Der Name der Veranstaltungsreihe im "La Veranda" im Sans Souci ist einfallslos: „Wine & Dine“. Klar, man weiß, dass es hier um ein Abendessen geht, und dass dazu Wein gereicht wird. No na, ich hätte wahrscheinlich mir kaum Kokosmilch, Zwetschgensaft oder Ayran zu einem gesetzten Dinner erwartet. ...Mehr anzeigenDer Name der Veranstaltungsreihe im "La Veranda" im Sans Souci ist einfallslos: „Wine & Dine“. Klar, man weiß, dass es hier um ein Abendessen geht, und dass dazu Wein gereicht wird. No na, ich hätte wahrscheinlich mir kaum Kokosmilch, Zwetschgensaft oder Ayran zu einem gesetzten Dinner erwartet. Und genauso einfallslos wie der Name der Reihe war auch jene Speisenfolge, die uns für „Wine & Dine“ angekündigt wurde: Vitello Tonnato als Vorspeise, ein Wolfsbarsch als Fischgang und gebratenes Filet als Hauptgericht. Das klang alles genauso kreativ wie der Lehrplan einer Baumschule. Doch der Abend sollte ganz anders kommen als geplant...
Der bunt zusammengewürfelte Haufen bestand aus so extrem unterschiedlichen Menschen, dass man sich fast schon in einem Horrorfilm glaubte, in den gleich einer nach dem anderen seinen grausamen Tod finden würde. Links neben mir saßen zwei junge Ex-Sowjetinnen mit reichem Öl-Hintergrund, rechts von mir ein Ehepaar mit Alltags-Gourmet-Hintergrund und intensivem Redebedürfnis und mir gegenüber saß die Hoteldirektorin, bei der ich alleine schon aus gebotener Höflichkeit kein Wort über das Essen verlieren würde, sollte mir etwas nicht schmecken. Und das könnte das Konversations-Potential recht beschränken...
Und es begann auch gleich mit ein wenig Horror, als man uns noch vor dem Essen in eine Suite des Hotels führte, um uns ein grausames Kunstobjekt von Jeff Koons zu zeigen. Dieses sah zwar aus wie eine dicke kleine Frau in metallischem Rosa, der gerade ein Alien aus dem Bauch brach, aber alle Beteiligten überschlugen sich ganz wie bei „Des Kaisers neue Kleider“ vor Begeisterung. Nun ja, das könnte aber auch am Glas Champagner gelegen haben, das jeder in die Hand gedrückt bekommen hatte. Ich hielt mein Glas und meinen Mund. Man muss sich ja nicht gleich zu Beginn des Abends zum Ungustl machen.
Nach dem Ausflug zu den Niederungen der Hochkultur, konnte es nun mit „Wine & Dine“ also losgehen. Mein Hauptinteresse galt eigentlich weniger dem Essen, sondern mehr der Weinbegleitung. Denn diese war an jenem Abend das eigentliche Thema, kam sie doch vom renommierten Großwinzer Antinori. Von diesem stammte dann konsequenterweise auch gleich der Wein zur Vorspeise Vitello Tonnato, ein herrlicher Prosecco, konkret ein Montenisa Brut. Überraschenderweise umspülter der herrlich knackige und kompakte Sprudel Fisch und Kalbfleisch perfekt. Diese Vorspeise war noch dazu wirklich hervorragend weil bestens abgeschmeckt. Selbiges galt dann fast auch für das darauf folgende gebratene Wolfsbarschfilet.
Der Fisch wurde auf Ratatouille-Sud mit Polentagnocchi serviert. Die Gnochi waren traumhaft, das Gemüse hätte insgesamt aber nicht sein müssen. Zwar war wohl der Plan gewesen, dass das Ratatouille für die nötige Säure der Speise sorgt, das wäre aber nur mit etwas Zitrone auch gelungen ohne den Eigengeschmack des Branzino zu attackieren. Der dazu gereichte Vermentino Guado al Tasso, ein toskanischer sehr mineralisch-fruchtiger Weisswein – ja, das gibt es – war eine herrliche Ergänzung. Und da vom Service laufend nachgeschenkt wurde, sobald ein Glas anfing leer zu werden, wurde auch intensiver mit der Nachbarschaft diskutiert. Unglaublich, wofür man sich plötzlich interessiert, wenn die Stimmung passt. Ich hatte weder gewusst, dass es in Kasachstan Unmengen von Erdöl gibt, noch wie viel Geld in österreichischer Personalberatung und im Babysitting steckt...
Weiter zum Hauptgang. Konkret dem ersten Roten, also einem Marchesi Antinori Chianti Classico DOCG Riserva 2008. Zu diesem wurde ein rosa gebratenes Hirschrückenfilet und ein kleines Stück geschmortes Rinderbackerl serviert. Ich kostete erst den Wein und stellte mir vor meiner geistigen Zunge vor, wonach der Wein schreien würde. Tatsächlich waren es Speisen wie jene vor mir am Teller und die Kombination war solch ein fleischig-saftig-fruchtig-intensiver Traum, dass ich am Liebsten noch um einen Nachschlag gebeten hätte. Vor mir aus auch im Austausch gegen alles was danach kommen würde. Und das wäre wahrscheinlich auch gut so gewesen. Denn so perfekt das Pairing von Speisen und Wein bisher abgestimmt war, so sehr wurde jetzt ausgelassen...
Zum göttlichen Badia di Passigminano Chianti Classico DOCG Riserva 2008 wurde ein lauwarmer Taleggio mit geschmorter Birne gereicht. Diese beiden Geschmäcker haben sich nicht nur geschlagen, sondern gegenseitig ermordet, umgebracht und massakriert. Ja, so schlimm war es. Dabei war beides für sich genommen herrlich. Der Taleggio hätte mit einem Gewürztraminer oder einem Rosenmuskateller prächtig funktioniert, der Chianto Classico mit einem gereiften Sbrinz oder Parmesan. Ich schob also den Käse weg und genoss nur den Wein.
Auch bei der Nachspeise, einem Zitronengugelhupf mit Cassata-Eis klappte das Pairing nicht, denn der dazu servierte Süßwein, ein fruchtbetonter Aleatico Sovana DOC 2010 aus der Lombardei verlor den Kampf gegen die Säure des Gugelhupf. Insgesamt muss ich aber feststellen, dass mich der Abend in mehrfacher Hinsicht bereichert hat. Denn das Essen war wunderbar und der Wein ein Traum. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn beides immer zusammengepasst hätte, aber man kann nicht alles haben. Und die kulinarik- und alkoholgeschwängerten Gespräche waren eine willkommene Ablenkung zum sonst so nichtssagenden Dinner-Smalltalk. mag sein, dass sowohl der Titel der Veranstaltungsreihe und die Speisenfolge einfallslos waren, die Umsetzung war jedenfalls eine willkommene Auszeit vom Alltag.
Hilfreich10Gefällt mir6Kommentieren