Schnell was Gutes im Bezirk finden.
Das war zuerst mein Plan. Ich hatte wieder mal Lust auf „Happy Vietnam“, doch siehe da:
das „Good Morning Vietnam“ ist ja gleich um die Ecke. Das wiederum wusste ich nur deshalb nicht, weil es in einer Einbahn zwischen Alserbachstraße und Gürtel liegt, di...Mehr anzeigenSchnell was Gutes im Bezirk finden.
Das war zuerst mein Plan. Ich hatte wieder mal Lust auf „Happy Vietnam“, doch siehe da:
das „Good Morning Vietnam“ ist ja gleich um die Ecke. Das wiederum wusste ich nur deshalb nicht, weil es in einer Einbahn zwischen Alserbachstraße und Gürtel liegt, die ich wegen der von mir oft benutzten 5er-Linie überhaupt nicht kenne.
Vor dem Lokal eine Reihe wacker fröstelnder Palmen, denen ich die jetzigen Temperaturen wirklich nicht zumuten würde.
Kurz gesagt: mit „schnell was essen“ wurde nichts. Aber immer eins nach dem anderen.
Ich muss vorausschicken, dass das Lokal in der Sechsschimmelgasse ganz anders „ausgelegt“ ist als das Happy Vietnam. Das war mir überhaupt nicht bewusst, obwohl ich die feinen Berichte von hautschi und boinus noch in Erinnerung hatte.
Also – keine Kantine, kein enges, wenn auch sehr gutes Snack-Lokal, sondern ein stylish beleuchtetes, mit weißem Lack und dunklem Holz verspielt ausstaffiertes Lokal. Hier meint man es richtig ernst, und damit meine ich nicht, dass Asiaten es nicht ernst meinten.
Aber dieses Lokal zeigt in vielerlei Hinsicht Ambitionen, die nicht zu vergleichen sind mit „Panasiaten“ und „Buffetchinesen“.
Wie schon User Gastronaut sinngemäß erwähnt hat, mit immergleichen All-you-can-eat-Buden wird man wohl langfristig kein Land sehen.
Fast ist es mir ein bisschen peinlich, mit legerer Kleidung und Sporttasche (ja irgendwie müssen die drei, vier oder fünf Gänge auch wieder runtergesportelt werden!) das gepflegte Lokal zu betreten.
Ich habe nicht reserviert – und erkundige mich um einen freien Tisch.
Zwei in gelbes bzw. rosafarbenes Tuch gehüllte Schönheiten schweben mir entgegen und bieten mir einen Tisch in Küchennähe an.
Schon die Speisekarte ist mir sympathisch: endlich mal eine Karte, in der den Eingeborenen keine Speisenfotos à la Dönerbudenfassade präsentiert werden. Wirklich professionelle und ansprechende Bilder, die Appetit machen und das oft noch Unbekannte noch mal näher bringen:
– „a so schaut des aus“.
Darüber hinaus: Säfte (z.B. Aloe vera, Tamarinde), die hausgemacht, sowie Tees, die selbst gemischt – und erst dann ins Teesackerl kommen.
Wie etwa: Limettentee, meine Wahl. Aromatisch mit feinen Bitterstoffen, laut Beschreibung gegen Halsweh, schadet also meiner rauen, gesprächigen Kehle sicher nicht (apropos Halsweh – geraucht wird hier natürlich nicht!)
Ginseng gegen Erschöpfung, Zitronengras gegen körpereigene Gifte, usw. sind ebenfalls auf der Karte. Grüner Tee mit Lotusherzen gegen Schlaflosigkeit war nach dem Essen der ideale Magenschmeichler.
Ich sag’s ja immer – in asiatischen Lokalen habe ich praktisch nie Gusto auf Wein, höchstens mal Bier. Das liegt nicht nur an den Speisen und ihrer Würzung selbst, sondern an der außerordentlichen Teekultur in Verbindung mit dem Essen, die hierzulande völlig unbekannt ist.
„A Gulasch, der Herr? Gern. Wos wuin’S denn trinken? Wos, an Hibiskustee? Hom’s an Poscha??“
Eben.
Aber Tee ist hier mehr als nur ein Getränk, sondern ganzheitlicher Speisenbegleiter, Verdauungshilfe, Entspannung, und und und.
Doch auch hier überrascht mich das Lokal mit Neuem: die liegenden Weinflaschen in den Regalen über mir sind nicht nur zur Dekoration.
