sein, aber hier wird, das merke ich relativ schnell, fast peinlich genau gearbeitet, man will dem hohen Anspruch gerecht werden.
Um die Kehle „einzuölen“, wird mal ein Weißer bestellt. So ganz überzeugt mich die Glasweiskarte nicht, steirische „Klassik“-Gewächse erinnern mich oft an einen guten Salat, aber nicht an erfreuliche Weinerlebnisse. Grüne Veltliner sind auch nicht immer mein Fall, der hunderttausendste Pinot grigio aus den oberitalienischen Ebenen muss es auch nicht sein.
Lugana – allerdings auch nur der Massen-„Primus“ Ca‘ dei frati. Vor kurzem erwähnt, jetzt nehme ich ihn doch. Ein bisschen „cremig“, die ersten Schlucke sind ja auch recht angenehm und „schön“ zu trinken. Das Problem mit solchen Weinen ist halt ihre nicht vorhandene „Nachhaltigkeit“. Damit meine ich jetzt nicht die Herstellung, sondern die Stilistik, die sich schnell „totläuft“, oder „tottrinkt“. Die „schreiende“, ja eigentlich fast obszöne Süße hint‘nach ist irgendwann langweilig.
Ein GV um 8 Euro: unfiltriert, ungeschwefelt. Nun, ungeschwefelte Weine können gut sein, nur muss man als Winzer „bio“ oder gar „biodynamisch“ durch und durch leben, jeden Tag. Das Etikett ist also noch keine Garantie für „Terroir“ und beste „Naturweine“.
Ich bekomme einen Kostschluck, der aber selbst nach längerer Luftzufuhr nicht wirklich überzeugt. Das Langanhaltende, Ätherische im Finish fehlt ganz.
Also einen Roten probiert – aber welchen? Hier wird noch mehr auf große Namen gesetzt, auch wenn die natürlich für ein breites Publikum leichter zu verkaufen sind. Ich will auch nicht sagen, dass Gaja ein schlechter Wein ist. Aber will ich den Preis dafür bezahlen? Detto für Antinori. Die beiden Namen dominieren mit ihren teuren „Filialkellern“ zusammen fast die ganze Rotweinkarte.
Molino Mauro mit seinem Barbera als Ausnahme – schlecht ist er nicht, aber einen Barbera kann man auch mit deutlich weniger Konzentration trotzdem elegant und wuchtig zugleich hinbekommen. Wird wieder mal Zeit, nach Italien zu kommen. derweinrat, wann fahr‘ ma??
So – ich habe mich entschieden: es wird wieder einmal Zeit für Vitello tonnato. Ich habe die leise Vorahnung, dass ich hier richtig liegen sollte.
Und wie: das schön rosige Fleisch vom Feinsten, die Thunfischsauce vielleicht einen kleinen Tic zu flüssig, aber das ist schon der einzige Punkt, nein Pünktchen, das man hier monieren könnte. Der Tonno perfettamente amalgamato – also kein Futzerl, Fluserl, nichts das kitzelt oder aneckt.
Schon bei einem Drittel vom Teller erwische ich mich dabei, das frische Rosmarin-Pizzabrot (weich, zartknusprig, duftig, vielleicht ein bissl zu üppig) zum „Aufwischen“ der Soßenreste zu missbrauchen, um den Verzehr des letzten Scheiberls hinauszuzögern. „Far scarpette“ nennt das der Italiener, und das ist eigentlich verpönt, aber nicht bei mir, wie schade wäre das doch, nicht zu tunken.
Eine glatte 5 – ohne mit der Wimper zu zucken. Ca. 14 Euro.
Tomatencremesuppe mit Mozzarella di bufala – oder eine geeiste Crema di pomodoro genovese mit „jungem“ Olivenöl. Ich bleibe bei der „warmen“ Version, der Sommer ist nicht nur im Geiste vorbei.
Eine große Portion (ca. 7 Euro), von der kräftigen, cremig-abgeschmeckten Sorte, also eher die dichte, „orangene“ Tomatencremesuppe.
Versteckt in der feinen Pampe der Mozzarella, der sich durch die Temperatur so schön aufbläht.
Sehr gut.
