am 3. Dezember 2022 · Update 30. Mär 2023
SpeisenAmbienteServiceCafe Ritter in der Mariahilfer Straße
Ein wahrliches Schmuckstück auch außerhalb der City direkt auf der nunmehr umgestalteten Mariahilfer Straße ist das Cafe Ritter. Von der Fußgängerzone trennt es lediglich die Querung der Buslinien 13A und 14A. Unmittelbar daneben ist der Abgang zur U3 oder...Mehr anzeigenCafe Ritter in der Mariahilfer Straße
Ein wahrliches Schmuckstück auch außerhalb der City direkt auf der nunmehr umgestalteten Mariahilfer Straße ist das Cafe Ritter. Von der Fußgängerzone trennt es lediglich die Querung der Buslinien 13A und 14A. Unmittelbar daneben ist der Abgang zur U3 oder man flaniert entlang der Einkaufsmeile und landet auf Kaffee & Co im Ritter. Es gehört wegen der Bezirksgrenze noch zum 6. Hieb Mariahilf.
2009 stand es fast vor dem Aus, wurde aber dank der Rettungsaktion eines beherzten Gastronomen bewahrt, erfreut sich seit 2010 wieder allgemeiner Beliebtheit wie meiner speziellen. Seit damals steht es auch unter Denkmalschutz. Es erfolgten sanfte Renovierungsmaßnahmen, aber das ehrwürdige Flair wurde dabei tunlichst erhalten.
Ich habe mir erlaubt anstelle von Worten zwei, drei Bilder für das Ambiente sprechen zu lassen, Für mich absolut sehenswert und noch mehr einen Besuch. Meine bevorzugten Besuche erfolgen in der Winterzeit, wie nunmehr gerade in der vorweihnachtlichen Zeit, wo unsere ebenso sehenswerte „MaHü“ auch im Lichtermeer glänzt.
Afro Kaffee, der recht Gute
Der nunmehrige Besitzer Harry Holzer setzt hier auf Bohnen des Afro-Kaffees. Die Karte weist auf den Seiten der Kaffeevariationen das Fairtrade Symbol auf, was einen Hinweis darauf gibt, dass man dieser Philosophie hier folgt. Wie schon in der Wertung über das Schwarzenberg geschrieben, gelingt das nicht jedem, aber Gott sei Dank sind auch Profis am Werk, die den Arabica derart auch bekömmlich hinbekommen.
In welchem Verhältnis man Arabica und Robusta mischt, kann ich nicht sagen, aber ich glaube heute keiner Rösterei mehr, dass sie nur mehr noch auf 100% Arabica setzt.
Kaffee ist wie alles sehr teuer geworden und deswegen steigen viele auf Mischungen um oder aber man kauft schlicht billigere Sorten ein. Nun ja, die Hure Geld schlägt da halt wieder zu.
Die einfachsten Kriterien für den Genießer sind am Ende immer Aroma und Stärke. Ist er von Haus aus ein Powerkaffee, hat er vermutlich kaum Anteil an Arabica-Bohnen. Der reine Arabica tangiert mancherorts wiederum zum sog. „G’schloder“, wenn ihn der Barista zu brustschwach zubereitet oder weil einfach die Vorgabe im Lokal ihn so anweist.
Man hat hier für meine Begriffe einen brauchbaren Mittelweg eingeschlagen. Die Fraktion der Ristretto-Trinker sage dazu einfach das Zauberwort „kurz“, dann kommt er zumeist auch wieder in betont männlicherer Stärke. Ich vergebe ihm hier die Note sehr gut und das schon über Jahre.
Das Ritter hat in letzter Zeit seine eigene Kaffee-Häferl Kultur entwickelt, es gibt mehrere bunte Tassen, welche ein Ritter zu Pferde mit Lanze ziert, das ist m.E. fürs Augerl ein durchaus gelungenes und ansprechendes Design.
Typische Kaffeehaus-Kulinarik
Die Frühstückskarte ist von der simplen Art. Großartige Variationen gibt es nicht und für meine Begriffe ist das Ensemble zu convenient, d.h. zu viele Packerl, was keine schöne Optik bildet, auch wenn man auf Produkte wie z.B. Darbo etc. zurückgreift.
Aus dem Grund greife ich hier mehr auf meine simple Snack-Frühstück Gewohnheit zurück, wie z.B. ein Butterbrot mit Schnittlauch. Das letzte war recht gut, wobei ich in Sachen Brot auch verwöhnt bin.
Tadellos sind die Gulasch-Kreationen, sei es als klassisches Rindsgulasch, Würstel mit Saft oder eine Gulaschsuppe. Solches haut generell hin und man schafft hier eine sog. Küchenkonstanz. Das ist für mich auch die wichtigste Kulinarik für ein Kaffeehaus, abgesehen von diversen Mehlspeisen.
