Nicht ganz sechs Monate ist es nun schon her, seit der Eröffnung des Restaurant Aiola im Schloss im Norden von Graz - höchste Zeit für einen Lokalaugenschein. Der Sonntag scheint ein idealer Tag zu sein, um den Plan in die Tat umzusetzen, wie immer reservieren wir einige Tage vorher telefonisch. ...Mehr anzeigenNicht ganz sechs Monate ist es nun schon her, seit der Eröffnung des Restaurant Aiola im Schloss im Norden von Graz - höchste Zeit für einen Lokalaugenschein. Der Sonntag scheint ein idealer Tag zu sein, um den Plan in die Tat umzusetzen, wie immer reservieren wir einige Tage vorher telefonisch. Das Gespräch verläuft professionell und sympathisch, wir sind gespannt.
Das Schloss präsentiert sich bereits aus der Entfernung herrschaftlich in direkter Nachbarschaft zum Golfplatz. Über einen kleinen Torbogen erreicht man den gekiesten großen Parkplatz, von dem aus zwei geschmiedete Bögen über sehr rustikale Stufen jeweils zum Schloss und zum Restaurant führen. Im Winter möchte ich hier lieber nicht gehen müssen und Damen mit hohen Schuhen werden sich auch recht herzlich bedanken.
Am Ende des Steiges angekommen präsentiert sich ein sehr schöner Vorplatz mit einigen Sitzbänken, der wahrscheinlich erst in der warmen Jahreszeit seine wahre Pracht preisgibt. Etwas zurückversetzt liegt ein flacher, moderner Bau mit großen Glasfronten, in dem sich das Restaurant befindet, im selbst Schloss finden Hochzeiten, Tagungen und andere Veranstaltungen statt.
Das moderne Design setzt sich im Eingangsbereich fort, rechts liegt direkt die SB Garderobe als eigener Raum, dahinter die Toilettanlagen. Links durch eine weitere Glastüre betritt man den Bereich mit der Bar – am Ende der Theke wartet das Buch mit den Reservierungen, rundum stehen mehrere Servicedamen und -herren.
Artig stellen wir uns an, wobei die Schlange lediglich aus uns selbst besteht – wirklich Notiz nimmt man von uns weder rasch, noch freundlich. Erst mein Grüß Gott scheint Leben in die Gruppe zu bringen und man bemüht sich, meine Reservierung zu finden. Fr. bluesky und ich tauschen einen ersten skeptischen Blick aus.
Eine der durch die Bank attraktiven jungen Damen geleitet uns an den für uns vorgesehenen Hochtisch in einer kleinen Nische an der Wand mit gutem Ausblick ins Lokal. Die Karte wird uns gebracht, auf Nachfrage bekommen wir sogar die Weinkarte.
Schon bei der "Vorbereitung" online ist mir die Speisekarte aufgefallen, die betont gehobene Wirtshausküche bereithält und irgendwie im Widerspruch zum Ambiente steht – der Eindruck schwächt sich auch life und vorort nicht ab, ist aber wohl bewusst so gewollt.
Unser Tisch ist nett eingedeckt, das Ambiente ist sehr gelungen und absolut hochwertig. Man hat wirklich versucht eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, mit dem dunklen Holz und den warmen Farben ist das sehr gut gelungen.
Wir bekommen unsere bestellten Achterl Wein, der Weißburgunder Sabathi (Euro 4) und der gelbe Muskateller Eichenberg vom Weingut Scheucher (Euro 4,20) sind beide optimal gekühlt und sehr gut, wofür die eingedeckten Weingläser am Tisch stehen eröffnet sich uns nicht. Wasser müssen wir extra ordern, eine Flasche Leitungswasser wird ohne Verrechnung eingestellt. Kurz danach wird das Gedeck (Euro 2,50) serviert, vorneweg wurden wir gefragt, ob wir es möchten.
