Kann man in Wien eigentlich gute, bulgarische Küche finden? Man kann, durchaus.
Ich bin ja, obwohl born & raised in Wien, quasi halber Wahlbulgare. Ich spreche die Sprache fließend, hab vor langer Zeit einige Jahre in Sofia geschäftlich zu tun gehabt und das Wichtigste: die Liebste ist, obwoh...Mehr anzeigenKann man in Wien eigentlich gute, bulgarische Küche finden? Man kann, durchaus.
Ich bin ja, obwohl born & raised in Wien, quasi halber Wahlbulgare. Ich spreche die Sprache fließend, hab vor langer Zeit einige Jahre in Sofia geschäftlich zu tun gehabt und das Wichtigste: die Liebste ist, obwohl seit nunmehr 27 Jahren in Wien zu Hause, gebürtige Sofioterin.
Das bedeutet natürlich, ein Teil meiner Familie und meines Freundeskreises findet sich nach wie vor in Bulgarien und ich nehme mir heraus zu behaupten, die bulgarische Küche wirklich gut zu kennen (und auch zu schätzen).
Bulgarien hat ein bisschen das Handicap, dass der Durchschnittsösterreicher außer „Sofia“ und „die Schwarzmeerküste“ wenig mit dem Land anzufangen vermag. Schade eigentlich, hat dieses Land doch einiges mehr zu bieten, speziell kulinarisch. Gut, die Schwarzmeerküste ist jetzt nicht unbedingt der Brüller, hoffnungslos mit Hotels zugepflastert, es stimmen weder Preis noch Leistung, geschweige denn das Verhältnis zueinander.
Aber im Landesinneren, im Gebirge, in den Vororten der Hauptstadt, oder auch im Zentrum Sofias, dort finden sich jede Menge Highlights. Unberührte Landschaft, nette Dörfer, freundliche, unglaublich gastfreundliche Menschen und eine wirklich ansprechende Küche. Unvergleichliche Tomaten (so sagt man, ich kann dies leider nicht bestätigen, ich kann rohe Tomaten auf den Tod nicht ausstehen), Lamm vom Feinsten (ich esse Lamm grundsätzlich nur in Bulgarien), gute Schnäpse (das Nationalgetränk des Landes), feine Gerichte.
Auf Grund der bewegten Geschichte des Landes (200 Jahre griechische Herrschaft, 500 Jahre türkische Herrschaft) wurde die Küche natürlich von den jeweiligen Herrschaftsländern nachhaltig beeinflusst. Vieles, das man auf diversen Speisekarten bulgarischer Restaurants findet, erinnert an türkische/griechische Küche, hat aber einen bulgarischen „footprint“. Mussaka: für mich ist die bulgarische Variante besser als das griechische Äquivalent. Shopska Salata: wie griechischer Bauernsalat, aber der Schafkäse ist nicht in Würfeln, sondern über den Salat gerieben. Besser, feiner.
Gegrilltes, diverse Eintöpfe, und natürlich jede Menge Salate. In Bulgarien ist es üblich, vor dem Essen einen Salat in Begleitung eines Schnapses (vorwiegend Weintraube) zu nehmen, die Damenportion beträgt 5 cl, die Herren nehmen die erwachsene Portion von 10 cl, also quasi fast ein Achterl. Muss man aber probiert haben. Ein gutes bulgarisches Restaurant hat auf der Karte mindestens 10 Schnäpse, die meisten davon wirklich erstklassig, mild und geschmackvoll.
Nun zu den bulgarischen Restaurants in Wien. Früher gab’s einmal das „Pleven“ in der Kohlgasse im 5. Bezirk, einer Seitengasse der Reinprechtsdorfer, seit zwei Jahren firmiert das Lokal unter neuen Besitzern als „Sofia“. Und dieses Lokal wollten wir heute einmal ausprobieren.
