Die letzte Woche war kulinarisch gesehen im Vergleich zu manch anderer Woche eine durchaus Interessante. Neben der Veranstaltung am Freitag im Weingut Georgiberg (siehe Review) ergab es sich unter der Woche aufgrund eines Workshops, dass ich zwei Tage im Wirtshaus Jagawirt bei St. Stefan ob Stain...Mehr anzeigenDie letzte Woche war kulinarisch gesehen im Vergleich zu manch anderer Woche eine durchaus Interessante. Neben der Veranstaltung am Freitag im Weingut Georgiberg (siehe Review) ergab es sich unter der Woche aufgrund eines Workshops, dass ich zwei Tage im Wirtshaus Jagawirt bei St. Stefan ob Stainz einkehren durfte.
Der für mich bislang unbekannte Gasthof (mit Seminarräumlichkeiten) nahe des Reinischkogels entpuppte sich auf Nachfrage bei den wissenden Kollegen aus der Region als eigentlich recht bekannt, ja fast schon als einstiger Hotspot.
In jedem Fall schien das mittlerweile vielmissbrauchte Wörtchen BIO dort schon lange gelebt worden zu sein, bevor es modern wurde. Besonders bekannt scheint der Jagawirt für die artgerechte Schweinehaltung in Freigehegen zu sein, in denen sich nicht nur alte Rassen das ganze Jahr im Freien tummeln, sondern auch das Waldschwein – eine Kreuzung aus Haus- und Wildschwein ein angenehmes Leben verbringen darf.
Wir hatten leider das Pech, dass der erste der beiden Tage auf einen Mittwoch fiel, an dem gleichzeitig das Wirtshaus geschlossen war. Verköstigt wurden wir mit einer Brettljause, die ganz ok war, aber bei meiner Bewertung nicht berücksichtigt wird.
Trotzdem war der Mittwoch nicht ganz verloren – wir wurden teilweise und indirekt Zeuge einer Hausschlachtung – hier wird also das produziert, was später in der Küche verarbeitet wird.
Donnerstag war es dann soweit, der Gasthof war offen, wir waren hungrig und neugierig. Die Gaststube selbst war ländlich rustikal eingerichtet mit vielen netten Details dekoriert – sogar auf den Lampenschirmen fanden sich die allgegenwärtigen Schweine. Für uns war der Tisch bereits klassisch eingedeckt – neben der Menage befanden sich jeweils ein Windlicht und eine Pflanze im dekorierten Topf auf jedem Tisch, kleine Spuren vom Vorgänger waren ebenfalls hinterlassen worden.
Außer unserer Gruppe von 12 Personen waren noch zwei weitere Gäste anwesend.
Das Service bestand aus der Chefin selbst und einer weiteren Kraft, die ein wenig rustikal, aber freundlich und flott die Getränke aufgenommen hat. Wenig später brachte die Chefin die Speisekarten und zählte gleichzeitig jene Gerichte auf, die nicht in der Karte standen – die angepriesene geröstete Leber und die Blutwurst fanden bei einem Teil der Gruppe spontan Anklang und wurden bestellt. Ich entschloss mich für eine Grammelstrudelsuppe und ein gebackenes Waldschweinschnitzerl.
Die Vorspeisen wurden nach nur kurzer Wartezeit serviert. Die Farbe der Suppe war bereits sehr vielversprechend – der optische Eindruck wurde durch die erste Kostprobe mehr als bestätigt. Schon lange hatte ich keine Suppe gegessen, die zwar kräftig war, aber trotzdem keinen versalzenen Eindruck hinterließ. Der Grammelstrudel war geschmacklich ok, tat sich mit der Suppe allerdings ein wenig schwer.
Wenig später wurden die Hauptspeisen serviert – trotz der 12 Personen bekamen alle fast gleichzeitig ihre Gerichte. Mein Waldschweinschnitzerl bestand aus zwei Stück in der Kürbiskernkruste. Das Fleisch war wunderbar zart und geschmacklich sehr gut. Die dazu gereichten Petersilerdäpfel waren ok, hätten allerdings von Haus aus ein wenig mehr Salz vertragen – kein Problem, der Salzstreuer war ja am Tisch. Die (natürlich auch) selbstgemachte Vogelbeermarmelade war mir fast ein wenig zu bitter.
Beim Abservieren wurde gewissenhaft nachgefragt, ob alles gepasst hatte und gleichzeitig die Nachspeisen so verlockend vorgeschlagen, dass ich beim warmen Schokokuchen nicht nein sagen konnte. Die Zubereitung dauerte ein wenig, aber es lohnte sich zu warten.
Zwei mittlere Stücke fanden sich am Teller, dazu eine Kugel Vanilleeis im extra Schälchen und ein Gupf Schlag verziert mit einer Blüte. Der Kuchen war wirklich sehr gut, saftig, im Mittelteil allerdings ein wenig wässrig. Da die Rechnung dankenswerter Weise die Firma übernahm, kann ich nur grob Auskunft über die Preisgestaltung geben: Mein Waldschweinschnitzerl kam auf rund 14 bis 15 Euro, die Suppe auf ca. 4 Euro – durchaus im akzeptablen Rahmen für die hohe Qualität.
Zum Fazit: Das Ambiente ist zwar nicht ganz perfekt, aber rustikal und gemütlich. Das Service wirkte nie überfordert (wohl auch aufgrund der überschaubaren Gästeanzahl), die Chefin war souverän. Die Speisen waren durchwegs gut bis sehr gut mit kleinen „Schönheitsfehlern“ – ohne diese wäre der Trend zu den 5 Punkten wohl noch deutlicher ausgefallen. Wer auf regionale Produkte ohne lange Transportwege Wert legt ist hier gut aufgehoben, Qualität und Geschmack sind eindeutig über dem Durchschnitt.
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