Eine Fahrt von Linz nach St. Pölten. Es ist schon relativ spät, ein gutes Restaurant in St. Pölten hat bereits die Küche um 20 Uhr dicht gemacht. Also schnell mal im Gault Millau nachgeschaut, was es gastronomisch eventuell Interessantes am Weg geben könnte. Normalerweise ist der Haubenführer nic...Mehr anzeigenEine Fahrt von Linz nach St. Pölten. Es ist schon relativ spät, ein gutes Restaurant in St. Pölten hat bereits die Küche um 20 Uhr dicht gemacht. Also schnell mal im Gault Millau nachgeschaut, was es gastronomisch eventuell Interessantes am Weg geben könnte. Normalerweise ist der Haubenführer nicht wirklich meine erste Anlaufstelle, aber ich hatte so absolut keine Ahnung, was in der Gegend gaumentechnisch geboten wird.
Ich rufe an und habe Glück. Der Koch wartet auf mich, ansonsten wäre um 21 Uhr Schluss mit Küche. Also bei Amstetten-West mal schnell runter von der A1, nach kaum drei Kilometern ist man da.
Ardagger Stift gehört zur Gemeinde Ardagger Markt, ist aber ein eigener Ortsteil mit dem Stift und den angrenzenden Gebäuden, allesamt schöne Altbauten.
Drinnen wurden die Räumlichkeiten sehr liebevoll und gekonnt adaptiert, ein netter Farbenmix mit dem dominierenden, aber nicht penetranten „Apfelgrün“ der Sitzmöbel sorgt für gemütliche Atmosphäre.
Ganz klar: das Mostviertel ist hier Programm, ob auf den Bildern oder auf der Speisekarte.
Der Service ist von Anfang an bemüht um das Wohlergehen der Gäste. Dabei begnügt man sich allerdings nicht, aufmerksam zu sein, sondern glänzt auch mit dem Wissen um Zubereitung und Tricks der Küche, genauso wie um das offene Weinangebot.
Beim nächsten Mal ein Muss: Apfel- und Birnenmost, sogar Sprudelndes zum Aperitiv werden auf Basis der beliebten Kernfrucht angeboten.
Heute: ein Blend von den Burgundermachern.
Passend zur Philosophie der Winzer präsentiert sich der Wein leicht, schön kühl und angenehm blumig.
Die Speisekarte bietet nationale wie internationale Highlights mit klarem Bezug zur Region - und dem Most. Eine eigene, kleine Wirtshauskarte offeriert Hemdsärmeliges, im Voralpendialekt verfasst. Preise: gerechtfertigt aber nicht unverschämt.
So wird es dann eine Rindsuppe mit dreierlei Einlage und – das erste Mal überhaupt – ein Kalbsrahmbeuschel.
Sicher – Beuschel hatte ich zuhause immer wieder, aber noch nie hatte ich auswärts Beuschel gegessen, das hatte ich einfach noch nicht gewagt. Hier dachte ich, wäre ich an der richtigen Adresse um es mal zu probieren.
Ich sollte es nicht bereuen.
Zuerst kamen die Aufstriche, hübsch am weißen Schneidbrett präsentiert.
Besonders gut: das Verhackert und das kleine Schwarzbrothäppchen mit Rettich und Lardo. Eine resche Sache, mundgerecht und gschmackig.
Der Gruß aus der Küche: ein Erdäpfel-Espuma mit Hering und Apfel.
Ich zweifle, denn eigentlich mache ich um Heringsalat & Co. einen ekelerregten Bogen. Doch die Sache ist stimmig, ich bin wirklich überrascht. Respekt, Respekt, so oft ich Heringsalat selbst zuhause erfolglos probiert und runtergewürgt hatte, so sehr stimmt hier das Aromenspiel der Zutaten.
Das Süppchen: kommt ordentlich karamelfarben daher, was mich zuerst die Stirn runzeln lässt. Wie war denn die Farbe zusammen gekommen? Doch von Maggi keine Spur. Knackiges Gemüse tummelt sich in der Brühe, die mit jedem Schluck besser schmeckt.
Die drei Einlagenteilnehmer sind tadellos, sogar das Grießnockerl hat den für mich obligaten Kern, wenn auch nur geringfügig. Das Pofeserl ist schmackhaft, der Leberknödel würzig, aber zurückhaltend.
Ja, wie war das jetzt mit der Suppe? Der von Selbstvertrauen strotzende Kellner weiß von zwei Methoden zu berichten: hier wird das Fleisch angeröstet, etwas, was ich selbst zuhause noch nie probiert hatte.
Der „Einserschmäh“ wiederum wäre eine halbe Zwiebel, welche direkt auf die Herdplatte gelegt, eine dunkle Farbe annimmt und sogleich in die Suppe kommt. Laut Kellner ist der „Ansaschmäh“ allerdings nicht mehr erlaubt. Das Gesundheitsamt hat hier was dagegen.
Gegen Rauch in Speislokalen allerdings nicht. So what?
Auch hier darf im vorderen, aber anständig belüfteten Bereich geraucht werden.
Das Beuschel: der Hammer, und das, obwohl ich etwas darin finde, das ich von zuhause nicht kenne – und erst mal entfernen muss: nudelig geschnittene Essiggurkerl. Als „Säureregulator“ und Geschmacksgeber wohl berechtigt, für mich aber untragbar.
Kein Problem – ich „fiesle“ die Gurkerl einfach raus und genieße das Beuscherl auch so.
Erstklassig abgeschmeckt – und vorzüglich mit dem Bröselknödel kombiniert. Denkwürdig!
Ein süßer Gruß aus der Küche (oho!): Jogurt-Sorbet mit Mangoragout. Schöne Konsistenz, geschmacklich ist mir die Aromakombination nicht so ganz geheuer, es schmeckt gut, aber ich würd’s mir wohl, wenn ich die Wahl hätte, mit anderen Früchten kombinieren lassen.
Mostschober mit Mostzabaione, Safranquitten und Vogelbeeren.
Der „ersoffene“ Nussbiskuitteig macht eine hervorragende Figur, der Tribut an das Mostviertel wiederum ist gewöhnungsbedürftig aber sehr erfreulich.
Der Quitten-Vogelbeer-Cocktail lässt mich schmunzeln und genießen. Wer hätte gedacht, dass man Vogelbeeren als veritablen Preiselbeer-Ersatz bestens einsetzen kann?
Und noch eine kleine süße Aufmerksamkeit zum Schluss: ein weiße Praline, mit Lavendelzucker (!) gesüßt.
Erstaunlich. Wenn Yves Rocher gewusst hätte, was man mit Lavendel noch so alles anstellen kann!
Caffè, Grappa. Mit schmackhaftem Keks – nicht aus der Blisterverpackung. Gelungen.
Summa summarum: ein echter Glückstreffer, kann die Bewertung des Vortesters nicht nachvollziehen.
„Most have!“
Hilfreich8Gefällt mir4Kommentieren
Sehr appetitanregend. Komisch, dass der Service so lustlos war, ich hatte dort damals zwei wirklich gesprächige Kellner, die auch aus dem Kochlehrbuch zu erzählen wussten.