Heute hatte ich ein Restauranterlebnis der besonderen Art. Ich will es einmal „Willkommen in der Anderswelt!“ nennen.
Inmitten des wohl hässlichsten Straßenteils der Landgutgasse im 10. Wiener Gemeindebezirk, am wunderschönen Waldmüller-Park schon vorbei, mitten in grauer Betonwüste, vis á vi...Mehr anzeigenHeute hatte ich ein Restauranterlebnis der besonderen Art. Ich will es einmal „Willkommen in der Anderswelt!“ nennen.
Inmitten des wohl hässlichsten Straßenteils der Landgutgasse im 10. Wiener Gemeindebezirk, am wunderschönen Waldmüller-Park schon vorbei, mitten in grauer Betonwüste, vis á vis nur die Betonmauern des ÖBB-Geländes, auch nicht wirklich in bester Wohngegend hatte ich heute das „Aha“-Erlebnis. Seit mittlerweile Jahrzehnten fahre ich hier vorbei (Wohnung in Richtung Garten), oftmals dachte ich schon, bleib stehen, einfach ausprobieren, aber erst heute hatte ich den Mut dazu. Und der wurde mit der heutigen Erfahrung, „es kommt immer auf die inneren Werte an“, wieder einmal belohnt.
Nach Überwindung der Äußerlichkeiten trat ich in diese „Anderswelt“ ein. Vor mir eine wunderbar holzvertäfelte Schank, eine riesige Chinesische Vase und ein riesiger mir entgegenlächelnder Buddha. Ich war eigentlich noch beschäftigt, dem Buddha sein Bäuchlein zu streicheln, wie es eben sein muss, wurde ich auch schon herzlichst von der netten Kellnerin in Empfang genommen. Geleitet zu einem guten Vierer-Tisch verneinte ich beschämt, da ich ja nur alleine unterwegs war – da tut’s ein zweier-Tisch wohl auch.
Die „Anderswelt“, die draußen noch so grau in grau schien, nach einem billigen Lokal anmutete, war nun eine wohlig warme Umgebung in dunklem Holz (ich glaube das gesamte Lokal war holzvertäfelt) gehalten, die einem zum Verweilen förmlich zwang. Man fühlte sich sofort willkommen und herzlich zu einem Essen eingeladen. Ab jetzt vergaß ich die graue Welt vor dem Lokal, denn es war mir unvorstellbar, dass diese dort überhaupt so grau sein könnte und tauchte nur mehr in die „Anderswelt“ ein.
Ja, es gibt hier auch ein fast schon sensationell günstiges Mittagsbuffet „All you can eat“ (EUR 6,50 Mo-Sa und EUR 8,50 So & Feiertag), aber das interessierte mich überhaupt nicht mehr – ich wollte Speisen aus der tiefsten „Anderswelt“. Dass das Buffet die üblichen Verdächtigen samt einem kleinen Sushi & Maki-Angebot bot, sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt. Es stach keine Buffetspeise für mich jetzt als Besonderheit heraus, wiewohl ich mir ab heute sicher bin, die schmecken alle bestimmt sehr gut.
Beim Blick in die üppige Speisekarte der „Anderswelt“ bemerkte ich sofort, dass hier der Anteil der „Gebackenen Hauptspeisen“ mehr als selten zu finden ist, bisweilen kaum zu finden. Das klang mir doch nach einer gewissen Authentizität, nach einem Gespräch mit der Kellnerin UND dem Koch, der extra aus der Küche kam, war es klar. Es wird hier versucht, möglichst „Original Chinesisch zu kochen“ und daher gibt es auch kaum Gebackenes! Am Buffet war das nicht so – aber „À la carte“ eben schon.
Bemerkenswert auch die Spezialitäten aus dem Tontopf (z.B. „Green Curry Hühnertopf“, „Tofu Topf mit Glasnudeln“ oder „“Tofu nach Art des Hauses“) oder von der heißen Rostplatte („Tofu mit Gemüsen am Rost“, Boef am Rost“, „Garnelen am Rost“ oder die „Wan Tan mit drei Sorten Fleisch“). Auch kommen hier zahlreiche Speisen frisch aus dem Wok (z.B. „Yu Xiang Schweinefleisch mit Sojasprossen und Gemüsen“, „Jin Xiang Ru Yi (mit Cashew-Nüssen und Gemüsen)“ oder die geräucherte „Ente à la Wok mit Porree & Gemüsen)“.
