Die Abendkarte im „Junn“ wirkt auf den ersten Blick so, als wären die Betreiber quer durch Ostasien gefahren und hätten sich sämtliche Menütafeln aus Korea, China, Japan, Thailand und so weiter eingesteckt, um sie im eigenen Wiener Lokal komprimiert wieder auszupacken. Wofür die Küchenrichtung ge...Mehr anzeigenDie Abendkarte im „Junn“ wirkt auf den ersten Blick so, als wären die Betreiber quer durch Ostasien gefahren und hätten sich sämtliche Menütafeln aus Korea, China, Japan, Thailand und so weiter eingesteckt, um sie im eigenen Wiener Lokal komprimiert wieder auszupacken. Wofür die Küchenrichtung geografisch stehen soll, erschließt sich einem auch nach längerem Hinschauen nicht: Sushi, Nudeln, Spieße, Baos und noch mehr liegen hier sprichwörtlich Seite an Seite. „Fusion“ nennt es die Restaurantleiterin Sigrid Michelitsch. „Wischiwaschi“ bin ich schon fast bereit es zu nennen. Doch dann begann bei meinem Besuch die fast halbstündige Erklärung, die ich jetzt versuche, auf ein Minimum an Worten zu komprimieren: Die chinesischen Betreiber des Lokals waren sich sicher, dass die Leute aktuell Cocktails trinken wollen, also legt man hier eben gesteigerten Wert auf eigens kreierte asiatisch angehauchte Cocktails. Und die Betreiber waren sich ebenfalls sicher, dass Streetfood immer noch eine ganz große Sache ist, also wird hier bei den Speisen auf südostasiatisches Streetfood gesetzt. Wobei man sich ja sonst bei Streetfood gar nicht setzt. Und in Kombination sei man sich sicher, dass die Leute die Gelegenheit lieben müssten, nach oder vor ihren Cocktails Streetfood essen zu können, ohne das Lokal wechseln zu müssen. Wie gesagt, auch wenn das jetzt noch kompliziert klingt, ist das nun wirklich die einfachste Zusammenfassung des Konzepts hinter dem Junn. Die Aufgabe von Sigrid Michelitsch ist es unter anderem, dieses Konzept dem Wiener Schmackhaft zu machen. Die Maximalkomprimierung lautet hier also „Asiatisches Streetfood für drinnen plus asiatisch angehauchte Cocktails“. Puh….Kommen wir nun also endlich zum Essen…
Auf die selbstgemachten vegetarischen Frühlingsrollen mit Glasnudeln ist man hier besonders stolz und sie sind - wenn auch sehr teiglastig – wirklich nicht schlecht. Die Besonderheit des „Selbstgemachten“ könnte man aber unterstreichen, indem man dazu nicht eine industrielle „süße Chilisauce“ servieren würde…
Es folgte die „Appetizer“-Platte mit fünf ausgesuchten kleinen Vorspeisen. Der „Yellow Tuna“ der laut der Speisekarte „medium rare“ hätte sein sollen, kam „rare“ daher und war daher abgesehen von einem 2mm-Rand komplett roh. Bei dieser hervorragenden Fischqualität war das aber mehr Genuss als Verdruss. Das in der Karte als „High Five Beef – in feinsten Gewürzen gekochtes Rindfleisch“ bezeichnete Tellerchen war geschmacklich ein kalter Terijaki-Tafelspitz, dessen Geschmack wohl in eine der Suppen auf der Karte abgewandert sein dürfte. Der eingelegte Bambus in Chili-Öl war schon nicht schlecht, aber der Terijaki-Portobello-Pilz auf Tofu war ein überraschendes Highlight, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Insgesamt war die Vorspeisen-Platte schon sehr vielversprechend.
In Sachen Sushi & Co. braucht sich das Junn keineswegs hinter den ganz großen in Wien zu verstecken, was nicht nur an der schon erwähnten Fischqualität, sondern sicher auch an den Fähigkeiten der Küche liegt. Bei Nigiris ist das Angebot größer als üblich und hier kann man sich ruhig auch trauen über die übliche Lachs-Thunfich-Butterfisch-Tristesse hinauszugehen. Die Dorade war besonders köstlich. Die Spicy-Tuna-Maki bedeuteten ein pikantes Widersehen mit dem thunlichen Freund von der Vorspeisenplatte und bei den Tempura Maki („Dancing Prawn Rolls“) wäre in Sachen Mayonnaise weniger vielleicht mehr. Insgesamt kann man hier wirklich wunderbar Sushi essen.
