Ein schnelles Abendessen geht sich noch aus, bevor ich die Liebste vom Flughafen abhole. Irgendwo nicht allzu weit von mir, wenn möglich am Weg zum Airport. Der Stadtwirt fällt mir ein, aber irgendwie habe ich auch Lust, etwas Neues zu probieren. Die „Gruabn“ kommt mir in den Sinn, ein echtes Wie...Mehr anzeigenEin schnelles Abendessen geht sich noch aus, bevor ich die Liebste vom Flughafen abhole. Irgendwo nicht allzu weit von mir, wenn möglich am Weg zum Airport. Der Stadtwirt fällt mir ein, aber irgendwie habe ich auch Lust, etwas Neues zu probieren. Die „Gruabn“ kommt mir in den Sinn, ein echtes Wiener Beisl quasi gleich neben dem Stadtwirt. Warum nicht?
Ich parke das adn-Mobil in der Unteren Viadukt und laufe die paar Meter zur Gruabn. Mein kulinarisches Wohnzimmer ist ja der Stadtwirt und es fühlt sich etwas eigenartig an, in das Nachbarlokal zu gehen. Es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht beim Stadtwirt bin, die Liebste und ich kennen das Lokal, seit es besteht, ich mag es, alle dort zu kennen und ich schätze nebst Ambiente und guter, konstanter Qualität, dass man uns dort ebenso gut kennt.
Aber heute Abend will ich wissen, was es mit der Gruabn auf sich hat. Die ReTe – Bewertungen sind ja durchwegs gut, auch von bekannten und geschätzten Testerkollegen. Also nichts wie rein.
Erster Eindruck: Ein echtes, uriges Wiener Gasthaus. Viel Dunkles Holz, gemütliche Wirtshaustische und eine typische Wirtshausschank. Aschenbecher stehen auf den Tischen, im Schankraum darf geraucht werden. Daneben gibt es einen abgetrennten NR-Bereich, ich nehme natürlich im Schankraum Platz.
Das Lokal ist zur Hälfte leer, gerade einmal zwei Tische im Schankraum sind besetzt. In der Ecke läuft ORF im Fernsehen, Wirtshausfeeling stellt sich ein.
Kurioses Detail: Gerade, als ich komme, berichtet ORF von Häupls Umbildung der Stadtregierung, was vom Tisch neben dem Fernseher mit Kommentaren wie „der g’hört scho lang weg“ goutiert wird. Komisch, passt doch unser Bürgermeister („Wo ist mein Spritzwein?“) zu einem Wiener Wirtshaus wie George W. Bush auf eine Texas – Ranch, oder wie Donald Trump in, nun, äh, in ein Comic-Heft.
Sei’s drum, ich schweife ab.
Unmittelbar, nachdem ich mich hingesetzt hatte, brachte mir die Kellnerin die Karte und fragte auch gleich, was ich denn bestellen möchte. Ich erwiderte, ich möchte mir erst einmal die Karte zu Gemüte führen, worauf sie sich wieder an einen Tisch nahe der Schank (und nahe des Fernsehers) zurückzog. Die gute Dame macht diesen Job nicht erst seit gestern, im Augenwinkel sah sie, als ich die Karte nach kurzem Studium zuklappte und war wieder sofort zur Aufnahme der Bestellung bei mir. Tadellos.
Die Karte bietet alles, was man in einem traditionellen Wirtshaus erwarten würde. Geröstete Leber, Schnitzel, Cordon Bleu, ein paar Kleinigkeiten für den kleinen Hunger, Schweinsbraten, Naturschnitzel mit Reis, etc. Ein paar Fischgerichte, ein paar Desserts, ein paar Suppen. Insgesamt keine Überraschungen, aber eine, für meinen Geschmack, sehr, fast schon zu umfangreiche Karte.
Ich bestelle eine Leberknödelsuppe (€ 2,80) und als Hauptspeise das Standard-Cordon Bleu (€ 8,80). Es gäbe noch eine Spezialvariante dieses Gerichts, mit Speck und scharf (€ 9,90), heute soll’s der Standard sein. Dazu, ganz wie es sich in einem Wirtshaus gehört, ein kleines Bier.
Die Bestellung wird sehr freundlich und professionell entgegengenommen und ich kann mich weiter der Beobachtung einzelner Lokal-Details widmen. Da wäre einmal der Tisch. Eingedeckt mit einer Kunststoffdecke, die ihre besten Zeiten bereits hinter sich hat. Sie erzählt mir eine Geschichte von Zigaretten, die nicht im Aschenbecher abgelegt wurden, und dies, gemessen an den Brandlöchern, nicht zu selten. Beige, leicht geblümt, eigentlich ein Alptraum einer Tischdecke, in der Gesamtatmosphäre der Gruabn aber doch wieder irgendwie stimmig. Eine sehr klassische Menage, bestehend aus Salz, Pfeffer, Bierdeckeln und Zahnstochern, sowie eine kleine Kerze zieren den Tisch, Beisl as Beisl can.