Die Butter kommt in einem kleinen Schüsserl und ist leider sehr hart, die dreierlei Sorten Brot sind belanglos. Wir halten uns nicht lange auf, denn die Vorspeisen kommen sehr rasch.
Kräftige Tafelspitzsuppe mit 3-erlei Einlage (Euro 4,20). Geschmacklich ist die Suppe ok, wird aber dem Attribut kräftig nicht ganz gerecht. Die dreierlei Einlage besteht aus einem sehr weichen Grießnockerl, einem Stück Lungenstrudel, der geschmacklich sehr gut ist und reichlich weicher Frittaten. Dazu gibt’s einige Scheiben Wurzelgemüse, ein solider, aber nicht berauschender Auftakt.
Pastinakencremesuppe mit Schwarzbrotkrusteln und Maroni (Euro 5,80): Auf den ersten Blick eine gute Wahl kommt die Enttäuschung bei Fr. bluesky rasch: die Suppe ist extrem dicklich und sehr stark gewürzt. Einige ganze Maroni grundeln am Boden, die Schwarzbrotwürferln sind sehr hart, weichen aber zum Glück in der Suppe auf. Ich zeige mich als Gentleman und wir tauschen die Gerichte untereinander.
Das Lokal ist sehr gut gebucht, die Gästestruktur ist relativ bunt zusammengemischt, wobei der Anteil an "Promis" bzw. Adabeis etwas höher als normal ist. Auffallend sind die vielen größeren Familienrunden.
Für die Hauptspeise wünschen wir uns einen passenden Wein, erst als der serviert wird, nimmt man auch die ursprünglich eingedeckten leeren Gläser mit. Wir trinken einen angenehm leichten aiola Cuvee rot Heideboden (Euro 4), der wohl für das Haus hergestellt wird, Fr. bluesky ist zufrieden. Mein Cabernet Sauvignon vom Scheiblhofer (Euro 4,40) hat wie erwartet etwas mehr Substanz.
Das Service besteht ausschließlich aus jungen Damen und Herren, die einheitlich schwarz weiß gekleidet und mit feschem Schürzerl ausgerüstet sind. Man wird den Eindruck nicht ganz los, dass optische Kriterien bei der Personalauswahl eine große Rolle spielen – für mich als Gast ist das ok, wenn damit fachlich keine Abstriche einhergehen. Generell fällt auf, dass viel Personal anwesend ist, es wirkt allerdings ein wenig unkoordiniert und des Öfteren kann man es bei kleinen Plauscherln hinter der Bar beobachten.
Rosa Hirschrücken und Butterschnitzel vom Hirschkalb auf Rotkraut, mit schwarzer Nuss und Serviettenknödel (Euro 22,50). Wir sind erst mal erschlagen von der riesigen Portion. Das Rotkraut schmeckt sehr fruchtig und hat noch leichten Biss, schade, dass es mit so viel Saft serviert wird. Der Serviettenknödel kommt ein wenig trocken daher, ist geschmacklich aber gut.
Das Butterschnitzerl wirkt völlig deplatziert, wir fragen uns, warum es überhaupt Teil des Gerichtes ist. Geschmacklich kann es nicht überzeugen, ist heillos überwürzt, in der schlecht abgemischten Masse finden sich extrem große Semmelstücke wieder. Der Hirsch ist teilweise zart, ein Stück dafür sehr zäh und bleibt ebenso wie der Großteil vom Butterschnitzerl am Teller zurück.
Steak vom Alpenrind mit Ofengemüse und Speckerdäpfel (Euro 28). Es findet sich weder eine Angabe zur Fleischqualität, noch zum Gewicht in der Karte, aber ich habe Glück und bekomme ein Filet serviert. Es wird wohl weit weniger als 200g haben, kommt aber so wie bestellt medium. Die Fleischqualität ist gut, auch bei diesem Gericht findet sich sehr viel Beilage. Das Ofengemüse ist sehr geschmackvoll, vielleicht mit etwas zu viel Öl versetzt, die Speckkartoffeln sind simpel gemacht, aber mein Highlight. Das großzügig bemessene Safterl ist intensiv im Geschmack und passt perfekt.
