Sonntagnachmittag in Sankt Pölten. Der Hunger meldet sich - aber es ist ein Desaster. In ganz St. Pölten findet sich um 14.30 nicht die kleinste Kaschemme, in der man seinen Hunger stillen könnte. Entweder ist ab 14 Uhr geschlossen, oder ab 14 Uhr 30. Das nützt uns nichts.
Da wir vor haben, in ...Mehr anzeigenSonntagnachmittag in Sankt Pölten. Der Hunger meldet sich - aber es ist ein Desaster. In ganz St. Pölten findet sich um 14.30 nicht die kleinste Kaschemme, in der man seinen Hunger stillen könnte. Entweder ist ab 14 Uhr geschlossen, oder ab 14 Uhr 30. Das nützt uns nichts.
Da wir vor haben, in die Kellergasse von Traismauer zu fahren, beschliessen wir, halt dort bei einem Heurigen irgendwelche Brote zu essen, wohl wissend, dass uns das nicht befriedigen wird.
Auf der Fahrt dorthin fällt mir ein, dass ich über den "Nibelungenhof" in Traismauer irgendwann Gutes gelesen habe.
Gesagt, getan. Wir cruisen durch Traismauer und folgen den Schildern. Ja, und wirklich, in einer Kurve, die wir oft schon durchfuhren, liegt das etwas unscheinbare, grosse Gasthaus.
An der Wand steht "Nibelungenhof, Komfortzimmer" und daneben "Gasthof zur Traube". Hm. Ganz sicher sind wir nicht, ob wir hier richtig sind.
Also, auf zum Haupteingang. Eine "A la carte" Auszeichung, eine "Falstaff-Auszeichung", eine "Bier-Wirt-des-Jahres-Auszeichung" fallen uns sofort ins Auge. Da es 21 Grad hat und total sonnig ist, suchen wir den Gastgarten auf. Dieser liegt aber bereits im Winterschlaf.
Also, auf in die Gaststube. Sofort werden wir von einer Dame hinter der Schank empfangen. "Haben Sie Ihre Küche noch geöffnet?"
"Ja, natürlich, kommen Sie nur".
Praise the lord. Um 15 Uhr am tiefsten Land wähnen wir uns glücklich.
Der "Raucher" ist der Raum mit der Schank. Wir nehmen am Stammtisch Platz. Ausser uns ist noch ein Paar anwesend, welches sich gerade zum Gehen anschickt.
Sofort ist - wie sich später herausstellt - die Wirtin am Tisch und sagt, dass sie gerade frische Landhendl, gefüllt, fertig hätte sowie eine Kaspress-Knödel-Suppe.
Mmm. Hört sich gut an. Aber wir wollen noch schmökern. Während des Schmökerns trinken wir Grünen Veltliner (2,-- für das Achterl), vom Haus, sowie einen Gelben Muskateller (2,80). Beide Weine begeistern uns. Der Grüve ist so, wie er sein soll: Feine Säure, pfeffrig, etwas fruchtig, gut. Der Gelbe Muskateller des lieben Begleiters mundet ihm ebenfalls.
Die Karte, die wir erhalten, scheint eine etwas reduzierte Nachmittagskarte zu sein. Es finden sich Schweinsschnitzerl, Fischgerichte, Erdäfpelfrühlingsrolle, Schulterscherzerl, Tofu, etc.
Ich erinnere mich unentwegt an die gefüllten Henderl meiner Mutter und kann nicht widerstehen: Für mich wird es das Brathendl, vom Land, mit Semmelfülle und gemischtem Salat.
Für den lieben Begleiter ein Wallerfilet, gebacken, mit Salat von der sog. Haimel-Fischzucht. Davor wollen wir die Kaspress-Knödel-Suppe probieren.
Diese habe ich noch nie gegessen, weswegen ich kein Vergleichs-Parameter habe.
