Das mit den „aiola“-Lokalen (derzeit aiola upstairs und aiola im Schloss St. Veit) bekannt gewordene Grazer Gastronomen-Paar Judith und Gerald Schwarz hat nun auch die beiden traditionellen Grazer Lokale Landhauskeller und Cafe Promenade unter ihre Fittiche genommen, letzteres gemeinsam mit Simon...Mehr anzeigenDas mit den „aiola“-Lokalen (derzeit aiola upstairs und aiola im Schloss St. Veit) bekannt gewordene Grazer Gastronomen-Paar Judith und Gerald Schwarz hat nun auch die beiden traditionellen Grazer Lokale Landhauskeller und Cafe Promenade unter ihre Fittiche genommen, letzteres gemeinsam mit Simon Possegger, der im „Promenade“ auch als Geschäftsführer fungiert.
Das „Cafe Promenade“ gibt es schon seit zig Jahren. Das Gebäude selbst mit seinen prägnanten dorischen Säulen gibt es schon seit 1837 und diente seinerzeit als Wachhaus für das nahe gelegene geschichtsträchtige Burgtor. Als
„Cafe Promenade“ hat das Gebäude schon etliche Pächter bzw Eigentümer gesehen. Es wurde innen wiederholt umgebaut, die schöne äußere Ansicht blieb aber stets erhalten.
Die neuen Betreiber haben das Lokal komplett neu gestaltet und im Februar 2015 eröffnet. Am markantesten ist die direkt gegenüber dem Eingang gelegene neue gut 15 m lange goldbraun schimmernde Theke, die an der Vorderseite aussieht wie ein bodenlanges wehendes Tischtuch. Dieses „Tischtuch“ besteht aus Styropor, welches so lange gespachtelt wurde, bis es hart wurde. Besonders auffällig auch die großen bunten Bilder an der Wand hinter der Theke. Da blühen überdimensionale Lilien, dazwischen fliegen tropische Vögel und eine Raubkatze schaut ins Lokal. Gut gemacht, wenngleich etwas gewöhnungsbedürftig. Aber große Bilder hat’s ja auch schon im früheren Cafe Promenade gegeben.
Die Fliesen am Boden sollen ein Portrait von Anita Ekberg ergeben. Trotz mehrfacher Betrachtung des Bodens von verschiedenen Seiten konnte ich das Prtrait noch nicht nachvollziehen. Ich denke, da müsste ich wohl einmal am Abend kommen, vielleicht erkenne ich dann nach einigen Cocktails die Anita Ekberg am Boden.
Ungeachtet aller Neuerungen hat das Lokal im Großen und Ganzen seinen Charakter als „Cafe“ behalten. Für die echten „Cafe-Geher“ gibt es auch ein ordentliches Zeitungs- und Zeitschriftenangebot. Durch die große raumhohe Verglasung zwischen den Säulen kommt viel Licht in das Lokal, welches insgesamt hell und freundlich wirkt. Beim Mobiliar dominieren die Farben dunkelgrün, braun und grau. Besonders gemütlich und beliebt sind natürlich die Sitzecken direkt bei den großen Fenstern.
Vor dem Lokal gibt es eine Gastgarten-Tischreihe und Richtung Stadtpark gibt es den großen Gastgarten. Dort hat man das Geländer entfernt und so geschickt einen offenen Bereich zum Stadtgarten hin geschaffen. Auf dem Mauersockel hat man zusätzlich gepolsterte Sitzgelegenheiten errichtet, sodass die Gäste sich hier recht ungezwungen im Stehen und Sitzen unterhalten und den Tag genießen können.
Ich war bisher (teilweise alleine, teilweise in Begleitung) etwa 15x im „neuen“ Promenade, ein paar Mal am Vormittag, meistens aber über die Mittagszeit und 1x auch am Abend. Und einmal war ich auch bei einer Sponsionsfeier eingeladen, bei welcher wohl alle Tapas, die es in der Speisekarte gibt, der Reihe nach serviert wurden.
Das Lokal wurde bisher vom Publikum sehr gut angenommen, es ist zu jeder Tageszeit gut besucht. Weshalb man am Vormittag erst um 9.00 Uhr aufsperrt, ist mir nicht ganz verständlich, wenn man berücksichtigt, dass es in der Nähe zahlreiche Büros (zB auch von der Landesregierung) gibt. Für ein Frühstück vor Bürobeginn geht es sich nicht aus. Das ist schade, weil es gute Frühstücksklassiker wie Ham+ Eggs und Rühreier mit verschiedenen Zutaten gibt. Der eigentliche Küchenbetrieb mit den vielen Tapas startet um 12.00 Uhr, wobei bis 23.00 Uhr gekocht wird.
