am 1. November 2010 · Update 29. Mai 2011
SpeisenAmbienteServiceSchätzen Sie (so wie ich) eine knusprige, auf keinen Fall zu dicke und mengenmäßig gerade richtig belegte Pizza? Also so eine, wie sie ein neapolitanischer Pizzaiolo im seinem Lavastein-Ofen zubereiten würde und an der sogar die „Associazione Verace Pizza Napoletana“ nichts zu bemäkeln hätte. Am ...Mehr anzeigenSchätzen Sie (so wie ich) eine knusprige, auf keinen Fall zu dicke und mengenmäßig gerade richtig belegte Pizza? Also so eine, wie sie ein neapolitanischer Pizzaiolo im seinem Lavastein-Ofen zubereiten würde und an der sogar die „Associazione Verace Pizza Napoletana“ nichts zu bemäkeln hätte. Am liebsten mit aromatischen Paradeisern aus San Marzano, echtem Büffelmozzarella und frischen Kräutern.
Ich lag schon seit einigen Tagen erkältet im Bett, hatte aber fast kein Fieber mehr, und da machte sich auch langsam der Appetit wieder bemerkbar. Leider war der Eiskasten leer und irgendwie war mir alles egal, ich wollte endlich wieder etwas essen. Also googelte ich nach einer Pizzeria im näheren Umkreis und fand das DOLCE VITA in der Nordbahnstraße. Eigentlich ist es mir ein Gräuel sich Pizza nach Hause liefern zu lassen, die Unsitte zahlreicher TV-Vorabendserien zu adaptieren und kartonierte, (bestenfalls) lauwarme, labbrige Teigdreiecke zu bekommen, die nach der Entnahme aus der Verpackung traurig herabhängen, als litten sie unter einer spontanen erektilen Dysfunktion. Aber der Hunger war größer, und so bestellte ich eine “Funghi“. Was da nach kurzer Zeit geliefert wurde überraschte mich immens. Denn die Pizza war nicht nur heiß, sondern auch knusprig, schön dünn in der Mitte und hatte einen etwas dickeren perfekt gebräunten Rand. Sie war sehr gut gewürzt, die Champignons waren nicht aus der Dose (und besaßen sogar etwas Eigengeschmack) und auch der Käse war nicht übel. Kurz gesagt: ich hatte große Freude mit dieser Pizza.
Einige Wochen danach hatte meine Tochter (Klein-Otternase) großen Appetit auf italienisches Essen - „Pizza oder so“. Da wir gerade in der Nähe waren, beschloss ich, das DOLCE VITA auch einmal „live“ zu besuchen. Ein sehr herzlicher, ja fast schon überschwänglicher Empfang wurde uns zuteil und wir nahmen im fast leeren, aber gut belüfteten (wahrscheinlich klimatisierten?) Extrazimmer Platz. Die gleich bestellten Getränke ließen nicht lange auf sich warten und erst jetzt bemerkten wir, dass dieses Zimmer einiges an Skurrilitäten zu bieten hat. Die Wände sind rundum mit venezianischen Häuschen bemalt, und man wird das Gefühl nicht los, inmitten der Lagune zu sitzen, wären da nicht die grablaternenähnlichen Wandleuchten, die diese Illusion absurd erscheinen lassen. An der Decke befindet sich eine weitere Beleuchtung (Marke Eigenbau), welche von mehreren Neonröhren illuminiert wird und die darunter sitzenden Gäste in einem dezenten Blaugrün erstrahlen lässt. Gekrönt wird das Ensemble von einem ebenfalls an die Wand gemalten Bacchus aus der Hand desselben Künstlers. Warum dieser den Gott des Weines als Bulimiekranken interpretiert ist ungeklärt (siehe Foto zum besseren Verständnis), jedenfalls wirkt diese Darstellung in einem Restaurant etwas bizarr. Ohne weitere Gedanken an die Wanddekoration zu verschwenden, machten wir unsere Bestellungen. Ich wählte gemischten Salat und eine Pizza Cardinale. Dass Otternase junior trotz Pizza-Gustos Penne all’arrabbiata bestellt hat, fällt unter die Rubrik „weibliche Logik“. Auch diesmal war die Pizza einwandfrei, das Sugo auf der Pasta hatte allerdings wenig mit der traditionellen Zubereitung all’arrabbiata zu tun, wenngleich es geschmacklich nicht schlecht war. Aber es war zu wenig „pomodorig“, von Schärfe leider gar keine Spur. Der Salat schmeckte frisch und knackig, das Dressing OK.
Nächstes Mal werde ich im betriebsameren, aber wahrscheinlich gemütlicheren Teil des Lokals einen Tisch aussuchen und wieder eine der hervorragenden Pizzas wählen.
Am Nebentisch sitzen 3 Pensionisten, die gemeinsam EINE Pizza Tonno bestellen: aber bitte gleich in Stücke schneiden! Als das gute Stück kommt, bitten sie um Extateller für jeden. Der Ober bringt die Teller und erträgt alles mit stoischer Ruhe.
Die Besitzer, das ägyptisch-rumänische Ehepaar Mikhail, betreiben ein sehr familiäres und besonders familienfreundliches Lokal mit gutem Essen und vernünftigen Preisen. Das DOLCE VITA "lebt" von seinem Pizzaservice - abends liefern die Boten im Minutentakt die frisch gebackenen, üppig belegten Pizzas an hungrige, aber koch- und ausgehfaule Menschen. Es ist fürwahr kein besonders schönes Lokal, aber sauber und gepflegt. Die Gestaltung des Extrazimmers würde ich persönlich noch einmal überdenken – weniger ist oft mehr. Dasselbe gilt für die Speisekarte, auf der sich neben „Entenbrust mit chinesischem Gemüse und Reis“ auch „Spareribs“ und sogar ein „mexikanisches Cordon Bleu“ finden.
Hilfreich13Gefällt mir2Kommentieren