Das Schlechte vorab:
Der Außenauftritt des Lokals ist – furchtbar. Bilder der Speisen auf Tafeln an der Hauswand, eine Milchglasscheibe als Eingangstür, auf der groß „WiFi“ prangt, sonst wenig. Keine Gemütlichkeit, keine Signatur, die auch nur annähernd ahnen ließe, dass sich hinter der Eingangstür ein nettes, gemütliches, gutes Lokal befindet. Man sollte dies überdenken. Ein bisschen Holz auf der Fassade, ein freundlicheres, einladendes Schild, eine Tür, die erlaubt, das durchaus ansprechende Innere des Lokals wahrzunehmen. So, wie es zur Zeit ist, wage ich zu behaupten, dass kein Österreicher, der das Lokal nicht kennt, in Versuchung käme, das Restaurant zu betreten. Vielleicht will man ja auch unter sich bleiben, ich weiß es nicht.
Die Begrüßung erfolgt freundlich durch eine bulgarische Kellnerin, wir können aus vielen freien Tischen wählen, gut, es ist a) Sonntag und b) jenseits jeder prime time, das „Sofia“ hat durchgehend geöffnet und es ist mittlerer Nachmittag. Die Kellnerin liefert auch für den Rest des Nachmittags erstklassigen, höflichen und effizeinten Service, an dieser Stelle danke dafür, so viel Zeit muss sein.
Das Ambiente ist typisch bulgarisch, ohne zu aufdringlich kitschig zu sein. Sauber, gemütlich, es passt.
Es werden Speisekarten (in Holz gebunden) gereicht, traditionell bulgarisch sind es sehr große Karten, zu groß für meinen Geschmack. Aber so ist’s in Bulgarien, dort erwartet der Gast, mehr oder weniger alle bekannten Speisen auf der Karte zu finden, die Philosophie „klein, aber fein (und frisch)“ hat sich dort noch nicht durchgesetzt.
Wir eröffnen klassisch bulgarisch mit Salat und Schnaps. Die Liebste wählt einen Krautsalat mit Karotten, ich entscheide mich für den „Schneewittchen“ – Salat (Snezhanka), ein bulgarischer Klassiker, ein Salat aus Joghurt, Gurken und Nüssen. Den absoluten Klassiker, den „Shopska“ Salat (Gurken, Tomaten, Schafkäse darüber gerieben) lasse ich aus, jedes Mal, wenn ich diesen Salat in Bulgarien ohne die von mir verschmähten Tomaten bestelle, vermittelt man mir das Gefühl, ein Sakrileg zu begehen. Ich kann mich dann des Eindrucks nicht erwehren, der Koch könnte jeden Moment aus der Küche kommen, um mich zu vierteilen.
Die Schnapsbegleitung besteht aus einem großen und einem kleinen „Burgas 63“, meinem absoluten Lieblingsschnaps. Mild, - kein Grappa, ein echter Weintraubenbrand. Feine Sache.
Die weiteren Bestellungen:
„Misch-Masch“: Ein Klassiker der bulgarischen Küche, wenn auch mit unglücklich gewähltem Namen. Kein Österreicher wird dieses Gericht bestellen, wenn er/sie es nicht kennt, (wtf is „misch – masch?“), was natürlich schade ist. Eier, Tomaten, Paprika und Schafkäse werden in einer Pfanne kurz angebraten und verrührt, es ist von den Zutaten und vom Geschmack einem Omelette nicht unähnlich, nur eben nicht als Omelette geformt, sondern durchgerührt. Herrlich. Das „Misch-Masch“ im Sofia war eines der Highlights im „Sofia“ heute, herrlich saftig, würzig, - ich empfehle es zu 100%, trotz des nichtssagenden Namens.
„Tshushka bjurek“: mit Schafkäse gefüllte, panierte Paprika. Durchaus ok, wobei, die haben wir in Bulgarien, aber auch im Vorläufer des „Sofia“ schon besser gegessen. Hier fehlte ein bisschen der Feinschliff, die Würze.
„Ljuti tshushki“: eine Portion eingelegter, scharfer Pfefferoni. Hat mit den langen Pfefferoni, die man bei uns beim Würstelstand bekommt, genau nichts gemein. In Bulgarien Standard in guten Restaurants, handelt es sich hier um handverlesene, kleine, scharfe Pfefferoni, die in Dille, Essig, Öl, Knoblauch, Zucker (oder Honig) eingelegt und gelagert werden. Eine Genuss, richtige Schärfe, die durch Öl und leichte Süße abgefedert wird, ohne den „Kick“ ganz vermissen zu lassen.
