Wie kann jemand, der Tomaten hasst, in ein Lokal gehen, das genau so heißt?
Moment – ganz so schlimm ist es nicht. Sicher, was ich wirklich gar nicht mag: ein grüner Salat mit Tomatenscheiben drauf, die, wenn man sie erst entfernt, Tomatenschleim mit Kernen auf den Salatblättern zurücklassen. ...Mehr anzeigenWie kann jemand, der Tomaten hasst, in ein Lokal gehen, das genau so heißt?
Moment – ganz so schlimm ist es nicht. Sicher, was ich wirklich gar nicht mag: ein grüner Salat mit Tomatenscheiben drauf, die, wenn man sie erst entfernt, Tomatenschleim mit Kernen auf den Salatblättern zurücklassen. *wurgs*
Aber sobald das edle Nachtschattengewächs püriert oder gekocht wird, sieht die Sache schon ganz anders aus. Aroma und Konsistenz sind nicht mehr mit dem Urzustand der großen, roten Kartoffelcousine vergleichbar.
Bei Signor Giovannis Kleinstlokal wollte ich ja schon seit langer Zeit mal vorbeischauen. Was nicht so einfach ist, denn der Italiener und seine Salzburger Ehefrau haben das Lokal im alten Dorfkern von Gnigl nur von Donnerstag bis Sonntag offen – und an so manchem Donnerstag kann es auch gut und gern sein, dass der Gang ins Theater wichtiger ist, als das Lokal zu öffnen.
Recht hat er. Denn sein Lokal gibt es schon lange, und hat er mal offen, dann sind alle Tische reserviert. Nein, nicht nur das Schild steht dann am Tisch, die Leute, denen das Schildchen gewidmet ist, kommen auch wirklich.
So auch an jenem Abend. Signor Giovannis charmante Frau bietet mir den kleinen Zweiertisch in Küchennähe an. Noch bin ich alleine, doch schon innerhalb einer halben Stunde ist das Lokal voll. Das von außen betrachtet wenig attraktive Haus verwandelt sich innen in ein wirklich sehr gemütliches Wohnzimmer, das die Flachgauer Bauernküche mit mediterranem Flair gut zu verbinden vermag. Erstaunlich, aber es ist wirklich behaglich hier.
Coperto: in Streifen geschnittene Pida-Brote bzw. festerer Pizzateig. Dazu ein guter Thunfischaufstrich. Das mit ein wenig zu viel Luft gebackene (=Bäckerseele!) Brot wird eher links liegen gelassen, allerdings auch wegen dem, was noch kommen soll.
Sich mit Brot vollstopfen und dann Maulsperre bekommen – eben, wäre ja schade.
Avanti: die Crema di Pomodoro wird mit etwas Pesto und Schlagobers garniert. Mehr als ausreichende Portion, angenehm abgeschmeckt, ohne Kerne, keine großen Würzexperimente. Bene bene.
Poi: Crespelle al pomodoro, man könnte sie optisch wie von den Zutaten als puristische, gar schlampige Abart der Lasagne bezeichnen.
Während man nach einer Lasagne aber meistens voll ist, ist nach dieser federleichten Kost noch immer Platz für mehr. Geschmacklich ist hier natürlich wieder die perfekte italienische Einfachheit Trumpf. Beste Grundware mit der einfachen wie effektiven italienischen Würzung. Und – „crespelle“ ähneln nicht umsonst den französischen „crepes“: der Teig ist zumindest mal ähnlich.
Benone!
Allora – der Secondo ist aber dann wirklich was Handfestes: Lammstelze – lo stinco di agnello.
Stinco bedeutet Stelze, hat also nichts mit dem oft strengen Geruch von Lammfleisch zu tun, gerade dieses schöne Stück Fleisch samt Knochen „schofelt“ überhaupt nicht.
Ganz weich und zart, schön leicht löst sich das mit Gelee durchsetzte Fleisch vom Knochen. Mit einem feinen Safterl, das sicher nicht aus dem Pulverfass kommt. Dazu wirklich feine Kartoffeln und – che cavolo im wahrsten Sinne des Wortes - der Kohl.
Viel zu selten in der Gastronomie zu finden, dabei eines der wichtigsten Beilagengemüsesorten der alten Hausfrauenküche. Das wissen auch noch die casalinghe und casalinghi jenseits von Tarvisio.
Meno male!
Infine: eine Panacotta mit hausgemachter Beerensoße und Schokoladendekor. Dass sich in der Panna jede Menge schwarze Vanillepunkterln tummeln, muss man eigentlich nicht erwähnen.
Come in vacanza - das ist wie im Urlaub.
Emulgatori (bianco/rosso): die sind mir jetzt glatt entgangen – der Weiße hat mich nicht vom Hocker gerissen, blieb auch hartnäckig im Glase kleben… der Rote wieder dürfte ein Sangiovese aus der Gegend um Montepulciano gewesen sein, der war doch um einiges angenehmer zu trinken und passte vor allem zu Secondo und Dolce gut dazu.
Ecco: gut 45 Euro für ein sehr feines Abendessen, an Italianità wurde nicht gegeizt, das Stammpublikum kann sich hier auf seine beiden Gastgeber wirklich verlassen.
Und die Gastgeber können sich darauf verlassen, dass es nicht nötig ist, für langfristigen Erfolg täglich von 11-24 Uhr geöffnet haben zu müssen.
Hilfreich12Gefällt mir9Kommentieren
Naja, dann sollte man mal Paradeiserketchup verlangen. :-) Abgesehen davon, dass ich kein Ketchup esse, ... alleine diese Bezeichnung, brrrrr!