Die Keiner Stuben also.
Ich bin immer wieder einmal daran vorbeigegangen/gefahren, ich glaube sogar, vor vielen Jahren einmal dort zu Mittag gegessen zu haben, der Besuch scheint allerdings keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, sicher bin ich mir nämlich nicht.
Als mich heute e...Mehr anzeigenDie Keiner Stuben also.
Ich bin immer wieder einmal daran vorbeigegangen/gefahren, ich glaube sogar, vor vielen Jahren einmal dort zu Mittag gegessen zu haben, der Besuch scheint allerdings keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, sicher bin ich mir nämlich nicht.
Als mich heute ein Weg zur Post am Kardinal–Nagl-Platz führte und mir nach Verlassen des Postamts plötzlich der Sinn nach echter Wiener Beislküche stand (stand kausal in keinem Zusammenhang mit dem Verhalten des Postbeamten am Schalter ;-), entsann ich mich, dass die Keiner Stuben ja nur einen Steinwurf entfernt sind. Interessant war ein Besuch jedenfalls auch wegen der sehr guten Bewertungen von erfahrenen Testern auf ReTe, speziell Testerkollegin magic scheint ein veritabler „regular“ in den Keiner Stuben zu sein.
Ich betrat das Lokal noch vor dem Mittags-run, das Lokal war, bis auf einen Gast an der Bar, leer.
Die Keiner Stuben präsentieren sich als echtes Beisl, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Viel dunkles Holz, auch an der Decke, eine prominente Bar mit allerlei Hochprozentigem in aufgehängten Getränkespendern bis hin zu den Chips, die an der Bar hängen. Oder den Vasen mit Plastiktulpen, die neben den Tischen stehen. 70er - Feeling macht sich breit.
Der erste Eindruck ist trotzdem nicht unangenehm. Das Lokal ist sauber und aufgeräumt, die Tische sind zweckmäßig mit Salz, Pfeffer, Zahnstocher und einem Teller, auf dem in Papierservietten gehülltes Besteck liegt, eingedeckt. Und Aschenbecher gibt’s, die Keiner Stuben sind ein Raucherlokal.
Ich werde freundlich begrüßt und bekomme zu meinen kleinen Bier die Speisekarte. Beislklassik ist das Thema, Schnitzel, Gegrilltes, kleine Imbisse und Salate, sowie Desserts. Keine Überraschungen, alles gute Bekannte, wie man sie eben auf einer Beislkarte findet. Und es gibt 2, täglich wechselnde, Mittagsmenüs zum Preis von knapp 6 € (Menü 1) und knapp 8 € Menü 2. Mit Suppe und Dessert. Sehr preiswert.
Ich entscheide mich für den Schweinsbraten mit Kraut und Knödel (Menü 2), allerdings ohne die Tagessuppe. Spannend. Ein Schweinsbraten ist ein herrliches Gericht, um ein Lokal zu testen. Geballte Wiener Wirtshauskompetenz wird der Küche durch dieses Gericht abverlangt. Der Knödel soll flaumig und natürlich hausgemacht sein, das Kraut würzig, nicht zu wässrig, aber ja nicht zu eingebrannt, und möglichst noch ein wenig bissfest. Und der Braten soll zart sein, g’schmackig, keinesfalls trocken, und mit reichlich „Natursaft’l“ serviert werden. That’s it.
Klingt einfach, ist es aber beileibe nicht. Kürzlich hat mir Science-Buster Werner Gruber, den ich recht schätze, erklärt, wie man einen superzarten Schweinsbraten zusammenbringt, wenn man einige physikalische Gesetzmäßigkeiten im Auge behält. Interessant, aber das würde den Rahmen dieser Bewertung sprengen.
Auf den Schweinsbraten wartete ich etwa 10 Minuten, an sich ein gutes Zeichen, zumal auch kein verdächtiges „Bing“ aus der Küche zu hören war, sondern allerlei echte Küchengeräusche. Gut so, hier wird also tatsächlich gekocht, was sich auch später bestätigt hat, nach dem Eintreten der ersten Mittagsgäste gab es Schnitzel-Klopfgeräusche in der Küche. Sehr gut.
Dann kam er auch schon, mein Braten. Großer Teller, zwei Scheiben Schweinsbraten, etwas Sauerkraut und ein mächtiger, offenbar hausgemachter Semmelknödel. Das Ganze auf einem köstlich aussehenden Natursaft’l . Let the games begin.