Am Abend verwandelt sich das Lokal zu einem Hotspot mit lauter Musik. Ursprünglich wollte man ja auch im Gastgarten bis 4.00 Uhr in der Früh Musik spielen, was freilich nicht möglich war. Das Konzept, am Vormittag Cafe und Frühstück, zu Mittag Restaurant, am Nachmittag wieder Cafe und am Abend Szene-Lokal scheint bisher aufzugehen.
Nun zu einigen Speisen:
Das Ham + Eggs mit 2 Eiern (€ 4,60) wird in der Speisekarte „mit viel Schinken“ angeboten. Tatsächlich wird das Ham + Eggs mit viel (Bein-) Schinken geliefert, aber auf einem zu kleinen Teller. Mit einer Semmel kommt das Ham+Eggs zwar auf immerhin € 5,60, aufgrund der ordentlichen Portion scheint der Preis aber nicht überteuert. Das Gericht schmeckt gut, das Spiegelei ist richtig „am Punkt“, der Schinken könnte etwas magerer sein.
Auch das Rührei mit Schinken und Bergkäse (€ 4,40) kommt mit einer ordentlichen Portion auf den Tisch. Es ist geschmacklich gut zubereitet, aber wieder könnte der Schinken etwas magerer sein. Zunächst vermisse ich optisch den Bergkäse, stelle dann aber fest, dass der Käse mit dem Rührei zubereitet wurde und dem Rührei so zu einem ganz eigenen feinen Geschmack verholfen hat.
Bei der von mir erwähnten Sponsionsfeier wurden der Reihe nach viele Tapas in kleinen runden Schalen serviert. Ich gehe davon aus, dass die Tapas, die uns serviert wurden, mit den auf der Speisekarte angebotenen Tapas ident sind, kann dies aber nicht für alle Tapas bestätigen. Beim Servieren der Tapas wurde immer gesagt, was gerade serviert wird (einige wenige Male musste ich schon nachfragen). Ich habe die Fotos von den Tapas so beschriftet, wie sie vom Kellner oder der Kellnerin beim Servieren bezeichnet wurden.
.Ich vermute, dass man bei den Tapas lange getüftelt hat, welche Tapas man macht und wie man sie so zubereitet, dass sie mit konstant guter Qualität serviert werden können. Die diversen Tapas waren allesamt gut bis sehr gut mit Ausnahme des gegrillten Octopus, der geschmacklich nicht überzeugte, in der Konsistenz zu gummiähnlich war und auch optisch lieblos serviert wurde.
Der fein-scharfe Chili-Shrimps-Salat mit Koriander (€ 6,90) schmeckt gut, wenngleich ich davon ausgehe, dass es sich beim grünen Kräuterl um keinen Koriander handelt sondern um Kresse.
Schweinsbackerl auf Kartoffelpüree (€ 4,90):
Das Kartoffelpuree ist raffiniert gewürzt und hat einen hervorragenden leicht süsslichen Geschmack. Wir rätseln, welches Gewürz für diesen Geschmack verantwortlich ist und kommen zum Ergebnis, dass es aufgrund der leicht orangen Farbe und des Marillengeschmacks das Kaki-Gewürz sein müsste. Das Schweinsbackerl selbst war von guter Qualität und sehr gut geschmort. Etwas mehr Gewürz mit gemahlenen Kümmel oder Knoblauch hätte aber nicht geschadet.
Der Bulgursalat mit Gemüse schmeckt wie guter Naturreis und hat eine interessante leicht nussige Geschmacksnote.
Das „Spieße-Allerlei“ besteht aus mehreren Spießen mit verschiedener „Befüllung“, darunter auch dem in der Karte angebotenen „Schweinsfilet mit rotem Zwiebel, Speck, Paprika und Würstel (€4,90). Für den Hunger in Ordnung, für einen echten Genuss aber nicht gut genug.
Bei der vom Kellner so bezeichneten „Barbecue Hühnerkeule“ dürfte es sich um die in der Karte enthaltene „Hendlkeule mit Zwiebelherzen und Paprika, mit Sesam lackiert“ (€ 4,90) handeln. Gut gebraten und gut gewürzt, gute Qualität und gut im Geschmack.