Nun aber zu meinen Speisen:
Vorspeise: „Gebackene Hühnerleber mit Sauce“ (EUR 3,50) – sehr krosser Backteig und brennheiß serviert, die Leber zerschmolz beinahe auf der Zunge (wie bei einem Hühnerleber-Parfait) – ein Gedicht, bis auf die Sauce. Es war die, alles zu seiner Zeit, süß -scharfe Chilisauce aus der Flasche, die zur Leber aber absolut nicht passte. Nachdem ich das gleich kundgetan hatte und auf eine Soja-Knoblauchsauce bestand, noch gefragt ob heiß oder kalt, wurde mir diese sofort nach meinen Wünschen brennheiß und frisch gemacht serviert. Genau diese Sauce war es, die vorzüglich dazu passte. Ich gab noch die Empfehlung, dies bitte auch in Zukunft immer mit dieser Sauce zu servieren. Also, immer vorher fragen, und eventuell umbestellen was hier nicht nur kein Problem ist, sondern in diesem Fall auch nicht in Rechnung gestellt wurde! Daher ein SEHR GUT in Summe.
Als Hauptspeise hatte ich das „Gan Ben-Rind mit Karotten & Porree“ (EUR 8,00, manchmal auch „Gan Bien“, „Gan Ban“, „Gan Bian“ oder „Gan Bao“, etc.) – hier eben NICHT im Backteig sondern im Wok gebraten. Die Kunst wäre es, das Fleisch ohne Backteig kross zu braten, was hier zwar leider nicht gelang, dem Geschmack allerdings keinen Abbruch tat. Beste Fleischqualität, sehr knackiges Gemüse, für mich persönlich, trotz Nachfrage, zu wenig scharf. Aber die hier sehr stilvolle Menage am Tisch rettet ja die Schärfe locker…Ein ehrliches GUT, aber eben kein SEHR GUT. Die Portion Reis kostet übrigens EUR 1,00.
Dazu ein frisch gezapftes und wohl temperiertes Zipfer vom Fass zu gutem Preis (EUR 3,50 für das Krügerl und EUR 2,80 für das Seidel) und der Durst war gestillt. Die Bedienung ist irrsinnig freundlich und sieht immer nach, ob man etwas benötigt, Sonderwünsche werden prompt erfüllt. Auch mit dem Koch kann man bei Bedarf quatschen oder nachfragen. Ja, es gibt hier auch die Warmhalteplatten und beim Bezahlen den berühmten Pflaumenwein, was aber in diesem Ambiente absolut nicht überrascht.
Was mich persönlich störte war, dass ein hauseigner Hund (ein kleiner, super-süßer Shih Tzu) durchs Lokal läuft. Ich liebe Tiere aller Art, aber nicht unbedingt im Lokal und auch der kleine Wau-Wau kann einmal nach einem Kind schnappen. Das muss nicht sein – auch aus hygienischer Sicht. Zweites Thema war, dass die Sanitäranlagen zwar sauber sind, aber mit dem restlichen Ambiente absolut nicht mithalten können. Leider gibt es auch keine eigen Homepage um sich Gusto zu holen, was heutzutage eigentlich kein Thema mehr sein dürfte.
Es gibt einen Bestell-/Zustellservice (z.B. über „willessen.at“ etc.) und es werden alle Kreditkarten akzeptiert. Auch einen eigenen Raucherbereich, der heute komplett finster war, weil unbesetzt, gibt es hier. Und der ist nicht unattraktiver gestaltet, wie oft anderswo. Die Öffnungszeiten sind sehr familienfreundlich.
Fazit: ich empfehle das Lokal wirklich jedem/r, taucht einfach ein in die „Anderswelt“ und vergesst, was draußen war. Die Karte bietet eine sehr schöne Vielfalt und das Ambiente gefällt ungemein. Es ist auch absolut stimmig und nicht mit Kitsch überladen. Es ist hier durch die Bank billig aber eben auch günstig, weil das Preis-Leistungsverhältnis so sehr passt. Auch Vegetarier haben hier eine sehr akzeptable Auswahl. Zu beachten ist noch, dass hier leicht, aber doch (ich bin DER Indikator dafür), mit Glutamat gekocht wird. Es machte mir aber in dieser Dosis absolut kein Problem, aber ich merkte es. Auch hier wieder sei Paracelsus erwähnt: „Allein die Menge macht das Gift!“ Es ist kein Haubenlokal, und genau in diesem Rahmen bewerte ich dieses Restaurant. Aber ich empfehle es mit ruhigem Gewissen. Es gibt viele Speisen zu „erobern“, die man so sonst nicht bekommt. Und ich teile diese „Anderswelt“ – Erfahrung gerne mit dem Forum!
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Diese "Bewertung" veranlasst mich sofort dorthin zu fahren und nr. 2 + Nr. 78 zu bestellen