Tuttendörfl. Wer den Namen das erste Mal hört, malt sich vielleicht weiß Gott was für welche Assoziationen aus.
Tuttendörfl ist kein Nacktstrand, kein Etablissement, sondern ein Ortsteil von Korneuburg, eine Rollfähre, ein Golfclub – und ein Restaurant: das Donaurestaurant.
Von außen präs...Mehr anzeigenTuttendörfl. Wer den Namen das erste Mal hört, malt sich vielleicht weiß Gott was für welche Assoziationen aus.
Tuttendörfl ist kein Nacktstrand, kein Etablissement, sondern ein Ortsteil von Korneuburg, eine Rollfähre, ein Golfclub – und ein Restaurant: das Donaurestaurant.
Von außen präsentiert sich der feine Platz an der Donau mit schönem Ausblick. Zumindest kann man das erahnen, am 19. Dezember bei Regen, Nebel und einfallender Dunkelheit.
Der Architekturmix ist erstaunlich: der Altbau mit der Donau zugewandtem Wintergarten-Zubau, ich sag‘ jetzt mal im „nautischen“ Stil angelegt, auf der anderen Seite ein großzügiger Saal für kleinere Feiern wie etwa zur vorweihnachtlichen Zeit.
An der Front des Saales durfte ein Künstler ran, das Ergebnis ist irgendwo zwischen Kunstinstallation und Königreichsaal der Zeugen Jehovas angesiedelt.
Das alte Haupthaus mit Wintergartenzubau erreicht man über eine schwere Holztür, die man zuerst nicht wirklich als Eingang – und beim Gehen wiederum ebenso wenig als Ausgang erkennt.
Es ist tatsächlich kurios: ich gehe instinktiv an der Ein-/Ausgangstür vorbei und finde mich plötzlich in der fremden Firmen-Weihnachtsfeier wieder.
Das Lokal ist insgesamt mit seinen unterschiedlichen Räumlichkeiten erstaunlich weitläufig – und wohl nicht nur zur Weihnachtsfeier-Saison bestens besucht. Meine Anfrage nach einem Tisch für eine Person ist eigentlich ein Zufallstreffer. Wie’s hier wohl in der der Sommersaison samt Außenbereich zugeht?
Trotz zum Teil eigenwilliger architektonischer Details ist’s sehr gemütlich. Ordentlich Platz an den Tischen, ordentlich gedeckt, fein zum Sitzen.
Das Service ist – wie so oft in der Gastro – schwer zu bewerten, weil einerseits die Tagesverfassung mitspielt, andererseits die eine Person gut, die andere vielleicht schlecht drauf ist. Dazu kommt noch, dass in dieser vollen Hütte wirklich alles bestens koordiniert werden will. Das ist keine leichte Aufgabe und entlockt mir wieder einmal gehörigen Respekt.
Da wäre mal eine sehr freundliche Dame, die es aber tatsächlich schaffte, bei jedem Mal Vorbeigehen zwar etwas hierzulassen (Brotkorb, Getränk, Getränk am Nachbartisch, Getränk am zweiten Nachbartisch), aber jedes Mal meine bereits zugeklappte Speisekarte zu übersehen. Bevor ich noch „Also, ich nehme dann mal…“ sagen konnte, war sie auch schon wieder fort. Ich bin kein Typ für „Tschuldigung??“, oder „Fräulein??“, ein wenig mehr Aufmerksamkeit wäre also gut.
Dann wäre da noch eine weitere Dame mit einer feinen Portion Humor beim Abservieren und ein Herr, der erstaunliches Faible für Wein und Distillate bewies, die Visitenkarten von den Winzern zauberte er sogar aus seiner Brieftasche.
Preislich finde ich das Lokal nicht wirklich übertrieben, Tafelspitz um 14 oder Kalbswiener um die 16 Euro sind keine Frechheiten, schon gar nicht für Wien oder das sonnige Donauufer. Wir schreiben eben 2012 und nicht mehr 1986.
Brotkorb. Butter. Ganz passabel, schön zu beißen, nicht aufgebacken oder gar Billigsdorferware.
Ein Kalbszüngerl mit Wurzelgemüse und Krenschaum.
Ich beiß auf die Zunge, also nicht auf meine - und fühle guten Biss, angenehme Würzung und gut julienniertes Gewurzel.
Jammerschade: so viel Obers macht das Gericht zwar auch optisch nochmal schöner, aber das Sößchen wird dermaßen üppig, der Obersgeschmack ist kaum noch aus dem Mund zu kriegen, für eine Vorspeise ist das zu viel, viel zu viel. Die Sauce bleibt übrig.
Eine Fleischstrudelsuppe.
Mehr Fleisch als Strudel, fest, krümelig, gut gewürzt. Die Suppe scheint ein wenig filtriert, ein wenig fehlt der Pepp und die Kraft so mancher Tafelspitzbrühe. Vielleicht will man auch hier die richtig kräftigen „Gichtbrühen“ nicht und bleibt beim gemüsigeren Touch.
Rehragout mit Semmelknödel.
Schon die Suppe beherbergte vier Stück Strudel, diese Portion ist jetzt wahrlich fast nicht zu schaffen. Sehr sämig und cremig, das Fleisch für ein sonst oft ein wenig kernigeres Rehfleisch sehr weich, leider auch hier ein wenig zu viel Obers, die Farbe verrät es, das macht die Sache einfach um den Tic zu üppig, aber trotzdem noch gut.
Knödel: feine Konsistenz, nicht „z’foahrn“, also nicht verwässert oder gar versalzen.
Die humorvolle Kellnerin meint, sie wolle nicht, dass ich hungrig bei der Türe rausgehe.
Und an den Winter zollt man ja angeblich auch seinen Tribut. So sei es – und sie hat wohl Recht, spätestens nach diesem kräftigen Mahl sollte mir beim Spaziergang danach nicht kalt werden.
Fazit: Ungewohnter Ambientemix, sehr beschäftigtes Service mit so mancher kleinen Schwäche aber auch ungewohnt bemüht und auch humorvoll. Küche gut, wenn auch nicht so ganz das große Aha-Erlebnis. Zuviel des Guten (Schlagobers) macht die Sache geil – und so bin ich froh, keinen Platz mehr für das Dessert zu haben.
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