Bei unserem Besuch war der Fahrplan relativ klar, kann man doch bei der vietnamesischen Küche an einigen wenigen Speisen besonders schnell erkennen, wie gut eine Küche in Sachen Zutaten, Zubereitung und Qualität vorgeht. Und so probierten wir zunächst die frischen Sommer- und Frühlingsrollen. Die...Mehr anzeigenBei unserem Besuch war der Fahrplan relativ klar, kann man doch bei der vietnamesischen Küche an einigen wenigen Speisen besonders schnell erkennen, wie gut eine Küche in Sachen Zutaten, Zubereitung und Qualität vorgeht. Und so probierten wir zunächst die frischen Sommer- und Frühlingsrollen. Die vietnamesischen frittierten Frühlingsrollen sind im Gegensatz zu den chinesischen tatsächlich gerollt, immer hausgemacht, kompakter gefüllt und werden beim Essen mit einem Salatblatt umwickelt und in „Nuoc Mam Cham“, eine Marinade aus Fischsauce, Chili, Knoblauch und Koriander, Limette, Zucker und Wasser getaucht. Besagte Fischsauce ist ein allgegenwärtiges Würzmittel in Vietnam, das furchtbar riecht und köstlich schmeckt. Die Frühlingsrollen waren eigentlich traumhaft knackig, saftig mit Schweinefleisch und Zwiebel gefüllt und eigentlich eine echte Delikatesse. Eigentlich. Denn leider wurde anstatt der gewohnten Sauce ein verwässertes Sößchen gereicht, in dem man die Aromen lange suchen musste. Die geschmackliche Enttäuschung in diesem Moment war in etwa so groß wie wenn man am Würstelstand seine Käsekrainer statt in Senf in Zuckerwasser tunken würde. Auch die kalte Sommerrolle, die traditionell eine softe Reisteig-Flade mit knackigem Gemüse und Garnelen ist, und eigentlich handwerklich einwandfrei war, starb bei mir deswegen ebenfalls den geschmacklichen Enttäuschungstod. Mein Begleiter, der bisher noch keine Erfahrung mit vietnamesischer Küche gemacht hatte, empfand die Wassersauce dafür als netten und sanften Einstieg in die vietnamesischen Aromen. Auf Nachfrage wurde uns übrigens gesagt, dass die Sauce absichtlich so mild wäre, um die Gäste mit dem seltsam riechenden Original nicht zu verschrecken…
Von den Vorspeisen probierten wir noch „Goi Xoai“, den fruchtigen Mangosalat mit Koriander, Minze, Karotten und Nüssen. Dieser Salat war in Sachen Biss, Frische und perfekter Harmonie von Süße und Säure wirklich ein Bilderbuchbeispiel. Ein so schönes Spiel mit Aromen und Konsistenzen bekommt man nur dann so hin, wenn man auch nur mit den allerfrischesten Zutaten arbeitet.
Traumhaft gut, weil toll durchdacht war auch die Pho mit Rindfleisch, die wir als nächstes gegessen haben. Die Rindsuppe mit dünnen Bandnudeln wurde mit einigen wenigen, aber vollkommen ausreichenden, Rindfleisch-Scheiben serviert. Diese Scheiben stammten von unterschiedlichen Fleischstücken und waren daher auch in Marmorierung und Biss unterschiedlich, aber allesamt auf den Punkt gegart. Die Suppe selbst war im Gegensatz zur traditionellen österreichischen Rindssuppe sehr viel feiner. Was auch daran liegt, dass die Gemüsesorten für den Suppenansatz komplett andere sind. Traditionell wurde auch hier die Pho mit Limette, Chili, Sojasprossen und Thai-Basilikum gereicht, damit sich jeder Gast die Suppe nach eigenen Wünschen verfeinern kann. Persönlich hätte ich auch gerne etwas Fischsauce gehabt, um den Geschmack zu vertiefen, aber die stand genauso wenig zu Verfügung wie ein Mehr an Chili für die Suppe. Gut da bin ich selber schuld, denn in Vietnam wird ja bekanntlich gar nicht so scharf gegessen.
Als fleischliche Hauptspeise entschieden wir uns noch für „Bo Xao Ron“, angeblich scharfes knuspriges Rindfleisch auf einem süßsaueren Spiegel samt Gemüse. Scharf war es gar nicht, knackig dafür sehr wohl. Und im Inneren tatsächlich immer noch saftig. Die süßsaure Sauce dazu, von der übrigens kaum etwas zu sehen war, war zwar in Ordnung, sie hatte aber überhaupt keinen Tiefgang. Von der Saucen-Erinnerung kann ich jetzt gerade noch ein bisschen aus meinem Kurzzeitgedächtnis zehren, morgen habe ich deren kaum vorhandenen Geschmack wahrscheinlich schon komplett vergessen. Soll heißen: fad. Dabei schmeckt man der Speise sonst an, dass man in der Küche das Handwerk doch wirklich im Blut hat.
Insgesamt spürt man im Pho 33 recht schnell, mit wie viel Liebe zum Detail die Familie Truong um ihre Gäste bemüht ist und auch die Preise sind erfreulich leistbar. Nur traut man den Gästen offenbar viel zu wenig zu. Liebe Truongs, wir Österreicher haben in den letzten 30 Jahren durchaus komplex essen gelernt! Würde man die Speisen im „Pho 33“, die sonst ja fantastisch zubereitet sind, einen Tick intensiver würzen und ihnen etwas mehr Charakter geben, dann hat das Lokal tatsächlich das Potential zu den besten seiner Art in Wien aufzusteigen. Und wenn man den Gästen nicht gleich automatisch die Original-Fischsaucen-Marinade zumutet, dann wäre es absolut eine Möglichkeit nachzufragen, wie intensiv die Marinade zu den Rollen sein sollte. Das wäre auf alle Fälle besser, als mit dem Wasser-Wässerchen für Enttäuschung zu sorgen. Wenn also in Zukunft mit diesem einfachen Mittel das Aroma sämtlicher Rollen in die Höhe gepusht werden sollte, komme ich für die sonst tollen Rollen wirklich gerne zurück. Für die und den grandiosen Mango-Salat!
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Ihre Bewertung ist sehr detailreich und trifft bestimmt zu 100% zu. Allerdings ist das Restaurant zu Mittags und Abends immer gerammelt voll, also scheints dem Durchschnittsösterreicher doch gut zu schmecken. Wichtig ist ja, dass viele Leute mit Durchschnittsgeschmack kommen und nicht einige wenige mit dem höchsten Grad an Geschmacksknospen. Dieser Kommentar sollte auf keinen Fall Ihre tolle Bewertung mindern, bitte verstehen Sie mich nicht falsch.