am 23. November 2022
|Update 24. Nov 2022
SpeisenAmbienteServiceCafe Schwarzenberg – Traditionen im Zeitgeist
Ich stand für kurze Zeit vor der Frage, ob es Sinn macht einen Bericht über die Institution Cafe Schwarzenberg abzufassen, als man dieses Kaffeehaus wohl von Scheibbs bis Texas ohnehin kennt, und dank „www“ global genügend beschrieben wird, aber ic...Mehr anzeigenCafe Schwarzenberg – Traditionen im Zeitgeist
Ich stand für kurze Zeit vor der Frage, ob es Sinn macht einen Bericht über die Institution Cafe Schwarzenberg abzufassen, als man dieses Kaffeehaus wohl von Scheibbs bis Texas ohnehin kennt, und dank „www“ global genügend beschrieben wird, aber ich denke ich kann auf diese Weise ein paar persönliche Eindrücke vermitteln, was es für mich als Ur-Wiener und vielleicht auch als Connaisseur des Kaffeegenusses bedeutet.
Interessant ist immer wieder sich die diversen HP solcher Kulturorte anzusehen. Erfährt man hier beispielsweise, dass es erst ab 1840 den Frauen gestattet wurde ein Kaffeehaus ohne Männerbegleitung zu besuchen. O tempora, o mores, man kann sich gewisse Dinge heute gar nicht mehr vorstellen.
Was in den grünen Außenbezirken unsere Heurigen ausmacht, so sind es in der Innenstadt die Kaffeehäuser dieses Ranges. Die Einrichtung hat sich, so lange ich es kenne, nicht verändert, dieses Flair ist geblieben und mir gefällt es auch so.
Wenn auch der Zahn der Zeit an allen Dingen nagt oder verändert, wie z.B. die Zeitung längst meinem Tablet gewichen ist, so vermittelt es weiter einen Hauch von Alt Wien, was es für mich zu einem Anziehungspunkt macht. Doch auch der Kaffee hat seine Entwicklung durchgemacht.
Kaffee - Arabische G’schicht‘n aus Honduras
Man ist heutzutage stolz im Schwarzenberg auf ausgewählte Bohnen zertifizierter Plantagen zurückzugreifen. Ein wenig Sorge bereitet mir nur, wenn man zu viel dem Zeitgeist opfert und versucht allem Rechnung zu tragen. Immer wenn ich die Worte „Bio“ und „Fairtrade“ lese, werde ich hellhörig, sind sie manchmal schon Reizworte für mich geworden.
Die Ideen dahinter mögen aus moralischer Sicht durchaus begrüßenswert sein, bloß werden dann manche dieser Kaffeesorten auch grauslich bis hin zum Ausspucken, wenn sich aufgrund einer überstrapazierten Kaffeezucht im Röstverfahren unangenehme Säuren bilden, die dann nichts mehr mit Kaffeearomen zu tun haben. Ich bin darin kein Experte, aber das Endergebnis kann man wohl schmecken.
Eine solche Erfahrung des regelrechten Ekels hatte ich unlängst bei der Neueröffnung des renovierten Cafes am Cobenzl, und kein Scherz, ich habe ihn dort ausgespuckt. Beim Ströck ließ ich ihn nur stehen. So muss man diesbezüglich einen vernünftigen Mittelweg finden. Er ist hier aber gelungen, ich genieße nach wir vor meinen großen Espresso, würde ihn aber nicht mit Top-Note versehen.
Aber er ist soweit immer noch gut bis sehr gut, als man bei meiner bevorzugten unverfälschten Arabica-Bohne geblieben ist. Es obsiegt hier wohl auch der Standort, als ich dieses ehrwürdige Kaffeehaus nicht bloß nur wegen einer Kaffeesorte aufgeben möchte.
Stolz ist leider auch der Kaffeepreis geworden. Vor der C-Zeit immer im 4€-Bereich, was ich auch aus diesem Grund sehr geschätzt hatte, weil dies für die Innenstadtlage ein sehr fair kalkulierter Preis war, so stehen wir nun bei 5,70€ für den großen Mokka, womit man schwer nachgezogen hatte. O tempora, o pretia!
Die übrigen Kaffeekreationen, die diverses Höherprozentiges beinhalten, bin ich so gut wie durch, bin aber noch nie bei einer bestimmten Sache hängengengeblieben. Sie sind mir für das, was sie bieten, ehrlich gesagt auch zu überteuert.
