57 Jahre nachdem Isabella Funks Vater das „Chattanooga Dancing“ am Graben auf die Beine gestellt hat, sollte jetzt zusätzlich in den unterirdischen Räumlichkeiten des Clubs ein Bier-Lokal entstehen, wie es ein solches in der Innenstadt sonst kaum gibt: Holzvertäfelte Wände, Gasthaustische auf den...Mehr anzeigen57 Jahre nachdem Isabella Funks Vater das „Chattanooga Dancing“ am Graben auf die Beine gestellt hat, sollte jetzt zusätzlich in den unterirdischen Räumlichkeiten des Clubs ein Bier-Lokal entstehen, wie es ein solches in der Innenstadt sonst kaum gibt: Holzvertäfelte Wände, Gasthaustische auf denen nur die verklebten Maggi-Flaschen fehlen, Malereien von trinkenden Mönchen und ein riesiger Plastikbaum. So oder so ähnlich stellen sich Touristen wahrscheinlich eine typische Wiener Bierhalle vor. Wobei jetzt aber nicht nur Touristen die Zielgruppe wären, sondern auch die Eingeborenen. Das Motto lautet „Uriger Charme trifft auf modernen Style“ und es klingt ein wenig wie von einem Marketing-Praktikanten im ersten Lehrjahr. Dabei sind die jungen Funks Profis, die das Betreiben von Lokalen und alle guten und weniger guten Aspekte davon bereits mit der Muttermilch aufgesogen haben. Die junge Chefin jongliert ihr Personal beeindruckenswert. Bei der Küche im Stadtbräu gibt es aber noch ein paar Schrauben anzuziehen …
Wir starteten unseren Besuch mit einer aufgeschäumten „Bratlfetten“ samt Hausbrot. In einem Bierlokal sind die Aufstriche und das Brot ja ähnlich bedeutend wie beim Heurigen. Wobei natürlich aufgeschäumte Bratlfetten eine wahnsinnig mollige, ja fast schon zu „geile“ Angelegenheit ist und geschmacklich vieles andere erschlägt. Insofern rate ich zu diesem intensiven Schaumtraum nur dann, wenn man danach nichts „Feineres“ mehr essen möchte.
Nachdem hier angeblich vor allem viele Frauen zu Salaten greifen – ich selber kenne keine einzige Dame, die in einem Braulokal Salat essen würde – probierten wir auch den stadtbräuischen Brotsalat mit getoasteten Schwarzbrotwürfeln und Schafsfrischkäse. Letzterer war wirklich gut, für mich aber kein typischer Salatkäse. Auf alle Fälle war dieser Salat sehr gut abgeschmeckt und macht aufgrund des Brotes darin immerhin auch satt.
Auch wenn wir eigentlich schon mehr als übersättig in Sachen Beef Tartare sind, die Variante im Stadtbräu ist tatsächlich köstlich. Und das weniger, wegen der dicken Avocado darauf – die das Gericht meiner Meinung nach etwas zu üppig macht – sondern vor allem dank seiner sehr cremigen Konsistenz. Und mit cremig meine ich jetzt nicht nur länger zerkleinert, sondern gerade so streichfähig, dass der wunderbar abgeschmeckte Rest-Biss dann wirklich Spaß macht.
Nachdem ja mittlerweile fast schon jeder Nudel-Imbiss und Würstelstand Burger anbietet, sind wir auch im Wiener Stadtbräu nicht am Stadtbräu Burger vorbeigekommen. Nachdem das Fleisch im Beef Tartare so großartig war, sind wir davon ausgegangen, dass eigentlich auch der Burger eine rosige Köstlichkeit sein müsste. Und auf die Ketchup-Reduktion „Ketchup-Leather“ waren wir auch ziemlich gespannt. Der medium bestellte Burger kam dann natürlich durchgebraten daher, was in meinem Universum gleichbedeutend ist wie Regen am Wandertag. Zwar konnte ein wunderbares Zwiebel-Chutney unterhalb des Fleisch wieder einiges gut machen, nur war dann wiederum von diesem Chutney so viel im Burger, dass so ziemlich alle anderen Geschmäcker untergingen. Auch der des teuren Leder-Ketchups. Sowohl bei der Chutney-Menge, als auch bei der Garzeit wäre hier weniger eindeutig mehr gewesen. Die dazu gereichten Pommes Frites waren Convenience.
