Pogusch [po’guasch]. Pogier [po’gia]. Parschlug [pa’schluag].
Als Bauern-„Bua“ ging man von den Dörfern nordöstlich von Kapfenberg noch zu Fuß zur Schule hinunter in die obersteirische Arbeiterstadt.
Ein halbes Jahrhundert später führen schön ausgebaute Straßen hinauf in die von der Sonne ...Mehr anzeigenPogusch [po’guasch]. Pogier [po’gia]. Parschlug [pa’schluag].
Als Bauern-„Bua“ ging man von den Dörfern nordöstlich von Kapfenberg noch zu Fuß zur Schule hinunter in die obersteirische Arbeiterstadt.
Ein halbes Jahrhundert später führen schön ausgebaute Straßen hinauf in die von der Sonne begünstigten Hügel. Die Siedlungen wachsen enorm, die Ortstafel scheint aber immer noch wie vor 50 Jahren kurz vor dem Ortskern zu stehen.
Der Scheint trügt: Abwanderung ist gerade hier in der Mur-Mürz-Furche ein heißes Thema. Dass man dann auch noch über die Schließung des Gemeindeamts diskutiert, schmeckt hier sicher kaum jemandem: ein großes Plakat ruft zur Unterschriftenaktion auf.
Neben der mannshohen Einladung für das dörfliche Schnapsturnier gleich noch ein Plakat:
die Gemeinde Parschlug „grüßt seine Lizz Görgl“.
Oho, hier machte sie also ihre ersten Schwünge. Schilift ist hier allerdings weit und breit keiner zu sehen, da durfte sie wohl vor dem Runterwedeln auch ordentlich raufbretteln. Scheint ihr nicht geschadet zu haben.
Görgl – nicht [göəgl], sondern [göə‘ggl], Kapfenberger Deutsch ist deutlich akzentuiert, ein Einheimischer ruft seine Inge auch nicht [iŋe], sondern [iŋ’gge]. Das muss man wissen!
Famile Christine und Johann Görgl sind zweimal meine Gastgeber, gleich neben dem Gemeindeamt.
Am Nebengebäude klebt noch ein altes afri-cola-Quadrat auf der Bretterwand. Daneben das Fluchtloch für die Hauskatzen. Wie anno dazumal.
Ein paar einfache Tische unter dem großen Baum, daneben zwei massive Holztische samt Bankerl. Das Wetter rät aber eher zum Drinsitzen.
Drinnen wurde großzügig erweitert und renoviert, helles Holz, Sitzgruppen und Barhocker frech aber nicht unpassend mit Fleckerlteppichen bezogen. Mehrere Familien in netten kleinen Runden, eine Männergruppe strapaziert die Bummerlmaschine und ein örtlicher Cowboy mit Hut und blauer Raffeisenhose gönnt sich sein verdientes Bier an der Bar.
Das tue ich auch, allerdings gibt’s hier auch ein neues Alkoholfreies aus der Leobner Großbrauerei – und das sogar vom Fass, ja hast du Worte. Exzellent gezapft, eine stolze Tulpe mit „Foam“ oben.
Groß wie klein, es schmeckt wirklich phantastisch, wer braucht da noch Alkohol.
Die Hintergrundmusik passt zum Lokal: Fendrich jammert über die Strada del sole, Wolferl Ambros will immer noch ´zwickt werden und Steffi Werger hat Sensucht nach Florenz. Na bitte!
Die Karte: ein Who is Who der Gasthauskarte anno 1976.
Wiener vom Schwein, „Gordon“, Holsteinschnitzel, Naturschnitzel mit Reis.
Grillteller, Grillkotelette, Hausplatte für 2 Personen.
Putenschnitzel, Putenstreifen mit Blattsalaten.
Fleischlos: Champignons mit Sauce "Trara", Käse- oder Eierspätzle.
Für unsere kleinen Gäste: Donald Duck, Mickey Mouse.
Süßes: Coupe Danmark, Heiße Liebe.
Schweinsbraten mit Rösti. Aus dem Kapitel Spezialrezepte. Heute auch: Grammelstrudelsuppe, Schweinsmedaillons mit Bandnudeln und Eierschwammerln. „Somloi“ Nockerln.