In Sachen Mehlspeisen wirbt man für drei hausgemachte Produkte, z.B. einen Guglhupf, der auch marmoriert ist. Mit etwas Schlag als Ergänzung ein begehrter Leckerbissen, allerdings hatte ich ihn schon lange nicht mehr, aber auf den greife ich gerne wieder zurück.
Das zweite war ein Apfelstrudel, der ja eh ganz in Ordnung war, wie man als Wiener so schön sagt. Vom Hocker haut er mich nicht, aber es gibt deutlich schlechtere. In Punkto Qualität objektiv gesehen an sich jedoch tadellos. Der dritte im Bunde, Fraktion Topfinger wartet noch auf meine Gelegenheit. Kommt Zeit kommt Strudel.
Womit man mich hier nicht lockt wäre die Vanillesauce, denn es verrät schon das Bild auf der Speisekarte die dickcremige und für meine Begriffe nicht wirklich hausgemachte Machart.
Weiters machte ich mal wieder einen klassischen Ei’fohrer beim sog. Kaiserschmarren. Ich gebe zu söba schuld, denn es stand das „hausgemacht“ auch nur für die drei zuvor genannten Produkte, aber ich wollte es halt wissen und so war es halt ein Schmarren meiner Denklogik.
Er kam nach sage und schreibe schon unter drei Minuten zum Tisch und zeigte die typischen Packerl-Symptome. Ich war aber hungrig, na dann muss man halt da mal durch. Es fehlte ihm eine ordentliche Schicht Staubzucker, den ich urgierte, nur der kam nicht. Nach mehreren Versuchen ließ ich ihn einfach stehen.
An dem besagten Tag war Hochbetrieb und die Kellner waren sichtlich gefordert und hatten mich offensichtlich etwas weniger beachtet, denn ich war ja für ihre Begriffe mal versorgt. Meine Handzeichen interpretierten sie als Zahlungswunsch, also statt Staubzucker kam die Rechnung.
Nun denn, dann sollte es so sein, er hat, wie man so sagt eh nix g’hassen, also akzeptierte ich das und zog noch etwas hungrig von dannen um mich andersorts zu verköstigen.
Flair und Service
Aufgrund der doch beachtlichen Betriebsgröße wuseln zur kulinarischen Stoßzeit eine Menge Kellner emsig im Lokal umher, sind aber alle ein guter Mix aus aufmerksam, höflich und zuvorkommend. Der zuvor geschilderte Schnitzer war die schlechteste bislang erlebte Leistung, daher erachte ich sie nicht als repräsentativ.
Absolut positiv hervorzuheben ist das tadellos günstige Preisniveau. Obwohl man hier durchaus von einem Wiener Top-Standort sprechen muss, liegt es deutlich unter dem aller anderen Kaffeehäusern.
Ein paar Eckdaten: Großer Mocca 4,30€, Schnittlauchbrot 3,70€, Gulaschsuppe mit Gebäck 5,40€, Würstel mit Saft 6,70€, Gulasch mit Gebäck 11,50€, Apfelstrudel 4,40€, man liegt damit um gute 25-50% unter dem Niveau vergleichbarer Destinationen.
In der Hinsicht muss man m.E. die eine oder andere Qualitätseinbuße auch in Kauf nehmen, aber für meine besondere Vorliebe für Gulasch und Kaffee und das insbesondere im Kaffeehaus komme ich sehr gut auf meine Rechnung. Ach, erwähnt sei noch, es gilt hier noch Bares ist Wahres, was ich manchmal vergesse.
Meine beiden letzten Besuche nachmittags wurden von Klaviermusik begleitet, neben dem Eingang befindet sich ein Piano. Je nachdem wer spielt ist es dann eine Bereicherung oder bloß Berieselung. Wie ich erfahren habe spielt man hier in Eigenregie, d.h. Programm ist es nicht, mal hört man was, mal nicht.
Ich bin froh, dass dieses Kaffeehaus lebt und webt und danach strebt in seiner Tradition auch so erhalten zu bleiben. Es bereichert meine doch in letzter Zeit gehäuften Spaziergänge oder Touren auf Wiens wohl bekanntester Einkaufsmeile und trägt damit wesentlich zur Erhaltung der Kaffeehauskultur außerhalb der Innenstadt bei.
In dem Sinn, Gott erhalt’s!
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Zur Info: Kleines Update der Rezension, da ich soeben vom Team des Inhabers erfahren habe, dass man im Ritter Kaffee aus Afro-Bohnen zubereitet. - LG-Fan