Nun, das Geschmackserlebnis blieb leider hinter der Optik zurück. Und zwar deutlich.
Der Schweinsbraten war vom Karree oder der Schulter, jedenfalls nicht vom Schopf, und daher natürlich etwas trockener. Nein, eigentlich ziemlich trocken. Geschmacklich durchaus in Ordnung, aber vom zarten Braten, der unter der Gabel nahezu zerfällt, sind wir hier noch einige Kategorien entfernt. Die Ränder speziell einer Scheibe waren angetrocknet, das sollte nicht sein. Zu viel Hitze beim Aufwärmen? Zu wenig übergossen? Egal.
Das Sauerkraut, obwohl geschmacklich gar nicht so schlecht, hatte leider keinerlei Biss mehr, dafür aber zu wenig Säure. Ich würde nicht so weit gehen, es als lieblos zu bezeichnen, - zumindest war es nicht in Einbrenn erschlagen, was ich in manchen Beisln auch schon erlebt habe, aber es fehlte halt die Pfiffigkeit, die man einem Sauerkraut recht einfach angedeihen lassen kann. Ein Apfel, etwas Weißwein, guter Essig, etwas Zwiebel können aus einem einfachen Sauerkraut eine pfiffige, köstliche Beilage machen, speziell, wenn man auch etwas Speck dazu gibt. Hier wurde lediglich an Wacholderbeeren nicht gespart, für den Mangel an Säure im Kraut waren diese wiederum zu dominant.
Der Knödel: Flaumig? Nein. Sehr kompakt. Sehr, sehr kompakt. Hausgemacht? Ich denke schon. Der Geschmack? Auch hier hat der Koch ein zu lockeres Händchen bei einem Kraut/Gewürz gehabt, ich kam allerdings bis zum Ende meines Besuchs nicht drauf, wonach dieser Knödel so dominant geschmeckt hat. Nicht Muskatnuss, aber etwas sehr, sehr penetrantes, an Koriander (war’s aber nicht) erinnernd.
Das Saft’l: gut, wenn auch angesichts des mächtigen Knödels viel zu wenig. Viel mehr Saft hätte nicht auf den Teller gepasst, also bieten sich hier zwei Möglichkeiten an: Extra Saft in einer Sauciere einstellen oder einfach kleinere Knödel machen. Mit dem großen Knödel und dem leider recht trockenen Braten war der Saft bald einmal weggetunkt.
Überraschenderweise kam nach dem Braten noch ein Dessert (Schokokuchen mit Schlag), offenbar Teil des Mittagsmenüs. Der Kuchen war gut, das Schlagobers echt, brave Leistung, aber auch hier nichts zum Niederknien.
Preis: etwas über 10 € für ein kleines Bier, einen Schweinsbraten mit Kraut und Knödel und einen Kuchen mit Schlag. Fürwahr ein preiswertes Mittagessen.
Fazit: Man muss die Kirche natürlich im Dorf lassen, das ist mir bewusst. Die Keiner Stuben sind kein gutbürgerliches oder gar Sterne- oder Haubenrestaurant, das ist natürlich klar und daran habe ich sie auch nicht gemessen.
Die Keiner Stuben sind ein Beisl, das seine Nische mit einer Beislkarte und doch frisch zubereiteten Speisen (Schnitzel und Co., allerlei Hausmannskost) gefunden hat. Ich bin sicher, es gibt ein Stammpublikum, für Firmenangestellte der Umgebung ist es ein gutes Waterhole für die Mittagspause.
Die Dame im Service ist nett und freundlich, das Lokal ist sauber, die Abläufe dürften funktionieren (was ich den Ansagen zur Küche entnehmen konnte). Eigentlich machen sie nichts wirklich falsch dort, auch das Preis-Leistungsverhältnis ist absolut in Ordnung.
Es tut mir halt in der Seele weh, wenn „basics“ schief gehen, deren Behebung keine große Sache wäre. Keiner erwartet ein Mangalitza-Schwein in den Keiner Stuben, aber ein zartes Bratl mit einem flaumigen Knödl und einem pfiffigen, nicht totgekochten Sauerkraut wäre jetzt nicht zuviel verlangt, oder?
Ich werde den Keiner Stuben noch eine Chance geben, magic, hbg338 und Co. können schließlich nicht irren. Vielleicht probiere ich das nächste Mal etwas aus der Schnitzelabteilung, ich werde Euch berichten.
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Das ist natürlich eine plausible Erklärung.