Junkies wie ich brauchen das Koffein ohnehin möglichst stark, rein und pur, also niemals gestreckt. Wenn schon, dann gebe ich einen Tupf Schlag dazu, den ich der Mehlspeise entnehme oder extra ordere. Der nimmt mit dem Löffel leicht dosiert noch nichts an Stärke weg, oder ich kombiniere den Espresso z.B. mit einem Edelbrand, den dann ebenso extra in puristischer Klarheit.
Meine kulinarischen Kaffeehausg’schicht‘n
Ich genieße Frühstücksvariationen als kleine quasi Wake-Up Morgen-Dosis in Form eines simplen weichen Eis, dazu ein Kaisersemmerl, bis hin zu ausgedehnten Szenarien, die zum Brunch ausgedehnt werden, sodass dann weitere Mahlzeiten für den Tag obsolet werden. Das Schwarzenberg hat viel zu bieten und mich darin stets zufriedengestellt.
Für andere Tageszeiten liebe ich unsere Gulaschtraditionen, die das Kaffeehaus wohl mitprägen. Das Gulasch (klein um 13,50€) selbst ist nicht immer gleich, mal recht gut, mal nur unterer Durchschnitt, weshalb das Schwarzenberg keine sog. Gulasch-Destination für mich ist, hier fehlt es an Konstanz.
Wesentlich zufriedener bin ich mit der Ungarischen Gulaschsuppe (7,80€), die mit einem Seidel Gösser (4,90€) als Reisebegleiter immer wieder mein Herz erfreut. Mitgekochte Erdäpfelstückerl, kleingeschnitten roter Paprika samt sanfter pikanter Note ist immer wieder gut.
In letzter Zeit bin ich wieder auf Würstel zurückgekommen, die besonders mit ein wenig Gulaschsaft serviert regelrechte Leckerbissen sein können. Beim letzten Besuch waren es pikante feingranulierte Debreziner und als Gustostückerl lag ein Stück Wadschunken mit am Teller. Dafür verlangt man zwar satte 11,80€, es malte aber ein gelungenes Smiley in mein Gesicht.
Mehlspeisen lasse ich hier lieber, als sie nicht hausgemacht sind und ich in Vitrinen gelagerter Ware grundsätzlich nicht traue, fallweise höchstens eine Mozarttorte, liegt aber schon länger zurück.
Ebenso kann ich den Kaiserschmarren (9.70€) nicht empfehlen, es fehlt mir die Handschrift hausgemacht, für mich ist er Packelware, aber für Touristen sichtlich trotz allem immer wieder ein Leckerbissen. Nun, da habe ich meine eigenen Adressen.
Es ist generell in Wien so, dass Kaffeehäuser dafür nicht der richtige Ort sind, sieht man von Ausnahmen ab. Diskussionen habe ich diesbezüglich schon mit so manch leitenden Oberkellnern geführt, sie können sehr amüsant sein, bleiben aber fruchtlos. Das Geschäft läuft auch ganz ohne mich. 😇
Ausnehmend gut ist ein warmer Apfelstrudel um 7,50€, aber aufgepasst: Verlangt ihn auch warm, es gibt ihn wie auch den Topfenstrudel kalt (vermutlich in der Vitrine gelagert) um 5,50€ oder eben warm (ich hoffe aus der Küche), dazu entweder Vanillesauce oder Schlagobers.
Kalt sind die Dinger eher abtörnend, der Topfenstrudel z.B. zerbröckelte und wurde eine staubige Sache, aber warm war wiederum der Apfelstrudel ein Gedicht. Tja, was das ausmacht beweist dieser kleine aber feine Unterschied, es ist dann nicht das Schlagobers. 😊
In letzter Zeit bin dank der ReTe-Community nicht auf den Hund, aber auf den Negroni gekommen und verspüre danach so dann und wann Gusto. Ich finde ihn hier zur meiner Freude auf der Karte um wohlfeile 11,90€. Es wird auch der Mix beschrieben: 3cl Malfy Gin, 3cl Cinzano Rosso, 3cl Campari. Das mögen Experten beurteilen
Drei schöne grüne Oliven begleiten ihn samt Wasserglas. Der erste Versuch hinkte ein wenig meiner ersten Erfahrung aus der Bar Campari nach, bei einem weiteren Besuch konnte er m.E. tadellos standhalten. Woran das liegt weiß ich nicht, aber so habe ich Grund hierherzukommen, denn das Flair eine Cafes zieht mich jedenfalls in der Herbst/Winterzeit hier deutlich mehr an. Lediglich auf die Zigarre muss verzichtet werden. Tja, da ich bin zu spät Genussraucher geworden. 😉
Dies war ein kleiner Einblick in mein typisches Kaffeehauskonsumverhalten, das teils unveränderlich traditionell, teils auch dem Wandel der Zeit im Genussverhalten unterworfen ist und für meine letzten Besuche einen repräsentativen Querschnitt darstellt.
