Im Zuge der Wintergenusswochen hat es einen lieben Freund und mich ins Hansen im Kellergewölbe der alten Wr. Börse verschlagen. Das Menü las sich vorab im Vergleich zu den übrigen Angeboten sehr interessant, weshalb wir uns für genau dieses Restaurant entschieden haben.
Der Eingang befindet si...Mehr anzeigenIm Zuge der Wintergenusswochen hat es einen lieben Freund und mich ins Hansen im Kellergewölbe der alten Wr. Börse verschlagen. Das Menü las sich vorab im Vergleich zu den übrigen Angeboten sehr interessant, weshalb wir uns für genau dieses Restaurant entschieden haben.
Der Eingang befindet sich im Souterrain der Wr. Börse, welches über eine Metallstiege von außen erreichbar ist. Ein wenig abenteuerlich, aber es machte die Chose nicht weniger spannend. Im Gewölbe angekommen fühlt man sofort die Atmosphäre des geschichtsträchtigen Gebäudes - es wirkt ob der hohen Räume recht herrschaftlich und gediegen.
Das Restaurant selbst betritt man über die offene Küche - ein wenig ungewohnt, da man zuerst glaubt, sich in der Tür geirrt zu haben. Der Empfang war etwas kühl und forsch, wir wurden recht gehetzt zum Tisch geleitet, obwohl nicht alle Tische besetzt waren. Die Menükarte wird uns mit dem Platznehmen gleich bereit gelegt - es ist jedoch keine Überraschung, da die Speisenfolge bereits vorab zum Großteil im Internet gestanden hat. Die Auswahl bei Vorspeise und Hauptgang war schnell getroffen, zu Trinken sollte es ein alkoholfreier Cocktail für meine Begleitung und ein Negroni für mich sein.
Die Getränke kamen recht bald zum Tisch, das Gedeck auch nach einigen wenigen Minuten. Es handelte sich um dreierlei Brot (dunkles (Roggen-?)Brot, eine Art Pain Provencal und ein helles gewöhnliches Weizenbrot), sowie Flockensalt, Olivenöl und Eiaufstrich. Es war nicht aufregend oder besonders, für den ersten Hunger aber ein angenehmes Häppchen.
Als Vorspeise wählten wir beide das Ceviche von der Garnele mit Koriandermayonnaise, Blutorangen, Radieschen und Erdnüssen. Die Kombination aus allen Komponenten war äußerst schmackhaft - die Leche de Tigre nicht zu Limettenlastig oder sauer, wirklich fein abgeschmeckt und im Zusammenspiel mit den Blutorangen und der Mayonnaise war dieser Gang eine Explosion im Mund. Hier wäre jedoch anzumerken, dass die Menge an Mayonnaise (die sehr fein und cremig war - ich tippe auf Thermomix - aber der Koriander war nur für die Farbe, nicht für den Geschmack) deutlich zu gut gemeint war und die Anzahl der Garnelenfetzen (es warenn nicht geschnittene oder gehackte, sondern gerissene Garnelen - sehr fransig) etwas mau war - da hätten wir uns beide ein wenig mehr Protein gewünscht.
Der Zwischengang, das "saisonale Risotto", war die einzige Überraschung, da vorab nichts Detaillierteres darüber bekannt war. Es sollte also ein Kürbisrisotto werden, mit Ziegenkäse und Maroni. Las sich sehr vielversprechend, da die Kombination der Komponenten sehr winterlich und auch harmonisch klang. Das Risotto kam in einer Schale und mutete hübsch an - dekoriert mit Kresse, einem gestockenen Ziegenfrischkäsenocken oben drauf. Die Kürbisstücke waren leider ganz winzig, die Maroni musste man suchen (ich hatte ein Viertel Maroni in meinem Risotto). Die Konsistenz des Risottos war eher wie eine Reisschleimsuppe, der Geschmack ebenso. Es schmeckte Hauptsächlich nach Gemüsesbouillon - keine Säure, keine Kürbisnote. Schade, ein Risotto kann man doch peppiger und g'schmackiger zubereiten. Dieser Gang war entbehrlich.
Der Hauptgang dafür brillierte. Einerseits der experimentelle vegane Teller, der zum Hauptdarsteller einen Miso-Karfiol präsentierte - eine naturbelassene, dezent gewürzte, gut geröstete dicke Scheibe des Gemüses lag auf einem Bett aus einer fein passierten Süßkartoffelcreme (Thermomix?), daneben eine Krokette aus Tofu - wirklich spannend - nicht nur für's Auge. Gut, über Tofu lässt sich streiten, der ist ja bekanntlich (sofern nicht geräuchert) immer relativ geschmacksneutral, aber die Zubereitung als Krokette ganz neu und innovativ, wie wir fanden. Generell waren die Teilnehmer des Tellers sehr natürlich und wenig gewürzt - wir diskutierten viel darüber und ich bin bis jetzt der Meinung, dass dies so gewollt war.
