Der „Wiener Rathauskeller“ ist definitiv eine alteingesessene Institution in Wien, nicht nur für Touristen. 1899 wurde der „Wiener Rathauskeller“ eröffnet – vom damaligen Bürgermeister, Dr. Karl Lueger, der heutzutage, trotz seiner hervorragenden Leistungen für Wien (z.B. erste Hochquell-Wasserle...Mehr anzeigenDer „Wiener Rathauskeller“ ist definitiv eine alteingesessene Institution in Wien, nicht nur für Touristen. 1899 wurde der „Wiener Rathauskeller“ eröffnet – vom damaligen Bürgermeister, Dr. Karl Lueger, der heutzutage, trotz seiner hervorragenden Leistungen für Wien (z.B. erste Hochquell-Wasserleitung), nicht unumstritten ist. Vor nicht allzu langer Zeit hat man ja sogar den „Dr. Karl Lueger-Ring“ in den „Universitätsring“ umbenannt – eine wohl sinnlose, kostenintensive, klassische „Gutmenschen- Aktion“ - es wäre denn, man hätte für die Wiener konsequenterweise gleichzeitig auch das Wasser abgedreht, das „Lueger-Denkmal“ aus Wien entfernt und den „Lueger-Platz“ sowie die „Luegerkirche“ am Wiener Zentralfriedhof umbenannt.
Der Abgang zum Rathauskeller befindet sich direkt am rechten Gebäuderand des Wiener Rathauses – von der Frontansicht aus gesehen. Ein kleines Foyer, ein paar Stufen abwärts, und man befindet sich am Empfang. Freundlich begrüßt, nach unserer Reservierung gefragt, die ich hier übrigens empfehle, wurden wir einem sehr netten und zuvorkommenden Servicemann „übergeben“, der uns an unseren Tisch geleitete. Bereits der Blick entlang des immens langen Kellergangs unter dem Wiener Rathaus war sehr beeindruckend. Der „Salon Ziehrer“ aber, wo wir, vorbei an einem Karussell mit diversen Destillaten und Aperitifs neben dem Salon-Eingang, hingeführt wurden, der raubte einem schon fast den Atem. Barock, überwältigend, mondän, prunkvoll, herrschaftlich – einfach traumhaft schön, wenn auch etwas dunkel. Unglücklicherweise war genau zu diesem Zeitpunkt eine sehr laute, spanische Reisegruppe anwesend, die aber glücklicherweise just in diesem Moment im Aufbrechen war – es wäre sonst akustisch unerträglich gewesen. Damit sollte man im „Rathauskeller“ offensichtlich wohl jederzeit rechnen.
Im Rathauskeller gibt es in Summe fünf öffentliche Gasträume / Speisesäle:
*** Der „Salon Ziehrer“ ***
Neubarock eingerichtet, zahlreiche Gold-Verzierungen, Seidentapete, goldverzierte dunkle Vertäfelung des gesamten Raumes samt Vitrine mit klassischem Augarten-Porzellan – Platz für etwa 50 Personen
*** Der „Lanner- bzw. Leharsaal“ ***
2005 von Rainer Maria Latzke völlig neu gestaltet, lichtdurchflutet, aufgehellte Atmosphäre, blick- und schalldicht teilbar für kleinere Veranstaltungen – Platz für etwa 180 Personen
*** Der „Rittersaal“ ***
Ein klassischer, großer Festsaal, wie man ihn auf großen Burgen findet, gestaltet vom Architekten des Rathauses, Friedrich Schmidt – Platz für etwa 180 Personen
*** Der „Grinzinger Keller“ ***
Der Name stammt von dem riesigen, handgeschnitzten Holzfass, das sich in diesem Raum befindet – aus dem berühmtesten Heurigenbezirk „Grinzing“. Hier finden auch die „Austrian Dinner-Shows“ statt – Platz für etwa 220 Personen
*** Das „Augustiner Stüberl“ ***
Natürlich stand „der liebe Augustin“ hierfür als Namensgeber, für kleinere Feiern, Weindegustationen, etc. – Platz für etwa 50 Personen
Wie schon erwartet, wurde uns eine feine, stilvoll in Leder gebundene Speisekarte gereicht. Selbstverständlich sind im „Rathauskeller“ alle Servicekräfte fein gekleidet. Ja, in der Speisekarte findet man die typischen Wiener Klassiker wie Kalbstafelspitz, Rinderbouillon mit diversen Einlagen, Alt-Wiener Suppentopf, Fiakergulasch, Kalbsbeuschel, Tafelspitz, Schulterscherzel oder Zwiebelrostbraten, aber eben auch Branzino, Ricotta-Ravioli, gebackene Schaffrischkäse-Nockerl oder eine Gurkenkaltschale.