Für mich musste es dann doch noch etwas gegrilltes sein, ich bestellte ein „Kjufte“ (faschiertes Laibchen), ein „nervjoznjo Kjufte“ (ein scharfes, „nervöses“, faschiertes Laibchen) und ein „kebabche“ (die bulgarische Variante des in Österreich gut bekannten „Cevapcici“).
Dazu in Scheiben geschnittene, gebratene (in diesem Fall tippe ich auf frittierte) Erdäpfel mit darüber geriebenen Schafkäse, eine in Bulgarien sehr beliebte Kombination, für mich eine „marriage made in heaven“, seit ich diese Beilage in Bulgarien gegessen habe, mag ich keine Pommes Frittes mehr ohne Schafkäse. Leider waren die Erdäpfel hier nicht der Matchwinner, auch hier ist Luft nach oben, z.B. in der Pfanne gemacht, mit ein wenig Knoblauch, ....
Die gegrillten „signature dishes“ der bulgarischen Küche sind gut, wobei hier durchaus noch Luft nach oben ist. Das „kebabche“ – (Cevapcici) ist saftig, geschmacklich sehr gut, aber etwas zu kompakt. Das habe ich beim Vorgänger des „Sofia“ saftiger und luftiger in Erinnerung, ebenso die Fleischlaibchen. Ein „nervöses“ Fleischlaibchen (ich finde diese Bezeichnung äußerst liebenswert) ist in Bulgarien normalerweise wirklich scharf, hier war es eine sehr brave, eher trockene Variante dieses sehr von mir geschätzten Gerichts. Das andere, nicht scharfe (oder nervöse) Fleischlaibchen war noch kompakter, eher fad und leider auch sehr trocken. Das geht wirklich besser.
Der Kaffee (auf Nachfrage kurz, sehr gut), ein „Lavazza“, war brav und mittelmäßig, kann aber mit einem echten, kräftigen und dicken Espresso mit einer seriösen Crema nicht mithalten. Auch hier sollte man noch nachschärfen.
Preislich bewegen wir uns im Sofia zwischen preiswert und eh normal. Der Service ist freundlich, aufmerksam und flink, das Ambiente passt, die Speisen waren, mit kleinen Abstrichen, durchaus gut. Fazit: wir werden wiederkommen, die Suppen (die bulgarische Hühnersuppe ist üblicherweise sehr gut, eine der Nationalspezialitäten ist die „Kuttelflecksuppe – Shkembe tshorba“, um die ich allerdings einen ähnlich weiten Bogen wie um Tomaten mache) bzw. andere Hauptgerichte (z.B. „Sirene po shopski“ – warmer Schafkäse in einer Tonschüssel“, diverse Eintöpfe und natürlich Lamm) wollen natürlich probiert werden.
All in all, ein sehr netter Nachmittag, danke dafür.
Meine Erwartungshaltung wurde weit übertroffen, obwohl der Eingangsbereich nicht gerade einladend wirkt. Das Lokal ist übrigens ein Nichtraucherlokal, für’s Zigaretterl dazwischen oder danach muss man vor die Tür, dort steht allerdings ein Aschenbecher bereit.
Es würde mich freuen, hier bald eine Bewertung von jemandem zu lesen, der ganz neutral und unbelastet an das Thema „bulgarische Küche“ herangeht. Bei der Liebsten und mir kommen natürlich immer gleich Vergleiche zu Restaurants, die wir in Sofia besucht haben, bei Gerichten, die meine Schwiegermutter für uns gekocht hat. Also: es möge sich ein Tester/eine Testerin finden, die dem „Sofia“ einen Besuch abstattet, Salat, Schnaps, Vor- , Haupt- und Nachspeisen testet und berichtet.
Can’t wait.
Hilfreich18Gefällt mir13Kommentieren
Ich weiß adn ;-) aber deine Liebste ist da sicher kompetenter. Ich denke die Italiener reagieren auch auf Hollandtomaten allergisch, nicht nur auf schlechten Espresso. Es gibt wohl keine andere Küche, als die italienische die so sehr auf Tomaten aufbaut. Danke für die Tipps von den Märkten, aber dort komme ich selten hin. Ich glaub am Meidlinger Markt gibts keinen Bulgaren. Ich kenn nur ein rumänisches Geschäft.