Die Frühlingsrollen schauen zwar optisch gar nicht schön aus, schmecken aber außerordentlich gut.
Der Bohnen-Tomatensalat (€ 3,90) ist gut, aber nicht aufregend.
Das Backhenderl ist leider eine Vorgabe, die Panier ist viel zu hart. Dafür ist der Kartoffelsalat frisch und sehr gut und auch gut mariniert.
Die potato wedges sind hervorragend, außen leicht knusprig und innen weich und g’schmackig.
Der „Promenade Salat mit Weizer Schafskäse im Prosciuttomantel“ (€ 9,50) wird mit Endiviensalat, Brotchips, 2 Feigenhälften, Oliven und Granatäpfelkernen serviert. Für mich eine etwas merkwürdige und nicht wirklich passende „Mischung“, die auch geschmacklich nicht das bringt, was man sich erwartet oder erhofft.
Der „Cremige Burrata mit Ruccola, sonnengetrockneten Tomaten, Pesto genovese“ (€ 9,50) ist geschmacklich eher enttäuschend, der buratta nicht wirklich weich und schon gar nicht „cremig“ wie auf der Karte beschrieben.
Die Vanille-Topfencreme auf Erdbeer-Rhabarbermousse ist nicht nach meinem Geschmack, weil man das Vanillepulver zu stark herausschmeckt.
Was die Qualität des Essens anbelangt, könnte man etwas verallgemeinernd festhalten, dass die Tapas besser sind als das übrige Speisen-Angebot. Die Tapas sind es jedenfalls wert, durchgekostet zu werden. Sie bleiben auch preislich im angemessenen Rahmen. Die Speisen könnten insgesamt optisch etwas liebevoller präsentiert werden.
Mit dem Service habe ich bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Die – überwiegend recht jungen - Damen und Herren des Personals sind durchwegs freundlich und wohl auch auf Freundlichkeit geschult. Man muss nie lange warten und es wird auch immer gefragt, ob wohl alles gepasst hat. Ich habe es einmal sogar erlebt, dass das Wasser nachgeschenkt wurde, welches mir zum Kaffee gereicht wurde. Das Besteck kommt sehr appetitlich in einer festen Hülle mit einer ordentlichen Serviette auf den Tisch. Lediglich bei der Sponsionsfeier war das Personal überfordert, das Körberl war fast immer leer und die Teller wurden immer nur nach Aufforderung gegen frische ausgetauscht.
Für eine private Feier wie ein Geburtstags- oder Sponsionsfest eignet sich das Promenade nicht. Es war zwar für die Sponsionsfeier der große rechte Gastraum reserviert, die Feier war aber immer wieder dadurch gestört, dass andere Gäste von der Terrasse durch diesen Raum (zB auf die Toilette oder zur Theke und wieder zurück) gegangen sind. Außerdem gibt es keine Abtrennung für diesen Raum, weshalb sich wiederholt auch andere Gäste in diesem Gastraum aufgehalten haben.
Abschließend stellt sich noch die Frage, weshalb das Lokal „Cafe Promenade“ (oder auch nur „Promenade“) heißt. Eine „Promenade“ ist ja nur ein anderes Wort für „Spaziergang“. Man könnte meinen, dass man dem Lokal deshalb diesen Namen gegeben hat, weil es sich hier in Stadtpark-Nähe schön Promenieren und Flanieren lässt. Ich denke jedoch, dass dieser Name mit dem früheren Straßenbezeichnung zusammenhängt: Ich habe in meinem fundus eine alte colorierte Ansichtskarte gefunden, aus der zu entnehmen ist, dass die Erzherzog-Johann-Allee früher „Erzherzog-Johann-Promenade“ hieß (siehe Foto).
Zum Fazit: Das „Cafe Promenade“ hat sich unter der neuen Führung zu einem vielseitigen Lokal gewandelt, ist aber im Kern ein Cafe geblieben. Das Essen ist in Ordnung, wobei ich aber primär die diversen Tapas empfehlen würde, die es ab 12.00 Uhr gibt. Das Kaffee-Angebot ist gut, das Mehlspeisen-Angebot etwas dürftig. Das Personal ist sehr aufmerksam und freundlich. Insgesamt ist das neue „Promenade“ sicher eine Bereicherung für die Grazer Gastronomie.
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