Ich mag sie ja, die klassischen Wiener Wirtshäuser, nein wirklich, ich bin ein erklärter Fan von ihnen und finde es so schade, dass immer mehr davon ihre Pforten für immer schließen. Die Atmosphäre, der Schmäh, auch das Schnuddelige (z.B. Brandlöcher in der Tischdecke), kein Chi-chi auf der Karte, kein Versuch, dem Zeitgeist zu folgen, kein Mozzarella, kein Beef Tatar, dafür aber echter Schmäh und auch Kommentare zu dem, was gerade im Fernsehen läuft. Alles so sehr Teil unserer österreichischen Identität, unserer einzigartigen Beisl-Kultur, bis hin zur Tatsache, dass (gesetzlich konform) zumindest in einem (Schank)raum noch geraucht werden darf.
Nach weniger als einer Minute kam meine Suppe. Ich habe kein verdächtiges „Ping“ aus der Küche gehört, also entweder wurde die Mikro „gemutet“ oder man hat in der Gruabn-Küche tatsächlich einen heißen Suppentopf stehen, in der die Rindsuppe vor sich hinköchelt. Oder meine Suppe wurde tatsächlich in Rekordzeit samt Leberknödel an einem potenten Herd erwärmt, sie kam jedenfalls sehr, sehr heiß an meinen Tisch.
Geschmacklich war es eine brave Gasthaussuppe. Etwas viel Salz und Gewürz verdeckten den echten Eigengeschmack, den ich an einer Rindsuppe liebe. War aber kein großes Problem, ich persönlich esse eher salzig, die Liebste hätte vor dieser Suppe kapituliert. Sicherlich nicht die beste Rindsuppe, die ich bisher hatte, aber auch wirklich nicht schlecht. Man dürfte hier allerdings mit Maggi, Knorr & Co. nachgeholfen haben.
Der Leberknödel dürfte hausgemacht sein, weich in der Konsistenz und geschmacklich in der Mitte des möglichen Bewertungsspektrums. Ein wirkliches „Wow“ – Erlebnis stellte sich nicht ein, eine wirkliche Handschrift des Kochs ließ sich ob der Dominanz von Salz und Gewürzen auch nicht feststellen.
Kurz danach kam auch schon mein Cordon Bleu. Gut paniert, nicht zu hell, just right. Abtropfen auf Küchenrolle hätte den Fettgehalt etwas reduziert, aber wir wollen hier nicht so sein. Ist ja ein Wirtshaus, da gehört das Deftige schon dazu.
Das Fleisch (Schwein) saftig, zart und wirklich gut im Geschmack, nicht zu viel und nicht zu wenig Schinken/Käse. Nun, der Schinken war jetzt nicht das hochwertigste Produkt, wie auch der Käse, aber für € 8,80 eine tadellose Performance. Ein wirklich gutes Cordon. Grundsolide und doch ohne erkenn- und erschmeckbare Fehler. Am Teller noch eine (sinnlose) Dekoration in Form einer Tomatenscheibe und eines eher groben Salatblattes. Der Sinn dieser Deko verschließt sich mir, gibt es doch dazu einen Salat, in dem sich die gleichen Zutaten wiederfinden. Aber so wurde es wahrscheinlich schon immer rausserviert. Again, Beisl as Beisl can. Und das meine ich durchaus positiv.
Der Salat (grüner Salat, Erdäpfelsalat, Chinakohl , dünn geschnittene Gurke und eine Tomatenscheibe) war sehr, sehr gut. Tadellos mariniert und (zum Glück) nicht so süß, wie ihn manche Wiener Wirten traditionell marinieren.
Beim Abservieren erkundigte sich die Kellnerin danach, ob auch alles in Ordnung war, - ja, das war es. Die Rechnung wurde prompt gebracht, € 17,00 inklusive Trinkgeld sind eine wahre Mäzie für Bier, Suppe und Cordon. Unglaublich.
Der Service war sehr freundlich und professionell, das Ambiente unverfälscht und authentisch. Natürlich könnte man hier noch an der einen oder anderen Schraube drehen, die Suppe könnte man in Richtung einer „ganz echten“ Rindsuppe mit viel mehr natürlichen Eigengeschmack sicherlich verbessern.
Insgesamt aber „chapeau“; mir hat’s gefallen und geschmeckt. Urige Stimmung, eine sehr solide Leistung von Service und Küche, jederzeit wieder.
Ab und zu wird mich der Stadtwirt halt mit der Gruabn teilen müssen.
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Für den Herrn Comic gibt es einen oder mehrere Extrapunkte!