Ein spannendes Gericht sind die hauseigenen, überbackenen Schinkenfleckerln im Stadtbräu, denn sie kommen sehr viel flüssiger daher, als man es von üblichen Schinkenfleckerln gewohnt ist und sind daher mehr ein in Obers badendes Nudelgratin mit Schinken. Einzelne Bissen davon sind wunderbar, aber das Gericht ist so intensiv und sättigend, dass ich mich nach einer ganzen Portion wahrscheinlich für eine Weile hinlegen müsste.
Die legendären Chattanooga-Spareribs müssen natürlich auch sein, alleine schon des Rufes wegen. Kann das alte Rezept noch mit dem mithalten, was sonst mittlerweile aus dem Smoker oder dem Sous-Vide-Garer kommt? Normalerweise wahrscheinlich ja, in unserem Fall leider nicht ganz. Die marinierten, gekochten und dann im Ofen vollendeten Ripperln waren zwar geschmacklich wirklich traumhaft, hatten aber einen Biss, den man lieben muss. Ich bin immer schon ein Fan jener Spareribs gewesen, die bereits dann vom Knochen gefallen sind, wenn man sie nur böse angeschaut hat. Das grimmige Schauen hatte hier keine Wirkung, die Zähne mussten ganze Arbeit leisten. Wahrscheinlich lag die Konsistenz aber hier am Fleischlieferanten und weniger an der Art der Zubereitung …
Dass weniger wie schon gesagt oft mehr wäre, zeigt auch das Pulled Pork Sandwich, das fast schon ungarisch angehaucht oben offen ist. Denn eine zweite Lage Brot wäre sich hier dimensionstechnisch kaum ausgegangen. Der herrliche zerkochte und marinierte Schweinsbraten wird hier von einer fast schon unmenschlichen Menge Röstzwiebel erdrückt, was vielleicht optisch ganz hübsch ist, aber geschmacklich wie esstechnisch vollkommen vom dem wunderbaren Schwein ablenkt.
Innovationswillen beweist das Stadtbräu mit einem Panko-Backhendel. Panko-Brösel sind ja die japanische Brösel-Variante aus reinem, rindenlosen Weißbrot, die sehr viel grobkörniger sind als unsere normalen Semmelbrösel. Was daraus entsteht, sind sehr viel luftigere Panaden als üblich. Hätte man hier auch reine Panko-Brösel verwendet, wäre dieser Effekt wahrscheinlich voll zu tragen gekommen. Leider wurden die japanischen Brösel mit einigen Austro-Kollegen vermengt, wodurch der knusprig-flaumige Effekt leider vollkommen verpufft. Schade eigentlich, denn das Backhendl wäre sonst wirklich sehr gut gewesen.
Insgesamt haben die Funks mit ihrem Zweitlokal neben dem Chattanooga aber schon vieles richtig gemacht: Das Lokal ist nicht ungemütlich, im Sommer wahrscheinlich eine angenehm kühle City-Oase, das Personal ist flink, freundlich und sehr bemüht und die Küche steht auf soliden Beinen. Ja, es gibt da und dort Nachschärf-Bedarf. Der Burger war nicht nur wegen des übergarten Fleisches eine wackelige Konstruktion, die Schinkenfleckerln für mich etwas zu reichhaltig, die Spareribs zu „chewy“ und das Panko-Huhn wegen der fehlenden Panko-Brösel weder Fisch noch Fleisch. Aber das sind alles Dinge, die man sehr rasch und einfach beheben könnte. Ich kann mir also sehr gut vorstellen, hier demnächst vor der Hitze Zuflucht zu suchen und die Kombination aus Bier und Beef Tartare zu feiern.
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