Café Diglas neu belebt
Das ehemalige Café Schottenstift wurde 2016 von der Diglas-Familie übernommen und so seinerzeit vor dem Aus gerettet. Der edle Ritter Diglas durfte im selben Jahr auch noch das Café Weimar retten. Damit verfügt die Familie heute über insgesamt fünf Betriebe in der Stadt ...Mehr anzeigenCafé Diglas neu belebt
Das ehemalige Café Schottenstift wurde 2016 von der Diglas-Familie übernommen und so seinerzeit vor dem Aus gerettet. Der edle Ritter Diglas durfte im selben Jahr auch noch das Café Weimar retten. Damit verfügt die Familie heute über insgesamt fünf Betriebe in der Stadt Wien und sie laufen alle sehr gut.
Dieser erhielt den Namen Café Diglas im Schottenstift. Ich mag es heute weit lieber als früher. Der Grund liegt simpel in der von Diglas deutlich besseren Kulinarik. Wie ich über Kaffeehäuser berichte, so ist deren Küche nicht unbedingt eine Stärke in Wien. Das trifft für die Diglas-Betriebe weit weniger zu.
Das Lokal gliedert sich im EG in zwei Räume, der straßenseitige wirkt etwas beengt, wenn viel los ist, weshalb ich den hofseitigen bevorzuge, der geräumiger ist und mir eine entspanntere Atmosphäre bietet.
Der alte schon in Jahre gekommene altfadrische Look ist durch einige Renovierungsmaßnahmen wieder sehr gemütlich geworden und hat das etwas zappendustere Gefühl genommen. Zum Verständnis sei gesagt: Ich liebe alt, aber nicht altfadrisch, das sich nach meinem Empfinden schon der Richtung grindig zuwendet.
Es bietet noch einen Vorteil, dass es nicht so überlaufen ist wie die anderen größeren Cafés der Innenstadt. Aber vielleicht sollte ich das gar nicht sagen, sonst war’s das dann damit. 😉
Im OG befinden sich die WC-Anlagen sowie zwei weitere Räume, die man für Veranstaltungen nutzen kann. An sich ist ansonsten oben kein Betrieb.
Besonders hervorheben kann man den hofseitigen Gastgarten, der nahtlos an den des nebenan liegenden Bierlokals Zattl angrenzt. Den zähle ich zu den lauschigsten Plätzchen, jedenfalls für Innenstadtverhältnisse, Ruhelage, d.h. kein Verkehr, umgeben von Grün und Sonnenhungrige kommen über die Mittagszeit auch auf ihre Rechnung. Ich muss dann zusehen einen Schattenbereich zu ergattern.
Durch die Übernahme konnte ich über die Jahre beobachten, wie es zu neuem Leben erwacht ist. Den Zuspruch erkennt man daran, dass es zwischen 12-14 Uhr nicht ratsam ist herzukommen, es sei denn man hat reserviert. Dann ist hier Halli-Galli und das Klimpern des Geschirrs und Bestecks kann man bis in den Hof hinaus hören.
Diglas-Küche
Die Küchen werden je nach Standort individuell geführt. Diglas bietet im Vergleich zu anderen renommierten Traditions-Cafés eine respektable Mittagsküche, weshalb ich sogar eine eingeschränkte Empfehlung aussprechen kann und ich hier auch ein wenig darauf in der Rezension eingehe. Meine Gesamtnote macht sie aber nicht aus.
Man kann mit den üblichen Gasthäusern mithalten. Subjektiv finde ich die Küche der Wollzeile am besten, aber dort ist mir alles viel zu beengt und so fühle ich mich beim Essen nicht wohl. Das ist hier wie zuvor erläutert von besser Wohlfühl-Qualität. Man erwarte sich keinen High-Level aber Bodenständiges.
Es werden neben einer Standardkarte unter der Woche zwei Menüs angeboten, eines davon vegetarisch. Die Preise sind auch sehr angepasst an meine Geldbörse. Tagesteller I (vegetarisch) 11,90, Tagesteller II 12,90€, will man zusätzlich Suppe oder alternativ eine kleine Nachspeise kommt es auf 15,40€. Das kann man sich leisten.
Ganztägig gibt es die Standardkarte, mein Kaffeehausfavorit ist wie in vielen anderen auch das Gulasch (15,80€), das es hier nur in Normalportion gibt, d.h. kein sog. kleines Gulasch. Also muss ich den Hunger mitbringen. Das letzte war ausgezeichnet.
Die Beilage Salzkartoffeln lasse ich aber weg, weil mir das zu fade ist. Eine schlichte gute Bäckersemmel geht da wesentlich besser. Dazu ein Ottakringer und das Leben haut hin.
Bierfans aufgepasst, man bietet hier auch Fischer-Helles an, d.h. das aus dem Fischerbräu im 19. Bezirk. Ich selbst bevorzuge zu anderen Gerichten oder für sich alleine den guten Wein, von dem man eine Auswahl typischer regionaler Sorten anbietet.
Mein letztes Kalbswiener (24,90€) war ausgezeichnet, ohne Fehl und Tadel, die Farbe der Panier ausnehmend schön goldfarben, sauber souffliert, der Duft von Butterschmalz nicht aufdringlich, sondern angenehm die Nase bezirzend, dazu ein klassischer Erdäpfelsalat, der vielleicht einen sanften Abstrich erlaubt, aber soweit ok ist.
Eher eine Durchschnittsnote gebe ich dem Backhendlsalat, wo man eine gute Grundlage eines Salates legt, Kernöl obligatorisch, wobei ich das für mich abbestelle, was auch funktioniert hat, aber die Hühnerstreifen waren einfach nur ein mittelmäßig gebackenes Hühnerschnitzel. Das war mir zu trocken.