Die Weinkarte lässt viele österreichische Restaurants sehr alt aussehen – entweder ist der Chef ein echter Weinkenner – oder er hat einen guten Lieferanten – oder beides. Es wird wohl letzteres zutreffen.
Da tummeln sich gleich zehn Franzosen zwischen 80 und 500 Euro, Smaragd-Rieslinge ebenso wie Heinrichs oder Weningers, sogar ein sündteurer Batonnagen-Wein findet sich auf der Liste – und Namen wie Giacomo Conterno, Grattamacco – oder gar – Bertani, der „Großvater“ aller Amarone-Produzenten.
Pronto?
Versprochen, beim nächsten Besuch wird ein gepflegtes Glas riskiert.
Die vietnamesische Küche ist extrem vielfältig: Fisch, Meeresfrüchte, helles und dunkles Fleisch, Reis, Nudeln, Gemüse. Man braucht schon so seine Zeit, um die Karte durchzuackern.
Ein Gruß aus der Küche (keine Gedeckverrechnung), den ich nicht wirklich gebraucht hätte: ein eher trockenes Stück Rind auf gemischtem Salat – darunter leider auch die Gurken à la julienne – und schon fängt amarone an mit den Stäbchen zu fieseln.
Ich bestelle: Ca ri bò, einen Curry-Reisnudeln-Suppentopf mit Rind.
Der kommt Gott sei Dank zu früh daher, ich bin noch mit dem Untersuchen des Salats beschäftigt. Ich lass ihn also gleich stehen und widme mich dem ersten Highlight:
der Suppentopf, obwohl als kleine Portion bestellt (gut 6 Euro) schon fast eine Hauptspeise, dampft wohltuend vor sich hin, verströmt wunderbare Aromen. Ich für mich mag das Zusammenspiel aus Zitronengras und Koriander. Das passt zu dieser Küche einfach, mir tun die Korianderfeinde wirklich leid.
Feine Fleischstücke, einzig die Nudeln könnten ein bisschen „bissiger“ sein, sie wirken schon ein wenig zu weich für meinen Geschmack.
Aber Hand auf’s Herz: dieses „Gebräu“ ist allein schon ein fast perfektes Essen, wo ich doch schon hierzulande ein Suppentiger bin.
Die Hauptspeise setzt wiederumdort fort, wo die Suppe aufgehört hat: ein im Bananenblatt gedämpfter Butterfisch, das konnte nur gut sein.
War es auch: Cá hâp lá chuôi, serviert mit schön krümeligem Reis, der wiederum ein bisschen, aber nicht zu viel, mit fein gehackten Erdnüssen verfeinert wird (18,50).
Der Butterfisch macht hier seinem Namen alle Ehre, eigentlich viel zu schade, um ihn immer nur als „banales“ Sushi in die Sojasauce zu tunken.
Während ich also so nach dem Essen den zweiten Tee schlürfe, unterhalte ich mich mit dem Chef, der richtig aufblüht, wenn er über Essen und Lebenseinstellung philosophiert.
„Beim Essen ist es wie bei einer Reise – man geht nicht immer im Kreis, isst nicht immer dasselbe.“
Und: „Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme“.
Oho – wer sagt das sonst immer? Ich glaube, wir verstehen uns.
Passend zur Reise ist auch die Gemächlichkeit beim Essen selbst. Die aromatischen Zutaten, das klein geschnittene Fleisch, das Essen mit den Stäbchen. Der Tee.
Man braucht Zeit – man hat sie aber auch – oder man nimmt sie sich einfach – und kommt auf angenehme Weise nach einem langen Tag wieder auf den Boden zurück. Auch wenn im Fernsehen Champions League läuft und man es erst zur zweiten Hälfte ins Café Hummel schafft.
Wozu braucht man Wellnesshotels – wer genug Zeit zum Essen hat, der muss sich nicht einmal im Jahr Massage und Gurkenmaske kaufen.
Eben. Und überhaupt - wer will schon aussehen wie eine Gurke?
Also: eine weitere „Reise“ wird mich sicher wieder ins Good Morning Vietnam führen, einerseits weil die feine Zubereitung bester Zutaten Lust auf weitere Varianten der Karte macht, andererseits weil allein schon die Tees Grund zum Verweilen machen.
Und dann wäre ja noch das Thema Wein, das gerade hier mal genauer „untersucht“ werden sollte.
Also, guten Appetit – oder auch: gute Reise!
Hilfreich19Gefällt mir12Kommentieren
3x wöchentlich McWürgerking umso mehr ;)