Der Gmoa Keller
Nach ansehnlich langjähriger Familien-Historie seit anno 1858 übernimmt Sebastian Laskowsy seit ca. 2000 das Zepter im Gmoa Keller. Derselbe führt mit Bruder Alexander später auch den Waldviertlerhof im 5. Bezirk Wiens weiter. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag gegen d...Mehr anzeigenDer Gmoa Keller
Nach ansehnlich langjähriger Familien-Historie seit anno 1858 übernimmt Sebastian Laskowsy seit ca. 2000 das Zepter im Gmoa Keller. Derselbe führt mit Bruder Alexander später auch den Waldviertlerhof im 5. Bezirk Wiens weiter. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag gegen das Wiener Beisl-Sterben. Wir bräuchten deren mehr.
Das Lokal besteht aus einem langen dreigeteilten Hauptgastraum und einem kleinen Stüberl. Der Schankbereich wird grundsätzlich nicht als Gastraum genutzt. Dort sitzt auch mehr das Personal.
Davor befindet sich ein Schanigarten, der unter dem Straßenniveau des Heumarktes liegt. In der Coronazeit wurde dieser erweitert und mit einer rundum Holtäfelung verziert, angesichts der Stadtverhältnisse sogar recht nett.
Auffällig ziert den 3. Gastraum ein Gemälde, das lose herabhängt, rechts unten signiert von H. Nitsch. Angeblich ist es aber nicht von ihm. Für mich eher ein Weggucker, dazu gilt halt „Geschmäcker und Ohrfeigen“, aber weil es mit einem Promi in Verbindung steht, wird es wohl noch länger verbleiben, mittlerweile in memoriam.
Abgesehen davon ist die Einrichtung vom Feinsten wie ich mir das für das bessere Gasthaus vorstelle, Parkettböden, Holzvertäfelung. weiß eingedeckte Tische, so hebt sich das Ambiente für mein Auge auf ein gehobenes Niveau.
Man kann sich hier mit jeder Art Klientel blicken lassen, habe ich z.B. bei einem meiner Besuche 2022 unseren Alt-Bundespräsidenten Fischer angetroffen. Ich war aber nicht sein "Klientel". 😀
Kulinarik allgemein
Soweit ich in Erinnerung habe wird von Mo – Fr ein Tagesmenü angeboten, die Hauptkarte besteht aus traditionellen wie auch wechselnden spezifischen Gerichten, die mit saisonalem Angebot ergänzt wird, soweit also recht klassisch.
Der Menüpreis inkl. Tagessuppe liegt gegenwärtig bei 11,80€, Hauptgerichte sind m.E. moderat kalkuliert, Ausreißer kenne ich keine, für die Stadtlage in meinen Augen günstig.
Man findet als Fixpunkt unter den Suppen eine RS mit Einlage Fleischstrudel, die immer rarer wird und darum zu meinen Favoriten hierorts gehört, oder sie ist auch die fallweise Tagessuppe zum Menü. Die RS-Basis ist tadellos und liegt durchaus über dem Durchschnitt üblicher Wr. Gasthäuser.
Weiters eine Erdäpfelcremesuppe, so weit, auch so gut, ich wünschte mir dazu ein wenig Speckstückchen. Dem Umami-Freak wird das hier verweigert, dafür darf sich die Fraktion der Vegetarier freuen.
Von den Wr. Klassikern kann ich so gut wir alle empfehlen, das Handwerk beherrscht man, wie man so sagt aus dem FF, man bietet für meine Begriffe einen schönen Vorzeige-Bres‘lteppich, wie ihn der Wiener doch gerne hat, mit ebensolchem Erdäpfelsalat wie von der Omama.
Einzig beim ZRB erlaube ich an meine übliche Wr. Raunzer-Orgie anzuknüpfen, als ich hier noch nie gut geröstete Röstzwiebel erhalten habe, abgesehen davon ist aber auch der recht tadellos.
Für den kleinen Hunger zwischendurch gibt es Zwischengerichte a la Kaffeehaus, das kleine Gulasch, simple Sacher- bzw. Debreziner mit Senf und Kren oder ein Blunz’ngröstl, das aber auch schon als HS sättigen kann.
Mittags- und Hausmannskost
Was wäre wohl das gute WH ohne Hausmannskost. Einiges bietet schon die Karte, das meiste rein Hausmännische wird man mehr im Zuge des Mittagsmenüs vorfinden, weshalb mittags meine bevorzugte Besuchszeit ist. Darüber erlaube ich kostprobenartig zu rezensieren.
Starten wir mit einem good old Schweinsbrat‘l, vom Schopf für mich die Ultimofleischwahl, butterzart weich zerfällt es auf der Gabel, g‘schmackiges Natursafterl mit Kümmelnote und das Sauerkraut gut auf den Punkt in Säure und wenig Einbrenn. Zwei kleine Erdäpfelknöderl ergänzten es zu einem Gruß vom Himmel. Ja, das war Klasse.