Gleiches gilt für die Kushiyaki-Spieße, die man hier wahlweise mit Lamm, Rind, Huhn, Lachs, Garnele und drei vegetarischen Varianten bestellen kann. Dafür, dass sie nur auf der Herdplatte entstanden sind, sind sie wirklich wunderbar gewesen. Die japanischen Originale kommen auf der Straße natürlich von einem Holzkohle-Robata-Grill und entfalten daher noch ganz andere Aromen.
Wem Spieße haptisch zu klein sind, der könnte sich auch einen „Bao-Burger“ bestellen, ein Gericht, das irgendwo zwischen einem flachen asiatischen Germknödel („Bao“) und einem gefüllten Burger angesiedelt ist. Unserer war mit knuspriger Ente gefüllt und machte weder in Sachen Konsistenz noch geschmacklich Sinn. Denn der Fladen war zu feucht um ihn schön halten zu können und zu dünn um an das Bao-Beiß-Erlebnis heranzukommen. Auch die Füllung war mau.
Dafür war die folgende kleine Dim Sum Variation wieder sehr versöhnlich. Die Dim Sums werden hier hausgemacht und nur so lange angeboten so lange es sie eben gibt. Schade, dass nicht auch die drei dazu gereichten Saucen im Haus gemacht wurden. Alleine durch das eigenhändige Kombinieren unterschiedlicher Saucen würde nicht sofort der Eindruck entstehen, dass hier auch mit Industrieware gearbeitet wird.
Auch fast wunderbar war das kleine „Asia Tenderloin Steak“ mit Pak Choi und Zucchini, das herrlich gewürzt und aufgeschnitten serviert wurde. Abgesehen von den beiden mittleren Scheiben war es wirklich köstlich, diese waren leider etwas zäh, was die Vermutung aufkommen ließ, dass es sich hierbei entweder um kein Filet oder nur falsch temperiertes Filet gehandelt hat.
Insgesamt kann man im neuen Junn also wunderbar essen, wobei bei den Vorspeisen eindeutig der Yellow Tuna und die marinierten Pilze hervorzuheben sind. Beim Sushi war alles toll, wenn auch die Übermenge Mayonnaise bei den Tempura Maki nicht hätten sein müssen. Die Bao-Burger waren echt nicht mein Fall, dafür aber eindeutig die Dims Sums, die Spieße und das Steak. Essenstechnisch kann man sich hier also eindeutig auf die Schulter klopfen.
Und wie wird sich wohl das Konzept mit den Cocktails behaupten? Nun, die Cocktails mit dem japanischen Twist sind gar nicht übel. Ich habe einen „Alojito“ probiert, quasi einen Mojito mit Aloe Vera. Die Idee ist vielleicht witzig, aber vielleicht sollten sich die Betreiber nicht zu sehr auf die Cocktails als Hauptbestandteil des Konzepts festlegen. Wenn bei uns Leute Cocktails trinken wollen, dann wollen sie an der Bar sitzen und Lounge Music hören. Und der Barbereich im Junn ist überschaubar und nicht wirklich gemütlich. Insofern ist es mutig, sich hier jetzt schon zu versteifen. Der Wurm sollte ja eigentlich dem Fisch schmecken und nicht dem Angler…
Es gibt natürlich erfolgreiche Beispiele dafür, dass das Pairing von Cocktails und Speisen funktioniert, aber diese Lokale sind in London, Barcelona und Shanghai. (Und in Deutschland, wenn wir die Burgerkette „Hans im Glück“ mit einbeziehen) Bis die Leute in Wien in einem asiatischen Lokal Cocktails trinken gehen wollen, kann es noch lange dauern. Besonders dann wenn es sich nicht um einen stylischen Club, sondern ein verwinkeltes nettes Speisenlokal handelt. Aber mit einem sehr langen Atem könnte es natürlich doch funktionieren...
Dafür und davor sollten die Leute aber erst einmal in Junn kommen, um das Essen zu genießen, denn das hat es auf alle Fälle verdient. So, und jetzt hätte ich noch eine letzte komprimierte Zusammenfassung des Konzepts, den einfachsten Grund in Junn zu kommen. Hier gibt’s „köstliches Asia-Streetfood zum Hinsetzen“!
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