Tag 1: die Grammelstrudelsuppe muss es sein. Viel Schnittlauch, wirklich feine Suppe, so muss man ein traditionell ländliches Menü beginnen. Macht Freude.
Der Strudel überzeugt mit würzig-knuspriger Füllung, der Teig ist ein bisschen dick geraten, allerdings nicht so schön teigig wie ein Strudelteig sein sollte, sondern eher ein bisschen zäh und trocken. Trotzdem: sehr gut.
Der Schweinsbraten wird serviert. Zwei dicke Riesenscheiben extrem zartes Fleisch mit ordentlichem Fettrand. Ziemlich üppig, wirklich deftig angerichtet kommt er für 4 Stunden ins Rohr.
Sehr frei nach Kundera: nicht gerade die erträglichste Leichtigkeit des Schweins.
Leider kommt er auch ordentlich salzig wieder raus.
Der Riesenportion gegenüber stehen die Rösti aus dem Ofen, die allerdings zumindest genauso üppig daherkommen wie der Braten. Der Magen streikt bei der Hälfte des Tellers.
Herr Chef meint, dass die lange Garzeit das Saftl eben ordentlich „einreduziert“ und verspricht, dass die Küche ansonsten beim Salz sehr wohl aufpasst.
Schade, da kann selbst der ausgezeichnete, traditionell steirische Blattsalat nicht mehr gegensteuern: frischer Salat, klein geschnitten, bestes, nicht gestrecktes Kürbiskernöl, fein süßlich aber nicht zu süß abgemacht und sogleich umgerührt – wie sich’s eben gehört. Einen ganzen Berg könnte ich von diesem Salat essen – wie bei Oma, extra für mich ohne Erdäpfelstückerln.
Tag 2: Görgl kriegt die zweite Chance. Wieder eine Suppe, diesmal mit Frittaten.
Wieder sehr gute Vorstellung, die Rindsuppe könnte kaum besser sein, die akribisch dünn geschnittenen Frittaten sind reichlich in der großen Tasse und verbinden sich gut mit der Suppe. Nix zu meckern.
Ich breche mein Gebot, 2x Schwein pro Jahr. Die Medaillons, gestern empfohlen, auch heute noch im Programm. Die frischen Eierschwammerln kommen aus dem eigenen Waldbesitz.
Vier (!) Filets, allesamt zartrosa und zart, scharf angebraten, Bandnudeln al dente mit Butteraroma, dazu ein wirklich feines Safterl mit Zwiebel und besonders guten Eierschwammerln. Wer einmal selbst Schwammerl suchen war, der kommt nie mehr auf die Idee, die letscherten Brüder aus Litauen oder Serbien im Supermarkt zu kaufen.
Sehr lobenswert: ein Löfferl mit Schlagobers wird als „Option“ beigestellt und nicht schon vorab mit der Sauce „verrahmscht“. Die Sauce kann auch so genug.
Ebenfalls überflüssig: die glasigen Speckstreifen, die wiederum zu viel des Guten wären. Aber wie schon gesagt: man kann sie weglassen, wie auch die x-te Balsamicoreduktion.
Heute hat die Nachspeise noch Platz: Somlauer Nockerln. Zarter Biskuit, Vanillesauce ein bisschen banal, die Schoko-Nussbrösel-Kombi überzeugt aber: Flaschensauce schmeckt anders, auch der Schlag ist nicht aus der Isi-Pumpgun.
Service: zum Großteil vom Chef selbst, stets „in 2 Sekunden!“ sehr flott und umsichtig unterwegs, dazu der nötige Schmäh.
Fazit: ganz habe ich dem Görgl den salzigen Schweinsbraten noch nicht verziehen, aber ich wusste schon danach, dass die zweite Chance gelingen wird, war doch schon Suppe und Salat so, wie ich es mir von einem „Guten Steirischen Wirtshaus“, so wie’s das Emblem an der Türe ausweist, erwarte.
Empfehlenswert!
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@amarone: wenn du mal in der Nähe bist, Burggasse hinauf gehen, rechte Seite ungefähr Nr. 10 oder 12, ziemlich unscheinbar, man läuft schnell an dieser Greisslerei vorbei, die haben wirklich gute Kardinalschnitten. Glaub mir!