Nach einer Pizza- und Pasta-lastigen Woche und wahrscheinlich auch leicht beeinflusst durch das allgegenwärtige „Aufsteirern“ verlangte Geist und Körper diese Woche Samstag Mittag nach etwas Bodenständigem. Das entsprechende Angebot in Graz ist groß, die uns bisher unbekannte Herzl Weinstube wurd...Mehr anzeigenNach einer Pizza- und Pasta-lastigen Woche und wahrscheinlich auch leicht beeinflusst durch das allgegenwärtige „Aufsteirern“ verlangte Geist und Körper diese Woche Samstag Mittag nach etwas Bodenständigem. Das entsprechende Angebot in Graz ist groß, die uns bisher unbekannte Herzl Weinstube wurde auserkoren. Das Wirtshaus liegt günstig in der Fußgängerzone, sozusagen inmitten des gastronomischen Epizentrums am Mehlplatz, wo sich ein Lokal an das andere reiht. Vor dem Lokal befindet sich ein Gastgarten von respektabler Größe, der als wir ankamen lediglich von einem Gast bevölkert wurde.
Wir waren neugierig auf die angepriesene Innenhofterrasse und machten uns auf ins Wirtshaus. Der Weg zur Terrasse ist gut beschildert, führt über teils schmale Gänge vorbei an Kühlschränken auf eine recht nette Plattform mit rund 10 Tischen. Obwohl Decken bereit liegen war uns in dem sonnenlosen Innenhof etwas zu kühl und wir traten den Weg retour Richtung Gaststube wieder an. Für heiße Sommerabende ist die Terrasse aber sicher ein erinnerungswürdiger Tipp.
Fast wieder am Ausgang angekommen bogen wir diesmal rechts ab, durch die etwas niedrig dimensionierte Eingangspforte, die wohl der Architektur aus früheren Zeiten geschuldet ist – laut Homepage besteht das Haus an dieser Stelle seit dem 17. Jahrhundert. Im ersten Raum befindet sich die Bar und einige wenige Tische, wir wanderten weiter durch Raum zwei und drei, die als Raucherbereich ausgewiesen waren und suchen uns in Raum vier (NR) einen der vier Tische aus, in Summe würden wir schätzen waren rund 15 Gäste anwesend.
Das Ambiente ist sehr rustikal, teilweise etwas dunkel durch zu geringe Beleuchtung, aber auch durch die Holzmöblierung und dunkelbraune Deckenvertäfelung, lediglich die hellbraune Holzpaneele an den Wänden sorgt für ein wenig Aufhellung.
Auf unserem Weg zum Tisch sind uns drei schwarz gekleidete Damen im Service begegnet – neben der Chefin werkten eine jüngere sowie eine sehr junge Dame, die sich offensichtlich noch am Anfang ihrer Ausbildung befindet. Im Laufe des Besuches werden wir von allen drei Damen bedient, die Bestellung nahm das mittlere Fräulein auf.
Die Getränke wurden wir üblich aus dem Stand heraus abgefragt – wir nahmen ein kleines Bier und einen kleinen Radler, entschieden uns für das Gösser und gegen das Puntigamer, auf der Rechnung stand dann letztendlich Murauer…
Die Karte bot neben den Klassikern wie Schnitzel und Cordon Bleu auch einige Spezialitäten, die saisonal wechselten, gut fand ich die „terminliche Vorschau“ auf künftige Themen wie z.B. die Wildwochen. Fr. bluesky entschied sich ambitioniert für den gekochten Brustkern auf Kürbisgemüse und Rösterdäpfeln, ich hatte mir das Hauspfandl entschieden, dazu einen gemischten Salat.