Zu trinken hatten wir ein „Null Komma Josef Alkoholfrei“ (EUR 3,50 / 0,33l)), ein „Ottakringer Rotes Zwickl“ (EUR 3,50 / 0,33l), einen durchaus brauchbaren „Doppelten Espresso (EUR 4,30) sowie eine „Melange“ (EUR 3,50) von Julius Meinl. Außerdem noch eine Karaffe Wasser (keine Berechnung), allerdings wurden weder Bier, noch Wasser vom Servicepersonal eingeschenkt, was wir eigentlich erwartet hätten.
Für die Speisen hatten wir einen Gutschein, ein „4-Gang-Menü inkl. Gedeck“, bestehend aus:
---- 1. Gang-Kalbstafelspitz
---- 2. Gang-Gurkenkaltschale
---- 3. Gang-Rinder-Lungenbraten mit Erdäpfeln und Gemüse
---- 4. Gang-Eisbecher mit Früchten
Das Gedeck bestand lediglich aus einem Baguette und einem Kornbaguette und drei Kügelchen Butter pro Person. Weder inspiriert noch kreativ oder aufregend, das Brot nicht hausgemacht. Bezahlen würde ich dafür nicht wollen.
1. Gang – „Kalbstafelspitz“
Besser kann man einen Kalbstafelspitz nicht garen, ein wunderbares, rosa gefärbtes Stück Fleisch wurde hauchdünn aufgeschnitten. Das Fleisch war sehr schmackhaft und immer noch saftig. Mariniert mit einer leichten Kernöl-Marinade, etwas vom frisch gerissenen Kren dazu gereicht und mit einer ansprechenden Dekoration ausgarniert – ein Traum. Negativ nur, dass man ungefragt das noch übrige Brot vom Gedeck beim Servieren des Kalbstafelspitzes abservieren wollte – eine Unart, besonders, wenn man als Gast nicht gefragt wird, und wir das restliche Brot natürlich noch zum Kalbstafelspitz genießen wollten. Nichts desto trotz wüsste ich nicht, was man an diesem Gang großartig besser machen könnte, und daher gibt es von mir hierfür ein seltenes aber verdientes „AUSGEZEICHNET“ (5).
2. Gang – „Gurkenkaltschale“
Die Kalte Suppe war sehr harmonisch mit frischer Dille abgeschmeckt, leichtes Knoblaucharoma, intensiv schmeckende Gurke und mit frischem Schnittlauch ausgarniert – eine sehr üppige Portion übrigens. Leider aber war die Kaltschale handwerklich nicht sehr toll gefertigt, sie hatte eine bröselige und ausgeflockte Konsistenz – das dürfte nicht passieren. Geschmacklich ein glattes Gut, weil eben doch keine sonderlich geschmackliche Überraschung, küchentechnisch aber schwach. In Summe gibt es daher leider nur ein gutes „MÄSSIG“ (2).
3. Gang – „Rinder-Lungenbraten mit Erdäpfeln und Gemüse“
Zu unserer Überraschung wurden wir nicht nach der gewünschten Garstufe für unsere Steaks gefragt – ein grober Schnitzer. Prompt wurden beide Filets durchgebraten serviert, was wir natürlich sofort reklamierten. Uns wurde sofortiger Ersatz angeboten, wir lehnten aber beide ab, weil zum einen die Fleischqualität so gut war, dass die Steaks noch immer sehr schmeckten, und zum anderen brachten wir es nicht übers Herz, die beiden Filets in den Mistkübel zu schicken – das hat sich das wunderbare Fleckvieh nicht verdient. Geschmacklich gab es am Fleisch nichts auszusetzen, sehr guter Rindfleischgeschmack, außen eine schöne Kruste, gut gewürzt.