Mein Teller, das Beiried, war au point, wenn auch leider etwas zäh an mancher Stelle. Das Petersilpürree war gut abgeschmeckt und mit guter Petersilnote versehen, die gebratenen Wurzeln nicht verkocht und in Butter geschwenkt. Das Gratin war ein Hammer, darin hätte ich mich am liebsten eingegraben - bisschen dauphinois weil Knoblauchnote, oben schön knusprig, die Erdäpfel in hauchdünnen Scheiben, aber noch ein wenig speckig. Wunderbar.
Die Nachspeise ließ ein Zeiterl auf sich warten - meine Vermutung: weil ganz frisch gebacken. Der Strudel - aufgetürmt und mit Vanillesauce-Spiegel - war äußerst knusprig und heiß. Die Birne leider untergegangen, dafür die Brösel und der Zimt vorherrschend. Rosinen waren auch drin (die mag ich aber gern). Ich hätte mir mehr Birnenanteil gewünscht, mir war es zu bröselig. Der Vanillespiegel war fein, fast wie eine Zabaione, definitiv nicht aus dem Packerl, sondern hand- und hausgemacht. Dazu gab's ein Haselnusseis, das mir nicht zugesagt hat. Die Haselnuss habe ich nicht rausgeschmeckt, eher eine Art Haselnusssirup, die Konsistenz war eher wie ein Semifreddo - es kann am Alkoholanteil im Eis liegen, die Zitronennote könnte von Limoncello verursacht sein. Aber Haselnuss war das nicht, ich konnte es wirklich nicht identifizieren, was genau da geschmacksgebend war. Es war jedoch ein cremiges, kaltes, aber auch sehr mächtiges Beiwagerl zu dem heißen Birnenstrudel.
Ach ja, die Getränke: Ich bestelle dann einen Gemischten Satz vom Mayer am Pfarrplatz (ein solider Allrounder zu Vorspeisen und Zwischengängen, Fisch, Seafood und Gemüse, finde ich) und den Pinot Noir vom Juris aus Gols, beide Weine von der Empfehlung des Wintermenüs. Meine Begleitung hatte einen Pfirsichsaft gespritzt. Zur Nachspeise dann für ihn eine Beerenauslese vom Kracher, ich nahm einen Cafe Latte. Auslese kennt man, da kann man nicht viel falsch machen, der Cafe war OK - nicht zu heiß, nicht zu bitter.
Warum das Service nur ein "Gut" bekommen? Von einem 2-Hauben-Lokal erwarte ich mir einerseits einen herzlicheren, eleganteren und gelasseneren Empfang, andererseits weit mehr Service, als nur ein sehr sporadisches Checken, ob wir zufrieden sind. Mein Glas war teilweise sehr lange leer, bevor ich nach einem weiteren Getränkewunsch gefragt wurde. Die Speisen wurden teilweise über den Tisch zu mir gereicht, obwohl um mich herum genug Platz gewesen wäre, sodass man mir den Teller auch von der richtigen Seite hätte einstellen können. Weiters wurde nach der Vorspeise zwar der Brotkorb abserviert, aber der Teller mit dem Aufstrich nicht - der störte dann beim Einstellen des nächsten Ganges und wurde nach Herumprobieren, ob mein Teller sich am Tisch trotzdem ausgeht, sehr plum weggenommen.
Das lange Warten auf die Nachspeise hätte man auch kommentieren können, im Sinne von "zur Nachspeise dauert es ein wenig, da der Strudel frisch gebacken wird" oder einen sinngemäßen Hinweis auf die Zwangspause zum Dessert.
Das Menü in 4 Gängen kommt auf EUR 49,5, summa summarum zahlten wir dann EUR 160,00 inkl. Trinkgeld.
Ich denke, ich würde wieder ins Hansen gehen, wenn ich zu Mittag mit ehemaligen Kollegen "etwas feiner" essen möchte - der Lunch im Hansen ist sicher einen Besuch wert, vermutlich auch das Frühstück. Eine vorgeschriebene Menüfolge würde ich dort aber nicht mehr wollen, da suche ich mir lieber meine Speisen aus der - wirklich sehr köstlich klingenden - Speisekarte à la carte zusammen.
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