Was wir serviert bekommen, ist eine sehr dunkle, wohlschmeckende, kräftige Rindsuppe, mit Stücken von der Petersil-Wurzel und einem grossen, flachen Knödel. Beim Essen stellt sich heraus, dass dieser in der Mitte offenbar mit Käse gefüllt ist. Alles klar, jetzt weiss auch ich, was es mit dem Kaspress-Knödel auf sich hat. Ausgezeichnet.
Nach etwa 20 Minuten werden die Hauptspeisen serviert.
Mein Brathenderl kommt in einer grossen Porzellan-Schüssel, schön in Bratensaft liegend. Daneben eine Schale mit hübsch angerichtetem, gemischten Blattsalat.
Und wirklich wahr, wie es auch der Kritiker im Gault Millau beschreibt, es ist ein Henderl, dem jedes künstliche Gewürz fremd ist, mit einer wunderbar knusprigen Haut und darunter, im "Bauch" , der Semmelfülle. Diese schmeckt so gut und gut gewürzt, dass es mir natürlich viel zu wenig ist.
Allein an der Grösse des Hendls sieht man, dass es nicht in einer Batterie aufgewachsen ist. Der Geschmack des Fleisches ist ganz überragend.
Das gebackene Wallerfilet wird serviert mit gemischtem Salat. Obenauf liegt etwas, was ich noch nie sah: Etwa 2 cm grosse Dinger, die ich nicht zuordnen kann. Beim Anschneiden zeigt sich, dass es Minimini-Gurken zu sein scheinen. Sie schmecken köstlich.
Das Wallerfilet hat keine einzige Gräte zu bieten, ist frisch paniert und schmeckt köstlich. Dieser Fisch hat keinen einzigen Tag in der Gefriertruhe verbracht.
Der gemischte Salat ist das Einzige, was es zu kritisieren gibt: Minigurken, Krautsalat, rote Linsen, rosarote Rüben und Erdäpfel. Die Marinade ist gut, aber die Erdäpfel sind grauslich - ein bissen alt, nach nichts schmeckend.
Trotzdem schmausen wir vergnügt vor uns hin.
Beim Abservieren offeriert uns die Wirtin Grappa von der hauseigenen Muskateller-Traube. Ja, ein feines Gesöff. Allerdings ist es mir nicht möglich, die Muskateller-Traube herauszuschmecken. Es ist ein feiner,milder Grappa.
Während unseres Sitzens checkt ein deutsches Radfahrerpaar, welches ein Zimmer bestellt hat, ein. Sie werden von der Wirtin lieb empfangen und erhalten beide ein Glas "Fruchtsaft des Hauses" (Succo ?). Es scheint Ihnen sehr zu schmecken.
Nach dem Essen lassen wir die Blicke ein bisschen herumschweifen. Dieser Schankraum ist etwas chaotisch. Dort liegt was, hier liegt was, der ältere Mann hinter der Schank (der Vater?), schaut fern, das stört ein bisschen, irgendwie ist alles durcheinander.
Dahinter sehen wir den offenbar gepflegteren Nichtraucherraum. Nicht, dass es nicht Charme hätte, in diesem Schankraum zu sitzen. Aber es wäre sehr leicht, ein paar der Dinge wegzuräumen.
Nach einem netten, persönlichen Plaudern mit der Wirtin verabschieden wir uns und steuern den Innenhof an. Hier stehen viele 5-Liter-Gläser diversesten Inhaltes herum. Auch Gläser mit eingelegtem Gemüse, etc. Das scheint die Profession des Herrn Melichar zu sein.
Beim Verlassen checken wir noch die vielen Auszeichungen an der Gasthoftür und bekommen jetzt mit, dass wir in einem 2-Hauben-Lokal mit Maut € 56,-- für ein köstlihes Mahl bezahlt haben.
Ich freue mich schon auf das nächste Mal.
Hilfreich14Gefällt mir9Kommentieren