Die dazu gereichte Portweinreduktion war ausgezeichnet – ein herrliches, tolles Safterl. Das Gemüse dazu war ebenfalls sehr gut gegart, zusätzlich angebraten und wurde in Richtung „mediterran“ gewürzt. Die Petersilerdäpfel als zusätzliche Beilage hatten leichte Bratspuren, wurden also völlig korrekt gefertigt. Das als Garnitur gereichte Thymian-Zweigerl fand ich persönlich gut, konnte man sich doch so noch ein paar Blätter davon frisch in das Gemüse rebeln - für das Fleisch war es natürlich nutzlos. Es ist sehr schade, dass ich jedoch wegen der Filets in Summe nur ein „GUT“ (3) geben kann. Bei optimalem Steak wäre der Gang fast schon ausgezeichnet gewesen.
4. Gang – „Eisbecher mit Früchten“
Ein sehr unkreatives Dessert, das man eigentlich im „Wiener Rathauskeller“ nicht erwarten würde. Das Eis war zwar von der guten TK-Sorte, aus dem Hause Mövenpick, jedoch bekommt man halt fertiges Eis in fast jedem Gasthaus. Die Sorten Erdbeere, Amarena mit weißen Schokoladen-Crunchies und Vanille waren gut, das Obershäubchen aus echtem Schlagobers gefertigt. Ausgarniert wurde mit frischen Beeren, einer Physalis und zwei Hohlhippen. In diesem Rahmen und auf diesem Niveau waren das leider nur „MÄSSIGE“ (2) Desserts.
Für die Speisen gebe ich daher in Summe ein „GUT“ (3), weil der Durchschnitt der vergebenen Punkte eben (5+2+3+2)/4 = 3 = „GUT“ ergeben. Sehr unterschiedliche Kochleistungen in den einzelnen Gängen haben wir hier, unerwarteterweise, erfahren müssen. Man stellt fest, der „Rathauskeller“ hat vom einstigen Glanz unter dem Küchen-Großmeister, Helmut Österreicher, leider einiges verloren - man hat auch keinerlei Auszeichnungen oder Hauben mehr.
Für das Ambiente gebe ich gerne ein glattes „AUSGEZEICHNET“ (5). Historisch, wunderschön, neubarock, herrschaftlich und mondän präsentiert sich der Rathauskeller insbesondere im „Salon Ziehrer“. Die laute Akustik zu bemängeln, wäre eher fehl am Platz, befindet man sich doch in historischen Kellergewölben. Tadellose Tischeindeckung, Stoffservietten, gutes Porzellan und Vieles mehr sind im „Wiener Rathauskeller“ obligat. Die Toiletten sind sehr sauber, ebenfalls prunkvoll mit goldenen Armaturen, viel Marmor, aber leider auch mit einer kaputten Lampe, die so gar nicht in das Gesamtbild passt.
Der Service war unheimlich freundlich, höflich und bemüht, ging mit dem Küchen-Fauxpas beim Filet sehr professionell um, fragte immer wieder nach, ob alles passen würde, erkundigte sich jedoch beim Filet nicht, welche Garstufe wir gerne hätten, wollte das Brot vom Gedeck beim Servieren des ersten Ganges einfach ungefragt abservieren und schenkte zu keiner Zeit Getränke am Tisch ein – in diesem Rahmen und auf diesem Niveau, nicht nur preislich, erwartet man sich einfach mehr, und daher gebe ich leider nur ein „GUT“ (3), wiewohl weder die beste Ehefrau von allen noch ich „gehätschelt“ und „getätschelt“ werden wollen. Die beiden konsumierten Cafés gingen als Wiedergutmachung für den Filet-Fauxpas aufs Haus.
Fazit: auch wenn uns die Speisen im „Wiener Rathauskeller“ nicht wirklich überzeugen konnten, sollte man den „Rathauskeller“ trotzdem unbedingt einmal in voller Pracht gesehen und erlebt haben. Das Preis-/Leistungsverzeichnis finde ich in Anbetracht des hier Gebotenem nicht ganz angemessen, da die Preise natürlich gehoben sind. Man macht immer wieder Veranstaltungen, wie etwa die „Austrian Dinner Show“, eine „Silvestergala“ und Ähnliches. Im Sommer findet das „Sommer-Café im Wiener Rathaus“ mitten in einem der Hofgärten des wunderschönen „Wiener Rathauses“ statt.