Summa summarum ist das Kaffee Schwarzenberg eine begehrte Winteradresse. Es gibt zwar auch einen Schanigarten, der aber für mich ob der als Verkehrshölle empfundenen Lautstärke keine Option ist. Du glaubst der D-Wagen fährt dir über den Schädel, wenn er in den Ring einbiegt. Für’s Freie brauche ich Ruhe.
Service und Allgemeines
Was Kaffeehäuser dieser Art zu bieten haben ist ihr exzellenter Service. Nervig geworden ist die US-Manie: „Wait to be seated“ Kultur die sich hier scheint’s seit der C-Krise mehr etabliert. Ich persönlich hasse sie, andere sehen es als unabdingbar. Es ist dies keine Geschmackssache, sondern halt Kultur.
Falls die Hütte bummvoll ist, geht es wohl nicht anders, falls aber halbleer, auf wen sollte ich warten? Ist doch nur mehr Hacklerei für den Service, aber sei’s drum. O tempora o cultura.
Ich bin es als Wiener gewohnt ein Kaffeehaus spontan besuchen zu können, auch weil keines mein sog. Stammcafe ist. There is no place to seated, damit meine ich, ich will oder kann es damit nicht reservieren. Notfalls zieht man halt weiter, was auch schon passiert ist.
Es gibt auch öfters die typische Praxis, dass mehr oder weniger auf allen begehrteren Sitzplätzen, das sind die wohl fensterseitigen, ein permanentes „Reserviert“ Taferl steht. Dies ist auch Kultur, und auch das keine von mir geschätzte.
Es ist zu 50% ein Ober-Schmäh, und das nicht nur hier. Kennt man den fragt man ungeniert: „Kann ich den Platz haben?“ und zu 50% gibt es ein: „Jo, is eh frei, warten’s, i wisch ab“ und für die anderen 50% kann hin und wieder auch ein ruppiges: „Na, kennan‘s net lesen?“ kommen.
Gut, dann ist tatsächlich reserviert und man sucht sich seinen Platz aus der Economy-Class. Es ist aber auch der linke Lokalteil mit den Messingtischen sehr attraktiv. Zur Tageszeit wirkt er mit den Riesenfenstern fast wie ein Wintergarten und zur Abendzeit verwandelt er sich in eine Lichtershow durch die von außen einströmenden Lichtquellen.
Ansonsten sind die Ober Klasse, sowohl im Auftreten als auch in der gesamten Serviceabwicklung. Einige Zeit fungierte Herr Ober Mario als Sänger und gab einige Operettenlieder in Klavierbegleitung zum Besten. Das habe ich aber schon lange nicht mehr erlebt, dafür sind meine Besuche zu unregelmäßig.
Solches prägt aber die Erinnerungen wie auch z.B. zu meiner Jugendzeit die Öffnungszeiten in der Wintersaison mit ca. schon ab 4 Uhr morgens auf eine Gulaschsuppe nach durchtanzter Ballnacht. O tempora, o dominarum. 😍
Aufgrund meiner doch schon langjährigen zwar unregelmäßigen, aber immer wiederkehrenden Besuche würde ich für das von mir bevorzugte kulinarische Programm samt Service ein durchgängiges und konstantes Sehr gut vergeben, man kennt mit der Zeit seine Goodies.
Der Objektivität geschuldet verdient aber die Speisen- und Getränke-Wertung die Höhen und Tiefen beinhaltend eine Abstufung um eine Note auf 3. Das Ambiente hat hingegen für meine Begriffe Kultstatus und geht aus meiner Sicht nicht besser, dafür daher die Top-5.
Traditionen müssen gepflegt werden, auch wenn der Zeitgeist Dinge versucht umzukrempeln, so kremple ich mir halt die Ärmel hoch und bleibe bevorzugt in der Wintersaison mäßiger aber dafür über die Jahre schon regelmäßiger treuer Besucher.
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