Der Innenraum des Lokals unterteilt sich quasi in den Beislbereich „Schwemme“ – der mit einer klassischen bayrischen Schwemme aber nichts zu tun hat – und dem „Saal“ als Restaurantbereich. Das Ambiente ist hell, die Wände weiß und aus den Lautsprechern dudelt leise (aber durchaus nervend) beruhig...Mehr anzeigenDer Innenraum des Lokals unterteilt sich quasi in den Beislbereich „Schwemme“ – der mit einer klassischen bayrischen Schwemme aber nichts zu tun hat – und dem „Saal“ als Restaurantbereich. Das Ambiente ist hell, die Wände weiß und aus den Lautsprechern dudelt leise (aber durchaus nervend) beruhigender Jazz. „Wiener Gasthaus Bobo-Style“, denke ich mir beim Hinsetzen. Aber ich will den Tag nicht vor dem Abend tadeln. Küchenchef Manuel Grabner nennt seine Küchenrichtung „Traditionelle Wiener Küche mit modernen Akzenten“, wobei er betont, dass hier zwar experimentiert wird, aber ausschließlich nur mit dem, was auch aus der Wiener Küche stammt. Wir reden also von Experimenten zum Beispiel mit Rotkraut aber keinesfalls mit Wasabi … Wir lassen uns also darauf ein und schauen uns an, wie die Experimente schmecken …
Unser kulinarischer Einstand ist ein wahrer Klassiker der Wiener Küche: Roastbeef. Nur weil die Briten glauben, diese Fleischzubereitung wäre auf ihrem Mist gewachsen, ändert das nichts daran, dass es sich hier um ein urtypisches Wiener Gericht handeln muss. Sonst wäre es ergo ipso hier ja nicht auf der Karte. Die komplett rosa Farbe – im Gegensatz zum sonst üblichen äußeren Grau gepaart mit einer nur innen zu findenden „Rosität“ – lässt vermuten, dass das Fleisch Sous-vide gegart wurde, also vakuumversiegelt im Niedrigtemperatur-Wasserbad und dann bestenfalls noch kurz angebraten. Das Innere des Fleisches ist geschmacklich gut, wenn auch vom Biss ein wenig fester als erwartet. Der Rand war mir zu zäh, also habe ich ihn einfach weggeschnitten. Serviert wurde das Roastbeef mit Honigsenf, Vogerlsalat und gerösteten Kürbiskernen was insgesamt eine schöne Komposition war.
Ebenso klassisch Wienerisch war dann das Beef Tatar. Auch wenn ich Manuel Grabner erzählt habe, dass ich momentan mit Beef Tatar vollkommen übersättigt bin und mich mittlerweile fast alle Varianten nur mehr langweilen, konnte er fast nicht aufhören, von seiner Version zu schwärmen: Handgeschnitten und gebeizt, das macht es für ihn aus! Das Highlight wäre das gebeizte und dann geriebene Eidotter! Die Erklärung, warum das Eidotter nicht roh sein dürfe war übrigens die Salmonellen-Gefahr. Das konnte ich nicht ganz einsehen, denn dort, wo ich mich auf die „Einwandfreiheit“ von rohem Rindfleisch verlassen muss, sollten doch auch die Eier sicher sein. Aber OK. Das finale Beef Tatar war durch(h)aus gut und in Ordnung, hat aber geschmacklich mehr von der Beize als vom Fleisch selbst gelebt, was für mich das Essen von Beef Tatar ad absurdum führt.
Was folgte, war das durchwachsenste Gericht, das wir seit langer Zeit hatten und zwar Wildzanderfilet mit karamellisierten Krautfleckerln und geräuchertem Paprikaschaum. Der Fisch war leider schändlich übergart und daher staubtrocken, der Paprikaschaum so intensiv als hätte man einen ganzen Esslöffel mit geräuchertem Paprikapulver im Mund. Die Krautfleckerl waren jedoch die mit Abstand besten seit langem: Das Zusammenspiel aus den süßlich-pikanten Zwiebeln und den flaumigen, selbstgemachten Fleckerln war ein Traum. Diese Krautfleckerln sind keine Beilage, sondern gehören unserer Meinung nach als eigenständiges Gericht auf die Karte!
Durchaus spannend ist auch die Durchhaus-Variante eines geschmorten Schulterscherzls. Denn das eigentlich günstige, aber (richtig zubereitet!) köstliche Fleisch wird hier nicht endlos im eigenen Saft mitsamt dem Gemüse geschmort, sondern – wie schon das Roastbeef – niedertemperaturgegart. Da beim Sous-vide-Garen die Temperaturen aber zu niedrig sind, um dabei Saucen und Saftln entstehen zu lassen, wurde hier parallel das Fleisch im Vakuum und das Gemüse im Schmortopf gegart. Für die nötigen Röstaromen wurden die Fleischstücke nach dem Vakuum noch angebraten, um dann beim geschmorten Gemüse zu landen. Diese verspielte und aufwändige Methode hat sich unserer Meinung nach keineswegs ausgezahlt. Denn während sowohl das Safterl, als auch das Fleisch für sich genommen gelungen waren, haben diese beiden Komponenten zu wenig geschmacklich aufeinander abfärben können. Das dazu gereichte Ofengemüse (Kürbis, Karfiol und Kohlsprossen) war toll, die „cremige“ Polenta 08/15 - sie hätte nicht unbedingt dabei sein müssen.
Schwere Geschütze werden im Durchhaus bei den Nachspeisen aufgefahren. Beim delikaten Schokoladenmousse wird perfekt mit der Säure von Waldbeeren und Kumquats gespielt. Das großartige Kastanien-Parfait mit eingelegten Sauerkirschen zählt zu den besten Nachspeisen, die uns heuer kredenzt wurden.
Insgesamt geht man mit dem „Durchhaus“ in eine interessante Richtung, und diese Richtung stimmt auch. Ich habe nur den Eindruck, dass das gewollt Innovative ein klein wenig am Ziel vorbeischießt. Weniger wäre hier vielleicht mehr. Das zeigen schon die Beispiele Roastbeef und Schulterscherzl, wo der Einsatz des Sous-vide-Garers vielleicht zu Gunsten von Ofen und Schmortopf überdacht werden könnte. Vielleicht wäre mein Eindruck aber auch ein ganz anderer gewesen, wenn ich ganz konservativ nur von Schnitzel, Gulasch und Zwiebelrostbraten probiert hätte. Anyhow: Wer altbewährte Speisen aber gerne neu interpretiert entdecken möchte, ist im „Durchaus“ auf alle Fälle bestens aufgehoben!
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Vielleicht kommt ja die eine oder andere Rebe aus dem nördlicheren Gebiet „Carnuntum“ - ich kann’s nicht beantworten 🤷🏼♂️