Ein betriebswirtschaftlich sehr kundiger Bekannter von mir hat einmal gesagt: „Drei Dinge sind für den Erfolg eines Gastronomiebetriebes entscheidend. Erstens die Lage, zweitens die Lage und drittens die Lage.“ Nun, die kulinarische Kompetenz meines Bekannten kann mit der ökonomischen nicht ganz ...Mehr anzeigenEin betriebswirtschaftlich sehr kundiger Bekannter von mir hat einmal gesagt: „Drei Dinge sind für den Erfolg eines Gastronomiebetriebes entscheidend. Erstens die Lage, zweitens die Lage und drittens die Lage.“ Nun, die kulinarische Kompetenz meines Bekannten kann mit der ökonomischen nicht ganz mithalten, weshalb ich seine Aussagen zur Gastronomie mit einer gewissen Skepsis betrachte, aber ganz Unrecht hat er wohl nicht. Aber dann gibt es immer wieder Betriebe, die gerade aus einem scheinbaren Standortnachteil ihren Nutzen ziehen. So einer ist der Ramswirt.
Abfahrt von der Autobahn bei Neunkirchen, dann auf Nebenstraßen auf ca. 800 m Seehöhe in die Gegend zwischen Semmering und Wechsel. Fuchs und Hase haben sich hier sicher schon öfter Gute Nacht gesagt. Dort an der Kreuzung zweier Landstraßen liegt der Ramswirt, und diese Lage hat bestimmt kein Standortplaner empfohlen. Hierhin kommt man nicht zufällig, sondern vielmehr, weil man eine Geschichte gehört hat. Die von dem Bauern, der sich dem Massenmarkt verweigert. Der stattdessen alles selbst verarbeitet und ausschließlich in der eigenen Gastwirtschaft und im Hofladen verkauft. Oder die andere Seite der Geschichte: die von dem Wirt, der alles was er verkocht auch selber produziert. Weißt du, woher dein Fleisch kommt? Hier lautet die Antwort eindeutig Ja.
Der erste Anblick überrascht. Kein einfaches Bauernwirtshaus, sondern ein stattliches Hotel ist der Ramswirt. Im Zentrum eine gemütliche Wirtsstube, in der die Einheimischen Karten spielen, davor ein heller, freundlicher Wintergarten, hinten ein geräumiger Gastraum mit Tischen in klassischen Logen.
Auf der Speisekarte stehen die Lieblingsgerichte der Österreicher. Wiener-, Pariser- und sonstige Schnitzel, wahlweise vom Schwein und – bei überraschend geringen Mehrkosten – vom Kalb. Cordon Bleu, Schweinsbraten, Spieße, Steak, Rindsbraten – das Übliche eben, ohne Überraschungen.
Unsere Freundesrunde lässt sich auf eine umfangreiche Querverkostung ein. Leberknödel-, Frittaten- und Knoblauchcremesuppe: alle ohne Fehl und Tadel. Pariser vom Kalb: sehr anständig. Filetspieß vom Schwein: rosa gebraten, tadellos. Surschnitzel: sehr würzig, saftig, so wie es sein soll. Die Brettljause: ungewohnt vielfältig, hier produziert man mehr als Speck und harte Würstel. Natürlich ist alles selbstgemacht. Das Brot, eine Köstlichkeit, wird hier täglich frisch gebacken. Macht ihr den Frischkäse auch selber, frage ich die Wirtin. Selbstverständlich, sagt sie. Und dann kommt sie mit einem Wagen voller Mehlspeisen vorbei: Schwarzwälder Kirsch, Sacher, Malakoff, Maronischnitten, Topfencremetorte, Biskuitroulade –das lässt sich beim besten Willen nicht mehr alles kosten, auch wenn die köstliche Maronischnitte und die Biskuitroulade vermuten lassen, dass mir da einiges entgeht.
Während wir essen, wird eine ganze Autobusladung älterer Landsleute abgefüttert. Sie sehen alle sehr glücklich aus, die großen Portionen lassen die Augen leuchten, auch nach dem Probieren leuchten sie weiter. Die gute Nachrede und damit das Folgegeschäft sind dem Ramswirt sicher. Und auch der Ertrag: Egal wie gering der Preis sein mag, den das Autobusunternehmen für das Menü bezahlt, der Ramswirt kommt auf seine Kosten. Kein Autobusgast, der nicht mindestens zwei Plastiksackerln vom Hofladen mitnimmt. Wir machen das auch. Mein Tipp: Die Bauernbutter unbedingt mitnehmen! Ein Traum! Und die Blunzen, auch nicht übel, dann vielleicht noch ein paar Würstel….
Fazit: Die Mehlspeisen, die fantastische Butter und die exzellenten, hausgemachten Wurstwaren haben mich bewogen, einen 4er zu vergeben. Die Küche im Restaurant ist für einen soliden 3er gut. Ein Lokal für hungrige Fleischtiger, die es gern bodenständig haben. Einwandfreie Qualität der Zutaten, fachkundige Zubereitung, große Portionen, günstige Preise. Ausgezeichnete Mehlspeisen. Und im Hofladen gibt es einige echte Schmankerln zum Mitnehmen.
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