Was uns bei der Tischwahl leider entgangen war, ist der Speiseaufzug, der wohl in die Küche führte und nur leicht schräg gegenüber lag. Das gab uns allerdings auch die Gelegenheit einige spannende Beobachtungen zu machen, welche die im Endeffekt leider recht lange Wartezeit bis zum Servieren unserer Speisen etwas verkürzten. Angerichtete Teller fuhren runter, keiner vom Service war da um „auszuladen“…der Lift fuhr wieder nach oben, noch mehr Bestellungen wurden in eines der beiden Fächer gestellt, von denen zumindest das untere beheizt war. Kam jemand vom Service, um „auszuladen“ waren nun natürlich viel zu viele Teller für eine Person vorhanden, die Lifttüre blieb während des Serviervorganges offen, was sich nicht unbedingt positiv auf die Temperatur der Gerichte auswirkte. Ich kann verstehen, dass man als Wirt durch räumliche Gegebenheiten bestimmte Einschränkungen hinnehmen muss, aber die sollte man dann durch eine ausgeklügelte Servicestrategie kompensieren.
Trotz der wenigen Gäste hatten wir immer das Gefühl, das Service arbeitet am oberen Limit, speziell die Chefin machte einen überlasteten Eindruck, bestellte Getränke wurden vergessen oder erst nach dem 2. Urgieren serviert, abgeräumte Teller stapelten sich neben zusammengeknüllten Tischtüchern im Blickfeld der Gäste. Bei der sehr jungen Servicekraft fehlte (noch?) der Sinn für die effiziente Arbeit – mehr als ein Weg wurde leer gemacht, ohne Abzuräumen – so kann man es sich natürlich auch zusätzlich schwer machen.
Auch die Küche trug das ihre zum Stress bei, so wurden laufend vergessene Bestandteile von Gerichten nachgeliefert (die Wurst zum Knödel und Kraut, die Zitronen zum Backhendl, …).
Letztendlich wurden auch unsere Gerichte serviert – durch die angesprochenen Umstände leider nicht mehr ganz so heiß, wie erhofft, auf meinem Safterl befand sich schon eine leichte Haut.
Zwei Tranchen vom geschmacklich guten und mürben Brustkern lagen auf sehr gut abgeschmecktem und noch knackigem Kürbisgemüse und einer beachtlichen Portion ebenfalls guter Rösterdäpfeln. Dazu gabs ein Natursafterl, über dem Fleisch frisch gerissener Kren, etwas mehr Sorgfalt beim Anrichten hätte uns gefallen. Fr. bluesky war zufrieden, die Portion war allerdings nicht zu bewältigen.
Mein Hauspfandl bestand aus Schweinefiletspitzen mit Spätzle und einem Safterl aus Zwiebel, Speckwürfeln, Paprika und Pfefferkörnern. Das Fleisch war zart und gut gebraten, die Spätzle waren ok. Das Safterl war so würzig, dass ich den Verdacht nicht losgeworden bin, dass pulverförmige Helferlein zum Einsatz gekommen waren.
Der Salat war überraschend vielfältig, bestehend aus grünem Blattsalat, Tomate, Käferbohne, Rahmgurken und Erdäpfeln – sehr gut mariniert.
Nach den Riesenportionen war beim besten Willen kein Platz mehr für eine Nachspeise, die Rechnung kam nach kurzer Wartezeit, die knapp 38 Euro waren unserem Empfinden nach dank der großen Portionen vertretbar.
Zum Fazit: Das Ambiente ist urig und rustikal und leider etwas hellhörig. Für Gesellschaften gibt es eine Vielzahl von extra Räumlichkeiten, die einen sehr gepflegten Eindruck machten.
Die Küche kann man guten Gewissens mit einer gepflegten Wirtshausküche beschreiben, die allerdings durch mangelnde Sorgfalt beim Anrichten dem Service durch Nachlieferungen vergessener Bestandteile zusätzlich Arbeit beschert.
Das größte Manko während unseres Besuches war das Service. Zwar freundlich, aber unorganisiert und überlastet – es würde wahrscheinlich schon helfen, wenn jemand separat nur für die Getränke zuständig wäre. Durch eine bessere raumweise Zuordnung und durch Aufstocken des Serviceteams müsste man nicht so knapp am Limit arbeiten. Zur Verteidigung sei gesagt, dass als wir das Lokal verlassen hatten der Gastgarten fast voll besetzt war.
Hilfreich14Gefällt mir8Kommentieren