Erdäpfelgulasch, steht es auf der Tageskarte wird es vorzugsweise gewählt. Die Kombi aus Gulaschwürze, papriziertem Saft, darin geschmorte Erdäpfel, ich könnt mich eingraben, bei der Wurst müsste ich jetzt schummeln, weil der letzte Genuss schon ein wenig zurückliegt, aber ich denke es war die würzig doppelt geräucherte Dürre. Genuss pur.
Eine dritte dafür umso bessere Erinnerung habe ich zum Gebackenen Kabeljau, ein traditionelles Freitags-Mittagsmenü. Simpel, aber exzellent, tadellos paniert, nicht so hart wie woanders, sondern auch souffliert, im Inneren das sog. Fischeln im Gaumen zart spürbar, als Begleiter ein herzhafter Mayonnaise-Salat, der aber nicht aus der Tube, ja Herz was will man mehr.
Das einzige über das man motschkern könnte wäre, dass ich das Servieren dieser Salatbeilage auf einem Extra-Teller bevorzugt hätte, aber es hätte auch das Tradition, zumindest als Mittagsgericht.
Beim Gebackenen Karpfen a la carte, ebenso mit Mayonnaise-Salat, erfolgt diese Trennung wieder vorschriftsmäßig sauber via Extraschüsserl, und der intensive Geruch samt traniger Note wird zu einem noch größerem Erlebnis.
Aus der Rubik der NS, die ich mittags aber kaum esse, begnügte sich bei einem Besuch meine Schwiegermama mit einem Topfen-Kaiserschmarren, zwar nicht die klassische Zubereitungsart, aber doch gut duftend, flaumig und mit exzellentem Röster. Ihr jedenfalls taugte er sogar noch mehr als mir.
Es gibt immer wieder, wie ich es nennen würde, Schmankerl, die recht originell, also nicht alltäglich kreiert werden, auf die ich im Bedarfsfall zugreife. Eines davon war Ganslravioli, das auf der Tageskarte stand, wohl ein Restlverwerten aus der Ganslzeit, das aber gelungen und überdies herzhaft kräftig im Geschmack, war genial.
Für weitere Köstlichkeiten fehlen mir gerade dazu die Details, die Ganglien wollen’s scheinbar nicht mehr durchschalten, die Fotos alleine reichen leider nicht, aber ich weiß noch von keiner misslungenen Komposition. Jetzt muss man mir halt glauben oder selber ausprobieren, ich empfehle letzteres. 😉
Für den Absacker danach wird Kaffee Marke Hausbrandt kredenzt, gut und schon mit brauchbarer Stärke ohne weiteren Wasserentzug, wer es noch kräftiger benötigt findet eine gute Auswahl Edelbrände querbeet durch das heimische Programm diverser Destillerien.
Über die Getränke habe ich nicht genauer recherchiert, was meiner Vorliebe eines regionalen Weißweines geschuldet ist, sodass es mittags nicht so mein Augenmerk erhält. Aber das Angebot nenne ich den ortsüblichen Gasthausstandard, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auch da wird saisonal etwas variiert.
Service und allgemeine Bewertung
Ich kann zum Service nicht allzu viel sagen, was angesichts einer Wr. Seele aber auch etwas Gutes ist, als sie dann nicht wirklich Nennenswertes zu bekritteln hätte. Ein wenig sucht man den Wr. Schmäh im Umgang, findet ihn auch, aber er wird generell rarer.
Er stirbt also auch ein wenig mit den Kulturveränderungen mit ab. Witzigerweise sprechen manche Kellner, sichtlich aber nicht gebürtige Wiener darauf auch an. Diese sind also integrationswillig, bravo! Mehr davon bitte!
Nun, insgesamt funktioniert hier alles so weit, wieder so gut, ich würde als Gasthaus die Latte grundsätzlich nicht höher als nötig setzen, insofern passt das auch. Auch das Online Reservieren funktionierte bislang klaglos. Für den Service erteile ich ein zufriedenstellendes Gut.
Die Speisen verdienen ein aufrichtiges und durchgängiges Sehr gut. Es ging hier noch nie etwas retour, was anderorts schon durchaus der Fall war, was sich als „besseres“ GH bezeichnen möchte. Man ist hier für meine Begriffe bodenständig gut geerdet und merkt es auch an der Endrechnung.
Das Ambiente verdient Höchstnote, ja so geht Gasthaus nach meiner Façon, das Geschmiere rückwärts vergessen wir mal. Höchstens für den Gastgarten würde ich einen sanften Abstrich wagen, aber angesichts der Stadtlage wäre das ungerecht. Ich kehre auch viel öfter zu den kälteren Jahreszeiten ein und erfreue mich dann dieser Einrichtung.
Bedingt durch das allgemeine Wiener Beislsterben, wie es auch vor dem renommierten 3. Bezirk nicht mehr Halt gemacht hatte, rückte der Gmoa Keller nun mehr auf und ich setze ihn aus heutiger Perspektive als meinen Wirtshausfavoriten für den Bezirk Landstraße. In dem Sinne möge er für mich noch lange als solcher weiterbestehen.
Der WrKFan
Hilfreich2Gefällt mir2Kommentieren