am 2. Mai 2013 · Update 6. Mai 2013
SpeisenAmbienteServiceUn friulano dal friulano.
Das ist ja die Gelegenheit: il grande capo weilt in Wien: wir rätseln, wo wir in der Gegend Währinger Straße (Ringnähe) was Ordentliches zu essen bekommen. Nicht einfach, auch Rete.at spuckt für den 9. Bezirk in dieser Gegend keine außergewöhnlichen Locations aus, und...Mehr anzeigenUn friulano dal friulano.
Das ist ja die Gelegenheit: il grande capo weilt in Wien: wir rätseln, wo wir in der Gegend Währinger Straße (Ringnähe) was Ordentliches zu essen bekommen. Nicht einfach, auch Rete.at spuckt für den 9. Bezirk in dieser Gegend keine außergewöhnlichen Locations aus, und in’s Äthiopische Restaurant bringe ich keinen Italiener hin. Wiener Schnitzel oder wie bei Mamma, niente da fare.
Doch ein paar Schritte weiter, im „äußeren“ 1. Bezirk, also nicht im historischen Kern, gibt’s die Cantina Friulana in der Bartensteingasse, die Gott sei Dank nichts mit dem Generica-Minister zu tun hat.
Nach Tagen der Touristenabfütterung mit Schnitzel & Co. ist es also an der Zeit, einen besonderen Test zu machen. Furlan testet Furlan.
Wie isst sich’s in der durch mehrere Bewertungen hoch gelobten Osteria Friulana? Gerade das Wort „authentisch“ wird ja immer wieder hervorgehoben, aber wer sonst als ein echter Udinese kann das nun bestätigen oder widerlegen?
Das Lokal ist schlicht, um nicht zu sagen spartanisch eingerichtet, auf alle Fälle wohnlich.
Einige Bilder mit Preisschildern verdeutlichen, dass man hier Künstlern eine Bühne schenkt, vielleicht sieht’s also beim nächsten Besuch schon ganz anders aus.
Die Reservierung per Telefon klappt ohne Probleme, ein „buine sère“ sorgt allerdings für ein wenig Verwirrung, ich belasse es also mal beim Deutsch.
Soll jetzt keine Katastrophe sein, sofern das Lokal hält, was es verspricht.
Der Padrone ist kein Friulano, auch kein Italiener – aber ich kann beruhigen:
er ist sehr italophil, und das ist allemal besser als ein durchschnittlich geführtes, original-italienisches Lokal.
Vorweg: dass ein friulanisches Lokal in Wien keine lückenlos friulanische Karte anbietet, ist klar.
Das meiste auf der Karte ist, so bestätigt es mir also auch der Capo, italienisch, aber nicht nur auf Friaul beschränkt.
So viel Individualismus wäre auch tödlich, hier muss man schon auch einen gewissen Kompromiss eingehen, denn einerseits will man sich ja fühlen wie in Udine, andererseits gibt's immer noch das Gesetz: was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.
Die Sarde in saor z.B. heißen im Friuli „sardelis“, grundsätzlich kommen die süß-sauer marinierten Sardinen (mit Zwiebeln, Pinoli und Rosinen) aus der (Nachbar)Region Veneto.
Hier sind sie aber fantastisch gelungen, die Säure ist nicht so prägnant, fast ein wenig schmeichelnd, aber sicher nicht zu süß. Ein sehr anregender Beginn.
Doch ich darf auch am anderen Teller mitnaschen. Der San Daniele ist nun wirklich sehr friulanisch, darüber gibt es keinen Zweifel. Schon beim Hereingehen fiel mir die historische Berkel auf, die die riesigen Cosce feinst aufschneiden darf.
Ergebis ist hier ein besonders zarter Prosciutto, der wirklich auf der Zunge zergeht – und ja, das genau ist dann das Besonder, das man erst einmal bieten muss. Hier kapitulieren 99 von 100 Italienern, original wie nicht original. Der Prosciutto ist entweder Mittelmaß, oder es ist der Allesschneider. Oder beide.
Halt – ich habe das Wichtigste vergessen. Hier begnügt sich der Padrone austriaco italofilo nicht mit Hillinger, Falesco oder Antinori. Die großen Tafeln an der Wand informieren über das glasweise Angebot.
Unter anderem einige Vertreter der Colli orientali. Nein, kein persischer Wein, auch wenn die ersten Winzer vor 6000 Jahren angeblich aus Persien kamen. Die Colli orientali del Friuli sind die Hügel, die im Osten der Provinz Udine an Slowenien grenzen (in der Provinz Gorizia setzen sich die Colli als „Collio“ fort).
Und siehe da, ein Gioiello allererster Güte, eine Göttin am friulanischen firmamento vinofilo: Petrussa. Hilde Petrussa.
Ein Achterl Cabernet franc. Nicht sauvignon – franc. Jetzt haben friulanische Rotweine an sich schon den Vorteil, den andere als Nachteil betrachten: er ist „grüner“ als anderswo, da er mit der Reife oft nicht „fertig wird“. Doch gerade der leicht grasige Cabernet franc hat dadurch eine wunderschöne Würze, die sich so angenehm vom samtigen Modewein abhebt.
Der Prosciutto schmilzt – und der franc darf emulgieren. So geht das.
Hauptgang? Fast könnte man sich allein von Antipasto, Brot und Wein grücklichfressen, doch es kommt ja noch ein Hauptgang.
Eine „grüne“ Lasagne beim linienbewussten Figone links neben mir, ich brauche den Secondo „tosto“ mit herzhaften Teilnehmern: schön zarte Stücke vom Rinderfilet, „costate“, wie man sie in ähnlicher Form auch in Görz (Gorizia) bekommt, dort allerdings vom Stier (toro).
Contorni: polenta, grüner Salat. Buono.
Kleiner Wehrmutstropfen: der Schioppettino ist bei weitem nicht so gut wie der Cabernet franc zuvor, hier lässt Petrussa ein wenig das friulanische Heiligtum in Richtung interantionale Stilistik abgleiten. Schade.
Tutto sommato: fein die Weine aus der Region, ebenso der exzellente Prosciutto. Essen kann man hier wirklich sehr, sehr gut, wenn auch nur ein bestimmter Teil der Karte wirklich rein friulanisch ist, doch das wäre auch aus gastronomischen Gesichtspunkten völlig illusorisch.
Wer übrigens mehr über Friaul erfahren will, dem sei das neue Buch von Gisela Hopfmüller und Franz Hlavac ans Herz gelegt, die beiden leben nicht nur in Wien, sondern auch in Friaul. Die wissen eben auch, was gut ist.
Allora: hier sieht man sich auf alle Fälle wieder, die Empfehlung des Monats ist wohlverdient.
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