Sehr gute Erfahrung mache ich mit den Menüs, wo man merkt, dass der Kochlevel durchaus dem entspricht wie ich mir Wr. Küche vorstelle. Lediglich bei der Tagessuppe, zuletzt eine Frittatensuppe, serviert in einer kleinen Glasschüssel merkt man keinen besseren Standard, da drücke ich ein Auge zu, weil … wie schon gesagt Kaffeehaus (soweit meine Auffassung). 😉
Als Tagessuppe zum Menü fällt sie bescheidener aus. Neben mir saßen zwei englischsprachige Touristen, die eine RS a la carte gegessen haben, die in einem fast Monstertopf serviert wurde. Wenn ich bedenke, dass sie dieselbe Suppenbasis wie ich verzehrten, dann möchte ich davon auch nicht mehr als meine Portion. Man kann sie (beim Menü) auch weglassen.
Eine saisonale Spargelcremesuppe blieb weit hinter der Erwartungen. Die Creme wich vom Spargelton schon zu sehr ab, und es gab auch keine Einlage. Dazu ein Paar Schwarzbrotstücke, extra beigelegt, hätten möglicherweise Croutons werden sollen, sprich das wäre die Einlage gewesen, nun misslungen meine ich. Hartes Brot ohne Röstspuren wäre die richtige Bezeichnung. Die ließ ich stehen.
Solche kleine Dinge zeigen mir an, dass man seine Erwartungshaltung schon senken muss und sich auf das traditionelle Kochprogramm fokussieren sollte, oder man geht eben woanders essen. Aber als Kaffeehaus hat es ja auch seine Vorzüge, auf die ich nun kommen möchte.
Diglas Kaffeehauskultur
Diglas verfügt über seine eigene Rösterei, auf die man stolz ist, die Patisserie kommt aus der Filiale am Fleischmarkt. Damit werden alle ausgestattet und sind in der Hinsicht damit alle auf gleichem Level. Aber man kann nicht von Systemgastronomie sprechen, denn es gibt ja nur diese eine Produktionsstätte.
Sehr gut schmeckt mir der Kaffee aus eigener Rösterei. Es gibt keine näheren Angaben, aber vom Aroma und Geschmack ist er nach meinem Empfinden mehrheitlich Arabica. Welches Mischungsverhältnis (mit Robusta) weiß ich nicht, aber er fällt als Espresso stets sehr kräftig aus und so gefällt mir das auch.
Der Preislevel hält sich im Rahmen, meine Referenz ist der Große Mokka, hier zum Preis von 5,40€, damit liegt er sogar im unteren Segment für die Innenstadt. Hin und wieder begleitet er mich mit einer Marille Destillerie Freihof.
Zu meiner Kaffeehauskultur gehört auch die Gulaschsuppe, die ich auf gutem Niveau einordnen kann. Auch sie hat im Vergleich zu anderen Cafés einen sehr moderaten Preis von aktuell 5,80€. Und da sie passabel ist, so bevorzuge ich gerne hier die Einkehr dazu.
Mein Highlight bildet hier aber der unsagbare Topfenstrudel, der für meine Begriff zum Inbegriff für diese Mehrspeise in Wien geworden ist. Mit oder ohne Vanillesauce, das ist für mich eher zweitrangig, aber ich liebe diese warme herzerwärmende Topfenfülle, die seinesgleichen sucht.
Sie ist nicht cremig, nicht bröckelig, auch nicht kuchenartig, sondern einfach im wahrste Sinne des Wortes topfenartig, mit einer Luftigkeit und feinen Geschmacksnote, die mich glücklich macht. Er wird grundsätzlich warm serviert, was das Aroma und die Geschmeidigkeit unterstützen. Bissen für Bissen werden derart genossen.
Die Serviceleistung entspricht der Erwartungshaltung. Ich kenne hier kein sog. Stammpersonal, man sieht Saison für Saison immer andere Kräfte. Manchmal hinkt die Aufmerksamkeit, was aber nicht generell gilt. Hin und wieder begegnet man Herrn Diglas Junior, der dann seine Runden dreht.
Ich ziehe ein Fazit:
Das Cafe Diglas Schottenhof weist eine respektable traditionelle Kaffeehauskultur auf. Hinzu kommt der lauschige Gastgarten, besonders zur Abendstund‘ im Hof macht es das für mich in der Stadt besonders attraktiv, wo ich bevorzugt Besuche absolviere.
Sehr guter Kaffee, ein paar exzellente Mehlspeisen und ein paar Goodies steigern meine Speisennote auf ein Sehr gut. Die durchschnittlich gute Mittagsküche ergänzen es und auch das lockt mich immer wieder an. Dass man im Wiener Kaffeehaus grundsätzlich gut frühstückt erwähne ich nur ergänzend.
Mit der enormen Teuerungsrate ist man nur sanft mitgegangen. Ich schätze daher auch die immer noch moderate Preisgestaltung angesichts der Innenstadtlage.
Was für mich auch einen Ausschlag gibt ist, dass es nicht ständig überlaufen ist. Sieht man von Spitzenzeiten ab, so finde ich üblicherweise ohne viel Aufwand mein Platzerl für mich samt Begleitung.
Das Diglas Wollzeile z.B. ist permanent bummvoll, weshalb ich froh bin, dass diese Adresse ein wenig unscheinbarer liegt. Dank der Familie Diglas blieb es uns erhalten, denn der Rückgang dieses Wiener Kulturgutes hat auch in dieser Sparte schon begonnen.
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