Eine Kalbfleisch-Lasagne (ca. 14 Euro) mit Mascarpone-Spinat. Ich liebe Mascarpone, vor allem im originalen Tirami su frisch aus dem Kühlschrank.
Hier darf er den Spinat dezent „verlängern“, was auch sehr gut funktioniert, ohne dass die ganze Angelegenheit allzu geil wird.
Die Lasagne selbst sehr gut, sehr guter Biss, an der einen oder anderen Ecke hat der Forno ein bisschen härter zugepackt, schwarz ist sie aber beileibe nicht geworden. Ein bisschen mehr Béchamel-„Feeling“ hätte sie noch haben können.
Ich hab’s nicht vergessen – da war dann schließlich doch noch ein Wein auf der Karte, der mich mit dem hauseigenen Weinangebot versöhnte.
Der verlangte allerdings auch einen „festen Partner“.
Ich bin eigentlich nicht so der Schoko-Mousse-Fan, auch ist man auf kaum einer Dessert-Karte dies- und jenseits von italienischen Lokalen vor ihm sicher – doch heute Abend soll es wieder mal sein, zumal auch der Rest der Karte (Panna cotta, Sorbetto, Zitronentarte,…) so gar nicht dazugepasst hätte.
Serviert im beliebten, immer noch „todschicken“ Bügelglas, das von Gänseleber über Grammelschmalz und eben auch dem Schoko-Mousse seit ein paar Jahren so ziemlich alles gastronomisch aushalten muss.
Flankiert von einem Schälchen mit marinierten Erdbeeren (wo kommen die zur Zeit her?), die schön süß, fast schon ein bisschen zu „duftig“ daherkommen.
Das Mousse, mit dunkler Sauce überdeckt, in absoluter Bestform, fast schon zu schön, um wahr zu sein, diese „Löffelkonsistenz“. Wirklich gut.
Und ja – begleitet von dem Wein, den ich hier wirklich nicht erwartet hätte: einen Recioto della Valpolicella Classico, von Speri, obendrein noch Jahrgang 2004.
Der "Urwein" aus dem Valpolicella, den schon die Römer kannten - aus den besten getrockneten Beeren, seitlich auf der Traube gelegen, also von der "recia" (venet. für "orecchio", das "Ohr" der Traube).
Dicht, kirschig, süß, gerbstoffig, lang. So muss das sein. 9,50 Euro (1/16).
Mich wundert ja nur, dass man auch hier nicht den Mut hat, erstklassigen Amarone della Valpolicella glasweise anzubieten. Achja, Signor Gaja e Signor Antinori, wie schade. Ich warte noch auf einen mutigen Sommelier, der sich hier traut, etwas zu ändern.
Die Weinkarte flaschenweise habe ich übrigens gar nicht erst beachtet, da hätte ich mir schon ganz ungeniert die portugiesische Tochter einladen müssen. Selbst wenn mich die U3 nach Hause bringt, ist eine Flasche allein doch ein bisschen zu – sagen wir – ambitioniert, und amarona1978 ist ja heute leider verhindert.
Ristretto. Sehr aromatisch, kräftig, und doch mild, kein „Eduscho“-Touch.
Grappa: eine feine Auswahl, die Preise wirklich angemessen (die meisten ca. zwischen 4 und 7 Euro).
Grappa di Amarone würde es auch geben, allerdings vom Aromalabor-Kaiser Marzadro. Ein kleiner Kostschluck genügt, nein danke.
Ich lasse den Kellner 10 Minuten später nochmal am leeren Glas riechen, aber er weiß genau so gut wie ich – das hat mit Grappa sicher nichts zu tun, höchstens mit armoatisiertem Kirschwasser. Furchtbar.
Besser also: Grappa di Brunello von Tenuta Poggione.
Fazit: Essen 4,5 – Ambiente 4, Service 4,5. Rechtfertigt den Preis (zusammen mit feinsten, flüssigen „Emulgatoren“ gut 75 Euro ohne wohlverdientes Trinkgeld).
Das ist nicht wenig - aber ich hab auch schon anderswo um 30 Euro gegessen, was zwar billig, aber nicht gratis - dafür aber umsonst war.
Prossima volta: carne. Hoffentlich mit Amarone - im Glas.
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