Premiere: amarone meets Frau und Herr aldebaran.
Aflenz Kurort. Luftkurort, um genau zu sein. 21% Sauerstoff auch hier, doch wohl durch die sonnige Höhenlage eher zum befreit Durchatmen geeignet als die von mutigen Politikern niedergebutterte Grazer „Umweltzone“. Schließlich will man ja den A...Mehr anzeigenPremiere: amarone meets Frau und Herr aldebaran.
Aflenz Kurort. Luftkurort, um genau zu sein. 21% Sauerstoff auch hier, doch wohl durch die sonnige Höhenlage eher zum befreit Durchatmen geeignet als die von mutigen Politikern niedergebutterte Grazer „Umweltzone“. Schließlich will man ja den Aflenzern nicht auch noch die saubere Luft streitig machen. Wie rücksichtsvoll.
Von Aflenz geht’s geradewegs rauf auf die Bürgeralm, Auto empfohlen. Nicht weil’s zu Fuß zu lang wäre, wer aber zu Fuß oder gar mit dem Bike die ockerfarbene Schotterstraße raufhechelt, darf den Staubtunnel der Autos kennenlernen. Da können nicht einmal die Grazer Feinstaubwerte mithalten. Sandsturm Hilfsausdruck, würde Wolf Haas wohl sagen.
Nach vielleicht einem Kilometer eine Serpentine, der Asphalt hat mich wieder – die Sonne zeigt ihr bestes Gesicht, und das 700 Jahre alte (!) denkmalgeschützte Pierergut sonnt sich in genialer Hanglage.
Viel dunkles Holz außen, noch ganz kleine Fenster, innen schöne Gewölbe und kleine Stuben, mit Durchgängen, die so niedrig sind, dass sich sogar Zwerge wie ich den Schädel anhauen. Essen auf eigene Gefahr!
Wunderschön die Holztische, serienmäßig mit Fußablage. Gemütlicher geht’s kaum, draußen genießt man Almhüttenfeeling und eine feine Aussicht runter ins Tal.
Die Wirte: Christina und Hannes Srb, die auch die Feinbäckerei unten im Dorf betreiben. Herr Wirt ist also Bäckermeister – unübersehbar, seine Oberarme scheinen jedem Teigfladen das Fürchten zu lehren, doch die beiden Tausendsassa beweisen mit ihren beiden Standbeinen viel Feingefühl.
Die Küche grüßt mit Schwammerln: Eierschwammerl gibt’s tatsächlich schon, wenn auch die kleinen, dafür aber umso würzigeren und knackigeren - genau, das sind die, die beim Beißen so schön knirschen.
Das feuchte Wetter taugt also nicht nur den Gelsen.
Vogerlsalat, Kernöl, Eierschwammerl, kleine Tomatenwürfel – ohne schlatzige Kerne. Ich verziehe kurz das Gesicht: Kartoffeln – doch halt, sie sind nicht kalt und durch den Essig matschig gemacht, sondern noch warm.
Welch seltene Wohltat. Dazu ein Grissino mit Prosciutto umwickelt.
Erdäpfel-Schwammerlsuppe. Püriert, mit kleinen, angerösteten Eierschwammerln garniert. Bin zwar eher der Verfechter von würfeligen Kartoffeln und ebensolchen Pilzen in der Suppe, doch die wird mit jedem Löffel besser.
Lind gewürzt, Kräuter ja, aber nicht zu viel, doch eher auf der kartoffeligen Seite, schmackhaft allemal, schon gar kein „Schlagobers-Schwindler“.
Wildgulasch mit Knödel: heute bereits ausreichend abgelegen - das Hirschkalb.
Das Fleisch ist dadurch so zart, wie es sein muss und viele seiner Artgenossen es nie sein werden. Erstaunlich aber: schmeckt außergewöhnlich „zivilisiert“, fast schon ein Rindfleisch, fernab von dunkelbraun-violett-zirrhotischen Interpretationen seiner Art.
Wichtig: unnötiges Sauergemüse (grün-braunes Fächertrümmerl, Pfefferoni) wird umgehend entfernt.
Der Serviettenknödel in mehreren Scheiben, außen gut angebraten, innen sehr zart, leicht würzig, wohl aus der eigenen Brotwerkstatt, kein Zweifel.
Hüben wie drüben frisch zubereitete Speisen. Rumpsteak hier, Pfandl dort, kaum zu bewältigende Portionen. Aber die aldebarans sind wackere Esser, da bleibt kein Auge trocken.
Nachspeise? Nach der Portion kaum zu packen. Meine Gastgeber ordern die Kardinalschnitte. Tatsächlich ein Dessert, hat nichts mit Ratzingers Mitarbeiterstab im Altöttinger Mesnerhaus zu tun.
Biskuit, ein gewaltiger Flöz Kaffeecreme, oben drauf eine Lage Tiefschnee in Form eines Baisers – nicht zu sehr „angebrannt“ wie so oft, dadurch auch ausreichend zart.
Immerhin aber weiß ich jetzt, warum ich das zuhause nie bekommen habe: Eischnee ist halt doch nicht so meins, wird es auch nie werden.
Ich bleibe also beim Digestif – ein passabler Espresso und ein „Birn“ von Gölles – nicht vom Zerstäuberflaschenessig-Gölles, sondern von einem kleinen, unbekannten, aber umso besseren Namensvetter.
Wein? Sehr steirisch angehaucht, auch bei den Roten, der typisch „grüne“ Zweigelt aus Gamlitz ist aber ordentlich saftig und angenehm zu trinken.
Fazit: beispiellos schöne Aussicht, ein geschichtsträchtiges Baujuwel Marke „Roseggers Schihütte“ und zwei Wirtsleute, denen gutes Essen in die Wiege gelegt wurde – und dies auch weitergeben: Sohn Thomas ist Küchenchef!
Nächstes Mal wieder, Auto parken, wandern, zurückkommen, einkehren, essen, Sonne sowie Sonnengereiftes und Vergorenes (rot, weiß oder doch blond) genießen und entspannen.
Frau und Herr aldebaran – es hat mich sehr gefreut!
Hilfreich25Gefällt mir10Kommentieren
magic: nö, mein "Schatten" passt eher in den "Cage aux Trolles" ;-)