Abserviert wird mit der üblichen Nachfrage, wir bekommen nochmal die Speisekarten, um das Dessertangebot zu prüfen. Es ist sicher nicht der Hunger, der uns noch etwas bestellen lässt, eher der Gusto nach etwas Süßem.
Haustorte "Schoko-Nuss" (Euro 3,80). Das Riesenstück Torte ist lt. Karte glutenfrei, geschmacklich gut, aber sehr gehaltvoll. Unter der Marmeladeschicht ist es etwas stichfest, eine Portion Schlag wäre sinnvoll, ein kleineres Stück mehr als ausreichend.
Sorbet des Tages mit aiola Secco (Euro 6,50). Serviert wird ein kleines Glas mit zwei Kugerln Sorbet, am Tisch wird mit Prosecco aufgefüllt. Geschmacklich ist Fr. bluesky nicht ganz so begeistert, eine sämige Variante wäre ihr lieber gewesen.
Wir sind endgültig mehr als satt und beschließen noch einen kleinen Spaziergang zu machen, davor wird die Rechnung geordert.
Die knapp über 90 Euro sind am ehesten von den Portionsgrößen her gerechtfertigt, geschmacklich besteht einiges an Luft nach oben. Wenn wir uns etwas wünschen dürften, dann wären das wohl kleinere Portionen, die dafür etwas feiner und raffinierter. Wir brechen auf und werden nur sehr verhalten verabschiedet, vielleicht gehört das ja auch zum Konzept.
Zum Fazit: Das Ambiente ist sehenswert und vorweggenommen das Highlight bei unserem Besuch. Es wurden hochwertige Materialien in modernem Design eingesetzt. Das Service war optisch ansehnlich, großteils aufmerksam aber nicht ganz souverän und nur wenig herzlich. Die von uns gegessenen Speisen waren eher von durchwachsener Qualität. Die Suppen bleiben in keiner guten Erinnerung, wobei die Tafelspitzsuppe noch besser abgeschnitten hat, als die Pastinakensauce. Die Hauptgerichte waren optisch nett angerichtet, von der Portion her viel zu großzügig dimensioniert. Geschmacklich waren sie ok, so richtig begeistert hat uns keine der Speisen. Vielleicht haben wir das Konzept einfach noch nicht verstanden und wir sollten uns eher an die einfachen Gerichte halten. Diesmal sind unsere Erwartungen leider nicht erfüllt worden, bis zum nächsten Besuch wird etwas Zeit vergehen.
Hilfreich18Gefällt mir13Kommentieren
Beim "großen Minuspunkt" (Brot und Aufstrich) wird es sich vermutlich um die Kosten für das "Gedeck" gehandelt haben. In Italien ist es schon seit Jahrzehnten üblich, dass für das "coperto" etwas verlangt wird. Damit sollen die Kosten für die Zurverfügungstellung von Tisch, Besteck, Teller, Gläser usw abgedeckt werden. Was genau oder was alles damit abgedeckt werden soll, weiß freilich niemand. Diese "Übung" soll aus der Zeit stammen, wo man sich in Herbergen das Essen mitbrachte und für Sitzplatz und Besteck eine Gebühr bezahlt hat. Das "Stoppelgeld" (auch "Korkengeld" genannt), das man für mitgebrachte Getränke (meist Weine) in der Gastronomie bezahlt hat, war bei uns schon immer bekannt. Nunmehr wird es auch bei uns immer mehr üblich, dass auch für das "Gedeck" etwas extra verrechnet wird, vor allem in der gehobeneren Gastronomie. Dafür bekommt man meist ein Gebäck mit irgendwelchen Aufstrichen. In der Regel kann man der Speisekarte entnehmen, dass für das Gedeck etwas extra verrechnet wird.